Die Nacht der Könige
München - "Das ist wie Tyson gegen Holyfield", sagte Phil Taylor im Vorfeld seines Finals bei der Darts-Weltmeisterschaft gegen den Niederländer Raymond van Barneveld.
Er hätte das Duell der beiden besten Spieler ihrer Zunft genauso gut mit Begegnungen zwischen Muhammad Ali und George Foreman oder Pete Sampras und Andre Agassi vergleichen können, die Botschaft wäre die gleiche geblieben.
Die Engländer hätten einen solchen Vergleich ohnehin gar nicht gebraucht, um zu begreifen, dass in der Circus Tavern in Purfleet das Spiel der Spiele auf sie wartete - die Menschen von der Insel haben eben einen etwas anderen Sportgeschmack.
Darts, Snooker, Poker: Der Brite an sich fühlt sich auch in Sportarten extrem wohl, in denen es nicht auf gestählte Körper ankommt. Das einzige Doping, das zum Beispiel Darts-Größen wie Taylor oder van Barneveld zu sich nehmen, ist vielleicht ab und zu einmal ein Bier oder eine deftige Mahlzeit.
Herzschlagfinale geht an van Barneveld
Das tut aber ihrer beeindruckenden Leistung keinerlei Abbruch, im Gegenteil: Das WM-Finale zwischen dem elfmaligen Weltmeister des Verbands PDC Taylor und dem viermaligen Weltmeister des Verbands BDO van Barneveld ließ in Sachen Hochklassigkeit und Dramatik keine Wünsche offen.
Mit 7:6 Sätzen entthronte van Barneveld am Ende eines denkwürdigen Abends "The Power" Taylor per Sudden Death im allerletzten Leg des allerletzten Satzes - im Elfmeterschießen oder im Tie-Break quasi.
"Das beste Finale, in dem ich gestanden habe"
"Von all den Finals, in denen ich gestanden habe, würde ich das hier als das beste bezeichnen", sagte Taylor, der zum ersten Mal seit der Finalniederlage 2003 wieder seinen Meister bei der WM gefunden hatte.
Und den ausgerechnet in van Barneveld, der extra den Verband gewechselt hatte, weil er nicht mehr hören konnte, dass er zwar Weltmeister sei, aber nicht der beste Darts-Spieler der Welt, weil es in der PDC noch den unschlagbaren Phil Taylor gebe.
Freundschaftliches Verhältnis
Jetzt ist der Niederländer nicht nur zum ersten Mal PDC-Champion, sondern endlich auch der beste Darts-Spieler der Welt.
"Das ist ein unglaublicher Start in das Jahr für mich", freute sich van Barneveld, lobte aber auch seinen Gegner: "Wir sind sehr gute Freunde, und wenn Phil einmal aufhören sollte, sollte man ihm ein Denkmal setzen. Was er für den Sport getan hat, ist unbeschreiblich."
Mit Doppel-20 zum Triumph
Kurz vor 23 Uhr englischer Zeit stand es in Purfleet 6:6 nach Sätzen, 5:5 in den Legs, also den einzelnen Aufnahmen. Das letzte Leg musste entscheiden, van Barnefeld traf das Bull's Eye und sicherte sich damit das Recht, als Erster werfen zu dürfen - ein großer Vorteil.
Dann ging es hin und her, Taylor legte die Höchstwertung von 180 Punkten vor, van Barneveld konterte prompt mit derselben Punktzahl.
Am Ende verteidigte van Barneveld den Vorteil des ersten Wurfs und brachte mit einem Treffer in die Doppel-20 seinen Punktestand auf null - der Triumph.
"Ich konnte nichts machen"
Jubel pur auf der einen Seite, aber auch faire Worte des Geschlagenen. "Das war das beste letzte Leg, das ich jemals gespielt habe", sagte Taylor. "Ich konnte nichts machen. Ich habe mein Bestes gegeben, doch die letzte Hürde konnte ich nicht überspringen."
3:0 hatte Taylor schon nach Sätzen geführt, doch dank unglaublicher 21 perfekter Serien von 180 Punkten kämpfte sich Raymond van Barneveld zurück ins Match. "Diese Zahl sagt viel darüber aus, wie gut man sein muss, um diesen Mann zu schlagen", sagte er in Richtung Taylor.
Großer Respekt voreinander
Die größten Gegner haben den größten Respekt voreinander. Das ist im Darts-Sport nicht anders als im Boxen oder im Tennis.
Phil "The Power" Taylor ist es weder gewohnt zu verlieren, noch tut er es gern. Aber man hat das Gefühl: Wenn er es verkraften kann, geschlagen zu werden, dann von Raymond van Barneveld, dem neuen Weltmeister aller Klassen.
Alexander Mey
http://www.sport1.de/de/sport/artikel_725429.htmlhttp://www.sport1.de/de/sport/artikel_725429.html