Für meinen Geschmack zu viel Schwarz-Weiß-Malerei bei diesem Thema.
Sicherlich haben die völlig recht, die sagen: Die Ära Kurz ist eine Erfolgsgeschichte. Und es ist zweifellos so, dass jeder klar denkende Mensch lieber mit externen Spielern Bundesliga spielt als mit "Lautrer Jungs" in den Niederungen der zweiten oder dritten Liga hinzudümpeln. Aber dass in den letzten beiden Jahren wirklich gar kein Feldspieler aus der eigenen Nachwuchsarbeit auch nur als Bankspieler irgendeine Rolle gespielt hat, ist durchaus eine kritische Auseinandersetzung wert. Dabei ist aber auch zunächst mal zu beachten: Die Voraussetzungen der Jugendarbeit haben sich in den letzten 10 Jahren geändert. Mit dem MSV Mainz 05 und der TSG Hoffenheim haben sich quasi über Nacht 2 Vereine etabliert, die die selben Weidegründe haben wie der FCK (und die ebenfalls von Frankfurt und Stuttgart abgegrast werden). Während dort durch sportliche Erfolge oder potente Geldgeber Strukturen nach modernen Anforderungen neu geschaffen wurden, sind unsere Strukturen durch sportlichen Niedergang und Finanzkrise veraltet und verfallen. Ein Investitionsstau in gewaltiger Höhe ist entstanden.
Wonach entscheidet sich nun ein umworbener Jugendspieler, wohin die Reise geht? Ich behaupte, dass eigene Fan-Identität ab einem gewissen Alter keine Rolle mehr spielt. Es geht um Geld, Strukturen und Perspektive.
Faktor Geld: Da die Finanzlage des FCK nach wie vor prekär ist, kann man den Nachwuchsspielern nicht viel zahlen. Finanzielle Anreize um Top-Talente anzuwerben oder zu halten sind nicht drin. Die Konkurrenz hat teilweise auch ganz andere Möglichkeit, so ist bekannt dass Eltern von Jugendspielern die zu Hoffenheim gewechselt sind teilweise Jobs bei SAP bekommen haben und sogar Jugendspieler von 15-16 Jahren bereits Gehälter wie Regionalliga-Profis bekommen. Lanciert wurde auch, dass ältere Jugendspieler beim Übergang in den Profi-Bereich teilweise Angebote erhalten, die weit unter den marktüblichen Konditionen liegen. Dies hat dazu geführt dass Marcel Correia und Ricky Pinheiro das Angebot des FCK zunächst abgelehnt hatten (es wurde jedoch später eine Einigung erziehlt). Hier werden wir zu Hoffenheim nie aufschließen können, realistisch es aber wieder auf Augenhöhe mit Mainz, Frankfurt, Stuttgart zu kommen. Gegenwärtig jedoch können wir mit Geld nicht Punkten.
Faktor Strukturen: Es ist unbestritten, dass der Fröhnerhof nicht mehr aktuellen Anforderungen an ein konkurrenzfähiges Nachwuchsleistungszentrum genügt. Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage ist dies kurzfristig nicht zu ändern. Perspektivisch muss ein modernes Jugendinternat her, aber das ist aus eigenen finanziellen Mitteln kaum zu stemmen. Vor Jahren gab es Verhandlungen zwischen Rene C. Jäggi und Dietmar Hopp über ein Investment in die FCK-Jugend. Hopp wäre dazu bereit gewesen, als Gegenleistung wollte er bei Transfererlösen aus Jugendspielern beteiligt werden. Das wollte Jäggi nicht, die Sache ist gescheitert. Generell ist bei der Problematik auch zu beachten, dass der FCK nicht Besitzer des Fröhnerhofs ist, sondern lediglich Mieter. Das macht das ganze nochmal finanziell schwieriger, denn bilanziell hat man von so einem Investment dann nichts. Darum sehe ich es perspektivisch so, dass man sich noch einmal um ein Modell mit externem Investor bemühen sollte. Ich habe lieber ein Jugendinternat dass ab und an Spieler hervorbringt die mich sportlich verstärken und von denen ich bei Verkauf 50-70% der Transfererlöse abgeben muss, als kein konkurrenzfähiges Jugendinternat zu haben, keine Verstärkungen und dafür 100% von 0 behalten kann.
Gegenwärtig kann der FCK mit Strukturen nicht punkten, zumindest nicht gegen die Buli-Konkurrenz. Im weiteren Sinn zu Strukturen zähle ich hierbei übrigens auch die Jugendtrainer. Auch hier sollte man sich kritisch hinterfragen, ob alle den Anforderungen an sportliche Ausbildung und Menschenführung genügen und ob tatsächlich ein Konzept umgesetzt wird, dass der Hinführung ins Profi-Lager dient (Kollektiv-Erfolge versus Individuelle Förderung).
Faktor Perspektive: Da das ganz große Geld und die besten Strukturen sowieso erst im Profi-Fußball warten, ist die Perspektive ein besonders wichtiger Faktor. Ein Jugendspieler möchte für sich die Möglichkeit sehen, den Übergang zu den Profis zu schaffen. Diese Perspektive schafft man durch individuelle Betreuung und positive Beispiele. Zur indivuellen Betreuung zähle ich Möglichkeit zur regelmäßigen Teilnahme am Profi-Training und Einsatzzeiten in der zweiten Mannschaft, bei kontinuierlichem Austausch mit Amateur und Profi-Trainer ("Was kann ich gut, was kann ich schlecht, wie kann ich mich verbessern, was muss ich ändern um für's Profi-Team in Frage zu kommen, wie wird meine Entwicklung im letzten Quartal gesehen, wie ist die Zielsetzung für's nächste Quartal? etc."). Dazu gehört es auch, positive Entwicklungen zu belohnen z.B. durch die Berufung in den 18er Kader und mal einem Kurzeinsatz in einem Spiel, das bereits entschieden ist.
Positive Beispiele bilden natürlich die Spieler in den Jahrgängen zuvor, die den Übergang vom Jugend- in den Profi-Bereich geschafft haben. Da letztlich wie bereits erklärt das wirkliche Geld und die Top-Strukturen bei den Profis warten, wird sich ein Jugendspieler ausschlaggebend dem Verein anschließen, der die beste Perspektive bietet, in den Profi-Bereich überzugehen. Da sieht es bei uns nicht nicht wirklich gut aus. Während in der Ära nach Halfer & Co Jugendspieler zumindest sporadisch eingesetzt wurden (z.B. Pinheiro, Bronicewski, Akzam, Henel) ist dies unter Marco Kurz zum erliegen gekommen. Problematisch dabei ist nicht unbedingt, dass es keine geschafft hat sich in der Buli zu etablieren, sondern dass in den letzten 2 Jahren auch niemand die Chance bekam, sich überhaupt zu zeigen. Also kann der FCK schlussendlich auch nicht mit Perspektive punkten, so dass es für mich nur nachvollziehbar ist, dass talentierte Jugendspieler sich anders orientieren. Hier muss für die Zukunft einfach wieder gezeigt werden, dass der Übergang möglich ist und dass ein Profi-Vertrag beim FCK auch etwas bedeutet. Denn die Local Player Profis wie Correia, Zellner und Stulin sind abschreckende Beispiele.
Abschließend noch 2 Bemerkungen: Wer sagt, dass man im Abstiegskampf nicht lauter Jugendspieler aufbieten kann, hat völlig recht. Wir haben in den vergangenen Jahren immer in extremen sportlichen Situationen gesteckt und hatten nicht viel Spielraum für Experimente. Man muss sich aber vor Augen führen: Das ist immer so. Die halbe Liga spielt gegen den Abstieg, die andere Hälfte um die internationalen Plätze. Es geht immer um irgendetwas. Darum ist auch gar nicht zu verlangen, dass wir in hohem Maße den Jugendstil ausrufen. Aber die Nachwuchsleute als festen Bestandteil der Profis sehen, sie wirklich fördern und auch mal auf die bank setzen und in entschiedenen Spielen oder wenn wir viele Verletzte haben mal ein paar Minuten zum Einsatz bringen, das muss eigentlich drin sein. Auch im Abstiegskampf.
Bei allem Vorab-Lob für Klement: Ob wir hier den neuen Götze verloren habem, weiß keiner von uns. Wir haben in den letzten Jahre so manches Super-Talent verloren, aus dem auch wonanders nichts geworden ist. Z.B. Jonas Marz, der nach seiner kleinen Odyssee jetzt wieder bei unseren Amateuren gelandet ist. Oder Patrick Wolf, der jetzt in der dritten Liga kickt. Auch ein Henel wurde hochgelobt und ist völlig in der Versenkung verschwunden. Man sollte also die Diskussion eher abstrakt führen und sie nicht zu sehr an Klement festmachen. Er ist nur ein weiterer in der Reihe von Spielern, die nach dem Ende ihrer Jugendausbildung in den Profi-Bereich eines anderen Clubs wechseln, wie z.B. zuvor Esswein und - für mich am schmerzhaftesten und unverständlichsten - Kaldirim. Bei letzterem kommt dann auch wieder der finanzielle Aspekt zum tragen, hätte man ihn gehalten, hätte man sich die teure Ablöse für Jessen wohl sparen können (nichts gegen Leon, aber einfach grundsätzlich gedacht) und evtl sogar selber in der Zukunft einen Transfererlös erzielen können.
Denn es ist letztlich auch so wie hier schon angesprochen, 3 Jahre Bundesliga schön und gut - 1 Schürrle-Transfer hätte den selben Effekt, wir könnten unsere Schulden abbauen oder den Fröhnerhof zurückkaufen und auf Vordermann bringen. So leben wir derzeit einfach "von der Hand in den Mund", kaufen sogar die Tribünenplätze von außen nach (Walch) und sind immer davon abhängig dass die Transfers auch einschlagen. Nach dem letzten Abstieg hatten zumindest etwas "Tafelsilber" (Halfar, Schönheim, Reinert), dass wir hätten verkloppen können (und es besser getan hätten), Mainz hat Jugendspieler wie Bell bei denen sogar Inter Mailand dahinter ist; Wenn wir absteigen haben wir nix. Und wenn wir die Klasse halten auch nix. Außer Millionen die die Jugendarbeit kostet ohne irgendeinen Effekt.