Karstadt-Nachfolge: Pläne stehen
Die Mitarbeiter wollen in eigener Regie weitermachen. Geschäftsplan, Flächenkonzept und Mitarbeiterpläne sind fertig. Die Neueröffnung nach der Schließung am 31. März ist für Mitte Oktober vorgesehen. Bis dahin wird es eine Transfergesellschaft geben, denn die Karstadt-Kündigungen kommen.
„Weg von Omas Warenhaus, hin zu Europas modernstem Kaufhaus", lautet die Devise, die Karstadt-Geschäftsführer Michael Sauter gestern Morgen auf der Betriebsversammlung ausgegeben hat. Er gibt sich optimistisch, dass es mit dem neuen Geschäft klappt, auch wenn sich erst in der nächsten Woche klärt, ob der Immobilienbesitzer das Gebäude an die potenziellen Betreiber vermietet oder verkauft. Betriebsratsvorsitzender Hermann Heinrich zeigt ebenfalls Zuversicht: „Es gibt momentan keinen einzigen Interessenten außer uns." Wenn es nicht klappe, dann wird das Gebäude „lange, lange Zeit leer bleiben", vermutet er.
Alle 191 Arbeitsverhältnisse werden gekündigt. Noch in diesem Monat erhalten die Mitarbeiter einen Entlassungsbrief mit dem Angebot, ab dem 1. April in eine Beschäftigungs- und Transfergesellschaft einzutreten. Heinrich erläutert, die Mitarbeiter bekämen danach Geld, das etwas höher sei als das normale Kurzarbeitergeld, das zwischen 60 und 67 Prozent des Nettolohns liege. Die Transfergesellschaft werde bis zum 30. September existieren. Für spätestens Mitte Oktober sei die Neueröffnung eines Kaufhauses mit Vollsortiment vorgesehen.
Das Geschäftskonzept, das Sauter mit Kollegen und zusammen mit der Technologieberatungsstelle Rheinland-Pfalz (TBS) erstellt hat, sei von „anerkannten Handelsleuten" auf seine Tragfähigkeit geprüft worden. Die bisher 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen auf 12.000 erhöht werden. Dafür werden Lager- und andere Räume umfunktioniert. Geplant ist, Mieter und Pächter ins Haus zu nehmen, die zum Beispiel einen Buchhandel, eine große Fläche mit Wohnaccessoires, einen Friseursalon oder einen Tabakladen führen. An schlechten Tagen, schildert Heinrich, gehen täglich etwa 6000 Menschen durch das Haus, an guten bis zu 15.000. Deshalb sollen drei bis vier Gastronomiebetriebe einziehen, die auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten betrieben werden können. „Es werden eher mehr als weniger Leute hier arbeiten als bisher", schätzt Sauter.
Der Finanzierungsplan steht nach den Worten des Betriebsratsvorsitzenden auf drei Säulen. Zum einen werden Kredite von Banken oder Investoren benötigt. Zum Zweiten werden sich die Mitarbeiter mit ihrem Urlaubs- und Weihnachtsgeld beteiligen und dafür Anteilscheine erhalten. Und schließlich soll im Februar eine Großveranstaltung steigen, zu der „ganz Kaiserslautern und das Umland eingeladen sind". Dabei wird das neue Kaufhaus vorgestellt, schildert Heinrich die Pläne, und es werden an jeden, der Mitbesitzer werden will, Anteilscheine ab 20 Euro verkauft. Zur Finanzierung würden regionale Banken und „vernünftige Bürgen" benötigt. Heinrich denkt hier beispielsweise an die Landesregierung oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Vorgesehen sei, das Haus entweder als GmbH oder als Aktiengesellschaft zu führen, stellt Sauter fest. In beiden Fällen übernehme er die Leitung. Ihm zur Seite stehen zwei weitere Führungskräfte.
Nach den Worten des Betriebsratsvorsitzenden begleite die Insolvenzverwaltung die Pläne positiv. Heinrich geht davon aus, dass Mitte März der letzte Verkaufstag sein wird. Danach wird das Kaufhaus leer geräumt und besenrein zurückgegeben. „Wir beginnen mit einem leeren Gebäude", so Heinrich. Weder Ware noch Mobiliar wolle man vom Insolvenzverwalter übernehmen. Ein solches Kaufhaus, das es „in dieser Form und Ausgestaltung in Deutschland noch nicht gibt", müsse mit einer neuen Einrichtung beginnen. Auch die Fassade des Hauses soll erneuert werden: „Damit können wir nicht auf den Markt gehen."
Bis Ende Januar werde mit dem Immobilienbesitzer geklärt sein, ob das Haus an die neue Gesellschaft verkauft oder vermietet werde. Bei einem Kauf liegt die Schmerzgrenze bei 15 Millionen Euro, sagt Heinrich. Sauter würde es vorziehen, das Gebäude als Mieter zu übernehmen.
Mut macht fast sprachlos
Die jetzigen und - wenn alles klappt - auch zukünftigen Macher von Karstadt sind überzeugt davon, dass das Kaufhaus weiter bestehen kann. In Mitarbeiterregie als GmbH oder Aktiengesellschaft soll es im Oktober neu eröffnen. Sie haben gerechnet, die Verkaufsfläche verplant, neue Ideen entwickelt, die Mitarbeiterzahl durchkalkuliert - und sie sind optimistisch: Es kann gehen. Mehr noch: Sie sind überzeugt davon, dass ihr Konzept für ein Kaufhaus der Zukunft funktioniert.
Zwei Punkte - zwei wesentliche - bleiben bisher offen: Können die Planer das Gebäude kaufen oder mieten? Wer finanziert das Ganze? Dabei geben sie sich siegessicher, wenn sie das Gebäude von der Eigentümerin - einer Fondsgesellschaft - bekommen, dann können sie die Finanzierung für ihre Pläne ebenfalls auf die Beine stellen. Und weil momentan niemand außer ihnen an der Immobilie Interesse zeigt, versprechen sie sich auch hier Erfolg.
Der Mut, den die Beschäftigten inklusive Geschäftsführer aufbringen, macht fast ein bisschen sprachlos. Vor rund sechs Wochen, als die Schließung definitiv wurde, hätte niemand geglaubt, dass solche Pläne klappen könnten. Mittlerweile wächst auch bei Unbeteiligten die Zuversicht. Nur mit so viel Mut und Optimismus lässt sich ein solches Projekt realisieren.
„Eine Chance, die wir unbedingt nutzen müssen"
Umfrage: Karstadt-Mitarbeiter zu dem Konzept, das Kaufhaus im Oktober in eigener Verantwortung neu zu öffnen - Klappt der Plan?
Wenn im März die Pforten der Kaiserslauterer Karstadt-Filiale schließen, dann soll dies noch nicht das letzte Wort gewesen sein. Die Mitarbeiter haben den mutigen Plan gefasst, das Kaufhaus in eigener Regie weiterzuführen. Im kommenden Oktober wollen sie ein neues und modernes Kaufhaus eröffnen. Die RHEINPFALZ fragte gestern sechs Karstadt-Mitarbeiter, welche Chance sie der Realisierung dieses Plans geben.
Ruth Arena: „Ich bin sehr optimistisch, dass das Konzept realisiert und im Oktober die Neueröffnung erfolgen wird. Für uns Mitarbeiter ist es eine Chance, die wir unbedingt nutzen müssen. Wir haben ja nichts zu verlieren. Für einen Außenstehenden mag es unrealistisch erscheinen, wenn wir Mitarbeiter aber alle an einem Strang ziehen, ist es zu schaffen. Da ich bald meine Kündigung bekommen werde, bin ich froh, dass es die Beschäftigungs- und Transfergesellschaft gibt und ich nicht auf das Arbeitsamt muss. Die Anteilnahme unserer Kunden ist groß. Viele drücken uns die Daumen, dass es mit der Neueröffnung klappt."
Ursula Petry: „Auf der Betriebsversammlung am Dienstag wurde uns Mitarbeitern der Plan vorgestellt. Ich denke, dass die Chancen 50 zu 50 stehen, dass im kommenden Oktober das neue Kaufhaus eröffnet wird. Die meisten Mitarbeiter stehen hinter diesem Konzept. Ich bin überzeugt davon, dass das Vollwarenhaus eine Renaissance erleben wird. Was wäre Kaiserslautern ohne ein Warenhaus? Wir haben eine gute Geschäftsleitung, und ich bin zuversichtlich, dass sie die Pläne realisieren wird. In dem neuen Kaufhaus wird es nicht mehr diese Bürokratie geben. Für unsere älteren Mitarbeiter ist es gut, dass es die Beschäftigungs- und Transfergesellschaft gibt."
Monika Godemann: „Seit 25 Jahren arbeite ich bei Karstadt. Als ich das erste Mal von dem Konzept gehört habe, dass die Mitarbeiter in eigener Regie das Kaufhaus weiterführen sollen, war ich zunächst skeptisch und habe nicht geglaubt, dass das funktionieren könnte. Doch mit der Zeit habe ich Hoffnung geschöpft, und jetzt bin ich optimistisch, dass wir den Neuanfang schaffen. Wenn man sieht, was in der kurzen Zeit schon alles erreicht wurde, kann man schon zuversichtlich sein. Viele Kunden machen uns auch Mut. Das hat uns sehr geholfen. Für Kaiserslautern ist es wichtig, dass es ein Kaufhaus gibt, weil dadurch die Innenstadt belebt wird. Für uns Mitarbeiter ist es gut, dass wir in die Transfergesellschaft eintreten können. Das gibt uns Sicherheit, zumindest bis September."
Hans Werner Schmidt: „Das Konzept, das zur Weiterführung des Kaufhauses entwickelt wurde, ist hervorragend. Auf der Betriebsversammlung haben wir es dargelegt bekommen. Es ist ein tragfähiges Konzept. Es muss einfach klappen. Die Mitarbeiter wollen nicht in die Arbeitslosigkeit; sie wollen die Ärmel hochkrempeln und alles tun, dass im Oktober das Kaufhaus eröffnet werden kann. Wir wollen da einen ganz anderen Kaufhausstil entwickeln. Ich hoffe, dass die Kaiserslauterer mitziehen. Jeder zweite Kunde spricht uns auf das neue Konzept an, und viele drücken uns die Daumen."
Erich Wolfahrt: „Ich hoffe, dass es im Oktober mit der Neueröffnung klappt. Ich arbeite schon seit 30 Jahren bei Karstadt. Es ist ein Teil meines Lebens. Seit es diesen Plan gibt, stehen wir nicht mehr im Dunkeln. Ich will mich dafür einsetzen, dass der Plan realisiert werden kann. Das wollen alle Mitarbeiter in unserer Abteilung. Für viele Mitarbeiter ist dieses Kaufhaus eine Herzenssache; sie wollen hier weiterarbeiten. Viel von uns waren noch nie arbeitslos. Wir vertrauen unserer Geschäftsleitung. Ich bin zuversichtlich, dass es mit der Finanzierung klappt und dass auch die Gespräche mit dem Besitzer des Gebäudes positiv verlaufen. Es wäre schlecht für Kaiserslautern, wenn dieses Kaufhaus ganz schließen würde. Dann wäre in der Innenstadt nichts mehr los."
Alfred Lauer: „Bis jetzt ist es nur eine Hoffnung, dass das Kaufhaus im Oktober weitergeführt wird. Ich versuche das Konzept der Neueröffnung mittlerweile als einen größeren Strohhalm zu sehen, als ich es noch vor einiger Zeit gesehen habe. Es müssen noch viele Dinge geklärt werden, so zum Beispiel die Finanzierung. Ich informiere mich und stecke den Kopf nicht in den Sand. Heutzutage ist es schwierig, einen neuen Job zu finden. Das Konzept steht jetzt und ist eine Chance für die Mitarbeiter. Es ist gut, dass neue Ideen verwirklicht werden sollen.