Vorab Verzeihung für den langen Post, aber irgendwo muss ich einfach aufarbeiten und niederschreiben, was ich an diesem trüben Sonntag dachte, um nicht ganz der Winterdepression zu verfallen....
Als ich nach 30 Sekunden sah, dass wir gegen den Tabellenletzten von hinten herauskloppten, habe ich mich gefragt, ob das kein taktischer Offenbarungseid im Heimspiel ist? Als ich wiederum 20 Minuten später merkte, welche Schwierigkeiten etwa Vucur oder Jenssen mit Abspielen über wenige Meter haben, erschloss sich mir die „Taktik“ einigermaßen . Trotzdem frage ich mich, was unter der Woche trainiert wird, wenn einfachste Dinge wie "annehmen-abspielen-überlaufen" immer noch nicht sitzen? Völlig entsetzt hat mich Przybylko. Ich kann mir nicht erklären, welche Laufwege er die Woche über trainiert, welche Rolle er im Sturm spielen soll und wie genau seine Aufgabe in dieser Mannschaft lautet? Ich sah ihn heute eigentlich nur 80 Minuten rumstehen, mal im Abseits, mal außen, mal zurückgezogen, aber immer mit einer gewissen Passivität. Zwangsläufig vergleicht man die eigenen Spielern mit den Gegnern, Onuegbu war gewiss nicht übermächtig, aber da war ein Stürmer, der rannte, ackerte, Bälle ablegte und hielt oder auch mal anlief und dazwischenging, sich also immerhin aktiv am Spiel zu beteiligen versuchte, obwohl man wenig mit ihm spielte.
Das große Manko ist und bleibt, dass fast alle Spieler statisch sind und diese Einstellung auch innerlich mit sich tragen! Kaum einer kann oder will einen Gegenspieler mit Tempo überlaufen, sondern in jeder Aktion wird sich die Option offen gehalten, noch eine Pirouette für den sicheren Pass nach hinten zu drehen oder aber sich hinzuschmeißen und auf einen Freistoß zu hoffen. Ausnahmen sind vielleicht noch der schnelle Zimmer, auch Görtler ist unbekümmert, aber weder spieltaktisch schlau noch technisch genug ausgereift. Etwas Dynamik hat noch Klich, der aber durchweg zwischen Genialität und Wahnsinn wandelt, Deville immerhin zeigt seine Jokerqualitäten und muss vorerst den Vorzug vor Przybylko erhalten, ist m.E. aber weder Rechtsaußen noch rechter Mittelfeldspieler, sondern Mittelstürmer. Sonst greift überall die Verwalter-Mentalität in Reinkultur um sich, notfalls wieder zurück mit dem Ball, nichts riskieren, nie zu schnell spielen, lieber alles (vermeintlich…!) ruhig und sicher kontrollieren. Das können von mir aus Vucur und Heubach in ihrer jetzigen Verfassung so machen, aber spätestens bei Karl und Jenssen und erst recht bei Gaus darf das nicht sein. Positiv war heute neben dem Ergebnis noch der Anhang, der über den TV-Bildschirm absolut wohlwollend und genügsam wirkte und gar Selbstverständlichkeiten beklatschte. Das ist für mich ein gutes Zeichen und zeigt, dass man in der Realität angekommen ist, denn so viel anders als gegen Paderborn war unser Spiel heute nicht.
Mit 25 Punkten sind wir erstmal weit weg von den Abstiegsrängen, das ist für mich viel wichtiger als der Blick nach oben. Kuntz muss sich m.E. fragen, wofür die Rückrunde stehen und genutzt werden soll. Auch heute standen wieder viele Spieler auf dem Platz, die nun jahrelang hier spielen und deren Verträge nicht mehr lange laufen, mit denen wir aber weder den gestern beschworenen sportlichen Turnaround noch eine stärkere Identifikation mit dem Anhang schaffen werden. Hier sollte man sich überlegen, ob man in der Winterpause nicht à la Paderborn einschneidendere Veränderungen vornimmt und darauf vertraut, bis Sommer noch 15 Punkte für die Klasse zu holen. Dass es nämlich einen deutlichen Schnitt im Kader braucht und langjährige Haudegen (ich nenne mal Karl, Jenssen, Gaus und Ring) nicht mehr für den Umschwung werden sorgen können, steht für mich fest. Ich habe das vor der Saison schon vertreten, da hieß es "nein, nein", weil durch so viel Fluktuation der austarierte Kader durcheinander gerät und wir in der Vergangenheit doch auch schon so viele Transfers ohne Besserung getätigt hätten. Das wird gewiss auch jetzt wieder kommen, nur ist dann meine Gegenfrage, auf welches leistungsmäßige Wunder der Genannten wir warten? Ob die Einsicht, Veränderungen vorzunehmen, nun im Winter oder Sommer kommt, ist für mich gleich. Jetzt aber hätte es für mich den Charme zu zeigen, dass man den Neuaufbau ernstlich angehen möchte und die Rückrunde eben teilweise als Vorbereitung für 16/17 begreift.
Daneben muss die Frage erlaubt sein, ob der Trainer richtig ist oder wir nicht auch hier eine Neuerung brauchen. Aus meiner Sicht hat Fünfstück in seinen knapp drei Monaten als Cheftrainer nicht eine einzige (!) taktische Rafinesse gezeigt. Es wird von hinten heraus gekloppt und das taktische Korsett mit Viererkette und Mittelfeld-Absicherungen bleibt 90 Minuten unverändert, komme, was da wolle. Die einzige taktische Flexibilität im Spiel sind die Außenverteidiger, die 15-20m Freiraum entlang der Mittellinie haben und je nach Spielstand nutzen oder nicht. Sonst aber sind die Positionen wie am Reißbrett aufgezogen und werden stur beibehalten, indem 1:1 gewechselt oder entsprechend rotiert (z.B. heute Rechtsverteidiger Schulze und linker Mittelfeldspieler Zimmer) wird. Der Stiefel wird also auch heute runtergespielt, egal, ob Duisburg zwischen der 55.-75. Minute nicht stattfand und um das 2-0 bettelte, in der 88. Minute aber sogar noch das 1-1 machen kann. Wir sind nicht Bayern München, aber auch andere, standortnachteilgeplagte kleine Club haben Trainer, die situationsbedingt einige Kniffe drauf haben und z.B. einen Innenverteidiger ins Mittelfeld schieben oder aber einen Mittelfeldspieler nach vorne beordern, die Außenspieler tauschen, einen abgetauchten Mittelstürmer zurückziehen, der durch Ballkontakte etwas Bindung kriegen soll usw.… bei uns gibt es das entweder wenig oder gar nicht! Es bleibt 90 Minuten unverändert, man kann in den ersten 5 Minuten den Radius eines Spielers verfolgen und der bleibt dann so, sofern er den Abpfiff erlebt. Eine andere Frage ist freilich, ob man den größtenteils statischen Burschen überhaupt wird zumuten können, sich an überfallartiger Offensive oder Kreativität zu beteiligen (s. oben), versucht wird es aber jedenfalls nicht und trainiert anscheinend auch nicht. Vielleicht ist also einfach das Material zu schwach und kann auch unter einem anderen Trainer nicht besser, ich will das nicht ausschließen. Für mich aber muss ich sagen, dass ich wirklich kein großes Vertrauen in einen Trainer aufbauen kann, der taktisch gegen den Tabellenletzten Duisburg kapituliert und unbeirrt langes Hafer spielen lässt und beim 4. Offiziellen in der 92. Minute (da stands noch 1-1) um den Abpfiff bettelt, anstatt gezielt ins Spiel einzugreifen, um frühzeitig die Überlegenheit auszunutzen, die wir heute jedenfalls Mitte der 2. Halbzeit hatten.