50 Jahre Bundesliga (10): Die skandinavische Erfolgsgeschichte beim 1. FC Kaiserslautern
Von Peter Lenk
Die Spieler, die damals Kaiserslauterns tüchtiger und weitblickender FCK-Präsident Willi Müller in Gemeinschaft mit seinem Vize Udo Sopp aus dem hohen Norden verpflichtete, sorgten in der Fußball-Bundesliga für riesiges Aufsehen.
Hatte sich der damalige Renommierklub Borussia Mönchengladbach mehr nach Dänemark orientiert, um sich den einen oder anderen schön glitzernden Fisch zu angeln, Allan Simonsen etwa, so suchten die beiden FCK-Oberen im benachbarten Schweden ihr Glück. Und fanden es! Über Jahre hinweg entstand eine glückhafte Verbindung zwischen Fußballern aus dem Drei-Kronen-Team und dem pfälzischen Klub, der sich damals dank der Kicker aus dem Norden aus der mausgrauen Masse der Bundesligisten heraus spielen konnte.Der erste Schwede, den Müller und Sopp 1973 verpflichteten, hieß Roland Sandberg. Ein sehniger Bursche, der stets im Gesicht so aussah wie die „deier Zeid“, auf Deutsch: schlecht eben. Dünn, ja geradezu mager. Und als er sich noch lange Bartkoteletten wachsen ließ, hätte er mit seinem schmalen Kopf und dem ständig Kautabak mahlenden dünnen Mundstrich einen Bock zwischen die Hörner küssen können.
Bei den Anhängern der „Roten Teufel“ stieß die Verpflichtung des Linksaußen der schwedischen Nationalmannschaft auf geteilte Zustimmung, marschierte er doch schon auf die 27 zu. Doch schon im ersten Spiel verflog die Skepsis. Sandberg agierte gleich so wie in den folgenden vier Jahren stets: unnachahmlich, unvergleichlich. Seine Spezialität: Er kurvte stets von links in die Mitte und zog dann mit rechts ab, derweil ein verdutzter Verteidiger zurückblieb und eben eine menschliche Rakete an sich vorbeizischen sah. Sandberg hatte die Natur nicht nur mit unerhörter Sprintfähigkeit ausgestattet, sondern auch mit einem bärenstarken, beidfüßigen Vollspannschuss. Seine klasse Bilanz: 60 Tore in 118 Spielen.
Ernst Diehl, einer der schnellsten Abwehrspieler der damaligen Bundesliga und Gerd Müllers unangenehmster Gegenspieler, lüftete ein Geheimnis des Schweden-Pfeils: „Der Roland ist bei den Sprintübungen eigentlich nie unter den ersten Drei, aber er erkennt die Situation, wohin ein Pass kommt, so blitzschnell wie kein anderer. Selbst in jedem Trainingsspiel zeigt er das. Und wenn er dann einen Meter Vorsprung hat, dann kriegst du ihn nicht mehr.“ Und der ehemalige FCK-Kapitän, der bekanntlich später als Jugendcoach die meisten FCK-Profis in der gesamten FCK-Bundesliga-Geschichte herausbrachte, fügte damals noch bewundernd hinzu: „Das ist einfach phänomenal!“
Als Sensation erwies sich 1974 eine weitere Verpflichtung aus Schweden. Roland Sandberg hatte die Kontakte hergestellt. Zu einem gewissen Ronnie Hellström, Torhüter des Nationalteams. Der schlanke Blonde hatte seinem muskulären Pendant von Kaiserslautern und der Pfalz vorgeschwärmt, Müller und Sopp schafften das schier Unmögliche: Sie bekamen die Unterschrift Hellströms über einen langjährigen Kontrakt vor der WM. Bei diesem Turnier entpuppte sich der schnauzbärtige 1,90-Meter-Hüne als einer der besten. Der kleine FCK hatte plötzlich einen Weltstar anzubieten. Einen Weltstar zum Anfassen, einen, den die Fans vergötterten, der fantastische Leistungen zeigte und trotz spektakulärer Paraden immer auf dem Boden blieb. Menschlich tadellos eben.
Eine Begebenheit, ein Dialog, ist mir noch immer in Erinnerung. Es ging um eine Vertragsverlängerung. Montagmorgens nach dem Training. Frage an Hellström: „Ich habe gehört, es steht eine Verlängerung deines Vertrages an.“ Antwort: „Ja, das stimmt. Wir verhandeln seit einigen Tagen.“ Frage: „Kannst Du schon was sagen?“ Antwort: „Leider nein, aber frag’ mich bitte noch mal am Mittwoch.“ Frage am Mittwoch: „Und, wie sieht’s aus?“ Antwort: „Ja, ich habe verlängert.“ Als der RHEINPFALZ-Sportredakteur in die Redaktion zurückkehrte, traf gerade die offizielle FCK-Information über Hellströms Vertragsverlängerung ein. Die Vertragsverlängerung eines Weltstars ... Hellström hütete von 1974 bis 1984 in 266 Bundesligaspielen das FCK-Tor. Wie viele Punkte er seinem Klub rettete, lässt sich nicht eruieren. Es sind jedoch eine ganze Menge.
Roland Sandberg, der wegen einer Knieverletzung seine Karriere beenden musste, fand in einem Landsmann seinen Nachfolger im Sturm: Benny Wendt. Der Blonde, war allein vom Erscheinungsbild her das krasse Gegenteil Rolands: Athletisch, wuchtig, kopfballstark. Während Sandberg flitzte, tankte sich der ehemalige Eisenbieger an Gegnern vorbei. Allerdings blieb ihm der stete Erfolg Sandbergs versagt. Klasse Darbietungen folgten auch mal schwache. Doch charakterlich ähnelte er seinen Landsleuten. Er war zuvorkommend, höflich, bescheiden und immer für die Fans da. Seine Bilanz von 1977 bis 1981: 116 Spiele und 35 Treffer.
Ein Jahr nach Wendts Abschied schien der FCK wieder einen internationalen Star verpflichtet zu haben: Torbjörn Nilsson. 1982, im Halbfinale des Uefa-Pokals auf dem Betzenberg, führte der Sturmführer von IFK Göteborg einen verblüfften Hans-Peter Briegel vor, was ja sehr selten passierte. Halb Fußball-Europa jagte den „Mister Uefa-Pokal“, der in diesem Wettbewerb Treffer am Fließband erzielte. Der FCK erhielt den Zuschlag für den 1,90-m-Mann. Dank seiner blendenden Beziehungen ins skandinavische Land.
Allerdings, die Vorschusslorbeeren verwelkten. Torbjörn Nilsson schien für das harte Bundesliga-Geschehen zu weich zu sein. Er hatte alle körperlichen Fähigkeiten für einen perfekten Stürmer: Schnell, wendig, selbst auf engstem Raum kaum vom Ball zu trennen, kombinations- und schussstark, perfekt im Kopfball. Doch eines schien dem Modellathleten zu fehlen: das Durchsetzungsvermögen, das aus dem Inneren kommt.
Eine Szene aus einem Spiel war für den vorbildlichen Sportsmann Nilsson kennzeichnend: Er wurde von einem Gegenspieler brutal gefoult. Der Schwede stand als erster wieder auf und half seinem Kontrahenten aus der Horizontalen. Damals wurde rund um den Betzenberg kolportiert, dass Reiner Geye seinen Mannschaftskameraden geschnitten, ihn zu selten angespielt habe. Was natürlich zum einen nicht zu beweisen war, zum anderen idiotisch gewesen wäre, denn die gesamte Mannschaft, einschließlich Geye, profitierte ja von Nilssons Toren, von 22 in 65 Begegnungen von 1982 bis 1984.
Das vorletzte Kapitel der Schweden auf dem Betzenberg schrieb Jan Eriksson (von 1992 bis 1994), der allerdings als Nationalspieler nie richtig Fuß fassen konnte. 2007/2008 kam Björn Runström zum FCK – und scheiterte. Auch der kleine Benno Magnusson (1973/74) blieb sportlich nicht mehr als eine Fußnote. Mit ihrem Verhalten außerhalb des Spielfeldes sorgten sie aber alle dafür, dass Schweden in der Fußball-Pfalz bis heute eine unglaubliche Popularität genießen. Weil sie feine Menschen waren, grundanständig, echte Vorbilder, Idole eben. Nicht verwunderlich, dass Ronnie Hellström selbst heute noch, wenn er „seinen“ FCK-besucht, enorme Sympathie entgegenschlägt.
Jammerschade, dass die pfälzisch-schwedische Verbindung gerissen ist.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau