"Drama - (Lustspiel und Trauerspiel umfassende) literarische Gattung, bei der eine Handlung durch die beteiligten Personen auf der Bühne dargestellt wird."
So lautet die Definition für ein literarisches Produkt, dass Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals in den Aufzeichnungen erwähnt wird und aus dem sich im Laufe der vergangenen fast dreihundert Jahre diverse Untergruppen entwickelt haben. Eine davon ist die sog. „Tragikomödie“, welche verschiedene Merkmale von Tragödie und Komödie miteinander verknüpft. Warum diese Form des Dramas auch noch heute hochaktuell ist, bewies der 1. FC Kaiserslautern im Topspiel der 2. Bundesliga am vergangenen Samstagabend beim Auswärtsauftritt bei Arminia Bielefeld.
Die Dramaturgie und der Spannungsbogen, den die roten Teufel für die ca. 4.000 mitgereisten Pfälzer Schlachtenbummler in Ostwestfalen über die 90 Spielminuten in Petto hatten, war erneut nichts für schwache Nerven – Wo sich in der ersten Halbzeit beide Teams noch über weite Strecken neutralisierten und weder auf Seiten des DSC, noch auf der des FCK ein Treffer einstellen sollte, waren die zweiten 45 Spielminuten mal wieder eine hochemotionale Achterbahnfahrt, bei der es am Ende 87. Spielminuten andauerte bis sich der gelöste Sicherheitsbügel auf Seiten der Gäste kurz vor dem Abpfiff durch den entscheidenden Treffer vom eingewechselten Daniel Hanslik zum 3:2 wieder schließen sollte und den Betzebuwe doch noch drei extrem wichtige Auswärtspunkte bescherte, die nach dem Spielverlauf entgegen aller Erwartungen doch am Ende wieder unter dem Obergriff „extrem glücklich“ verbucht werden konnten.
Dabei war der Mannschaft von Cheftrainer Dirk Schuster sogar über eine gesamte Spielhälfte der vermeintliche Vorteil gegönnt in Überzahl spielen zu dürfen, DSC-Angreifer Bryan Lasme sah in der 44. Spielminute nach dem Einsatz eines gestreckten Beins gegen FCK-Verteidiger Boris Tomiak noch in der ersten Halbzeit die gelb-rote Karte. Ein gewisser Bonus stellte sich für den 1. FCK allerdings nur kurz nach dem Seitenwechsel ein, wo die Lautrer ihre stärkste Phase des Spiels hatten und durch die ersten Saisontreffer der Neuzugänge um Phillip Klement und Aaron Opoku sogar eine komfortable 2:0-Führung herausspielen konnten. Eigentlich unter dem genannten Vorzeichen des Platzverweises für den Gegner aus Bielefeld eine mehr als ausreichende Grundbasis um den Auswärtsdreier sicher und souverän nach Hause zu schaukeln.
Souverän ist allerdings selbst nach 15. absolvierten Spieltagen ein Schlagwort, welches den Lautrern und ihrer Spielweise oft vergönnt ist bzw. sich die Mannschaft augenscheinlich selbst nicht zugesteht - als Aufsteiger und absoluter Liganeuling, allerdings auch sicherlich ein Prozess, der oftmals schwieriger ausfällt und sich (hoffentlich) mit zunehmender Erfahrung und Spielzeit stetig verbessern wird. Am Samstagabend sollte der zwei-Tore-Abstand für die roten Teufel noch keine fünf Minuten halten, ehe Innenverteidiger Tomiak (more Drama, Baby!) im eigenen Spielaufbau ein absolut vermeidbarer Fehler unterlief und der Abwehrchef den Ball unbedrängt und unkonzentriert am eigenen Strafraum dem Gegner bzw. Masaya Okugawa in die Füße spielte. Ein Querpass später war es Topscorer Robin Hack, der so den Anschlusstreffer für personell dezimierte Arminen erzielte und seine Mannschaft wieder zurück in die Partie brachte.
Ab diesem Moment kippte der Spielverlauf sowie das Momentum zu Gunsten der Hausherren und viele der mitgereisten FCK-Fans stellten sich im weiten Rund die Frage welche Mannschaft hier eigentlich mit einem Mann in Überzahl spielte. Der FCK hatte den DSC durch dieses Anschlusstor an der berühmten „Wurst schnuppern lassen“, wie es FCK-Coach Dirk Schuster in der anschließenden Pressekonferenz auf den Punkt brachte. Die nächsten 15-20 Spielminuten war Bielefeld die spielbestimmende Mannschaft im eigenen Wohnzimmer der Schüco-Arena. Die logische Konsequenz war ein Strafstoß nach rund 75. Spielminuten – Der in den eigenen Strafraum mitgelaufene Kenny-Prince Redondo verlor Gegenspieler Lukas Klünther im Rücken aus den Augen und wollte eine Flanke von der linken Spielfeldseite aus der Drehung mit einem Volleyschuss klären – dabei traf der Flügelspieler des FCK allerdings nur seinen Gegenspieler und Schiedsrichter Patrick Alt hatte keine andere Wahl als auf den Punkt zu zeigen. Erneut war es Robin Hack, der den Strafstoß sicher verwandelte und seinen zweiten Treffer des Tages vor der Heimkurve zusammen mit den Fans der Arminia ausgiebig bejubelte.
Als zehn Minuten vor Spielende noch die Bielefelder Vereinslegende um Sturmtank Fabian Klos mit der Erfahrung von sage und schreibe 399 Pflichtspielen für die Ostwestfalen eingewechselt wurde, hatten viele FCK-Anhänger auf den Rängen schon eine leise Vorahnung wer höchstwahrscheinlich den alles entscheidenden Treffer zum 3:2 erzielen und dem 1. FCK so noch gehörig den schon (zu) sicher geglaubten Auswärtssieg nehmen würde. Glücklicherweise war es aber die Mannschaft von Dirk Schuster die sich in den letzten fünf Spielminuten noch einmal in beeindruckender Art und Weise an ihre eigene Tugend „Lautrer geben niemals auf – Sie kämpfen!“ zurückerinnerte und selbst noch ein letztes Mal zurückschlug. Nach einer der letzten Umschaltaktionen des Spiels über den rechten Flügel, flankte der eingewechselte Hercher ins Zentrum, wo Arminia-Verteidiger Andrade den Ball per Kopf nur unzureichend an den zweiten Pfosten verlängerte und ein sträflich frei gelassener Daniel Hanslik mit seiner Volley-Direktabnahme den gegnerischen Torhüter Fraisl ein letztes Mal an diesem Tag bezwingen konnte.
Nicht weiter erwähnenswert, dass die „kleine“ Reisegruppe FCK, vor deren Kurve der entscheidende Siegtreffer fiel, spätestens jetzt nochmals in ohrenbetäubenden Jubel ausbrach und lautstark „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ skandierte. Dass der Verein selbst aber angesichts solcher Stadionerlebnisse ggf. doch einmal darüber nachdenken sollte, im offiziellen Fanshop neben diversen FCK-Utensilien auch rezeptfreie Beruhigungsmittel, Bachblütentropfen oder einen tragbaren FCK-Defibrillator „to go“ anzubieten, wäre in Anbetracht solcher nervenaufreibenden Spielverläufe sicherlich nicht die schlechteste Marketingidee sechs Wochen vor dem Weihnachtsfest.
Während die roten Teufel durch den Auswärtsdreier im ersten „Bonusspiel“ nach der bereits erreichten 20-Punkte-Grenze durch das 0:0 aus der Vorwoche gegen den 1. FC Nürnberg jetzt bereits 23 Punkte angesammelt haben und damit in die oberen Tabellenregionen bzw. auf dem 7. Platz rangieren, liegen die Bielefelder mit 11 Punkten auch weiterhin auf dem letzten Tabellenplatz, bereits fünf Punkte hinter dem ersten Nichtabstiegsrang, der aktuell vom SV Sandhausen eingenommen wird.