Ich möchte noch einmal einen etwas größeren Wurf wagen und versuchen das "große Ganze" zu betrachten:
Was ist die Thematik?
In den letzten Jahren kommen vermehrt Flüchtlinge nach Europa und mittlerweile auch vermehrt nach Deutschland. Die Grenzländer der EU (Italien, Griechenland und andere) merken das schon seit Jahren. Dieses Jahr sind die Zahlen rapide gestiegen (vor allem aufgrund des Syrienkrieges und der neuen Instabilität im nördlichen Afrika). Die Grenzländer der EU sind überfordert und können und wollen die Last nicht mehr alleine tragen. Das fing mit Italien an, ging über Griechenland und mittlerweile ist Dublin II (Flüchtling muss in dem Land der Ersteinreise einen Asylantrag stellen (das konnte gar nicht Deutschland sein, da die wenigsten über die Nordsee "anlanden"!) und kann von anderen EU-Ländern dorthin zurückgeschoben werden - Fleischhauer übersieht im Übrigen, dass Deutschland hier keine "gute Nachbarschaftspolitik" gemacht hat, sondern mit Dublin II sein Eigeninteresse möglichst weniger Flüchtlinge durchgedrückt hat) gescheitert. Immer mehr Menschen erreichen auch das Kernland Europas (Deutschland, Frankreich, GB, Schweden ...).
Welche Verantwortung trägt Europa für das Problem?
- Wie ich schon mehrmals deutlich gemacht habe, trägt Europa eine immense Verantwortung für das Problem.<ul><li>Wirtschaftlich werden die Staaten Afrikas klein gehalten (Agrarexporte, europäische Fischereiflotten, EPAs!!), sodass sich diese auch mit besseren Führern nicht entwickeln könnten und keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Gleichzeitig wurden zahlreiche korrupte Führer unterstützt (Gaddafi) oder Strukturen finanziert, die heute eine Entwicklung von Staaten verhindern (Militär in Ägypten als Staate im Staat).
- Zu Syrien wurde auch schon genug diskutiert. Hier wurde beispielsweise Kofi Annan zu wenig untersützt, als es noch Aussichten gab, den Konflikt eventuell zu beenden.
- Dublin II: Jahrelang wurde die Last der Flüchtlinge auf die Grenzstaaten Europas abgelagert. Die Kernländer Europas, allen voran Deutschland, hatten weitaus weniger Flüchtlinge aufzunehmen. In Italien, Griechenland und anderen Ländern kamen hingegen - in Deutschland unbemerkt - jahrelang Zehntausende an. Diese Länder waren früh überlastet und somit steht Deutschland jetzt scheinbar ganz plötzlich vor der Herausforderung, mit zunächst 800.000 Flüchtlingen klar zu kommen. Hätte man Dublin II schon frühzeitig reformiert und wäre auf die Sorgen und Nöte der südlichen Länder eingegangen, dann kämen heute weniger nach Deutschland, da Griechenland und Italien noch nicht überlastet wären und noch bereit wären, "ihren fairen Anteil zu tragen". Außerdem stände man dann heute nicht vor dieser immensen Herausforderung, da es schon eingespielte Mechanismen gäbe.
</li></ul>
Was wären logische Problemlösungen?
Auf rein logischer Ebene gibt es generell zwei Problemlösungen:
1. "Alle" abschieben - wenige aufnehmen. Hier könnte man theoretisch sortieren nach sogenannten "sicheren Herkunftsländern" ("1a"), nach einer "kulturellen Auswahl" (1b) oder nach Bedarf auf dem Arbeitsmarkt (1c).
2. Menschen aufnehmen, die in Not sind. Helfen und integrieren. Auch Anstrengungen in Deutschland unternehmen, um Ängste, Vorurteile und Hass (Achtung! Das sind drei verschiedene Kategorien! Ich sage nicht, dass jeder "Ängstliche" auch hasst!!) abzubauen.
Sind diese "Lösungen" auch praktikabel? Sind sie mit den Bedingungen in den Herkunftsländern vereinbar? Kosten sie Deutschland zu viel? Gefähren sie gar unsere gesellschaftliche Stabilität?
1. Zur "Lösung" "alle abschieben":
1a) Derzeit wird nach sogenannten sicheren Herkunftsländern sortiert. Das ist praktibel. Allerdings besteht das Problem, dass deutsche Politiker immer mehr Länder als sichere Herkunftsländer bezeichnen ohne das sich in diesen Ländern etwas zum Besseren gewandelt hätte. Heißt also: Die Leute werden es noch einmal versuchen und noch einmal. Problem gelöst: Nur teilweise!
1b) Durch die Diskussion weht auch immer wieder die Angst, dass "die Flüchtlinge" sich ja nicht an unsere Werte anpassen können oder gar dem IS angehören würden. Wäre es also eine praktikable Lösung, nur Christen aufzunehmen, wie es ja auch einige Politiker vor der Krise forderten? Nein, dass ist auch keine Lösung! Denn man kann "die Syrer" nicht zurück in den Bürgerkrieg schicken. Zumal: Zeigst du "den Syrern" jetzt dein ängstliches Gesicht und schickst sie zurück in die Hölle, dann wird sich garantiert 1/10000 irgendeiner Extremistengruppe anschließen und diese paar wenigen könnten dann den ersten Anschlag in Deutschland (außerhalb amerikanischer Militärbasen) verursachen.
1c) Nach Bedarf auf dem deutschen Arbeitsmarkt kann man auch nicht aufnehmen. Denn erneut: Man kann die Syrer und andere nicht in die Hölle zurückschicken aus der sie kommen.
2) Zur Lösung "Menschen aufnehmen, die in Not sind":
Ich halte das für die einzige halbwegs praktikable Lösung. Warum halbwegs? Weil es ganz sicher Kosten verursachen wird.
Allerdings hat Deutschland und Europa zum Elend in den Herkunftsländern beigetragen. Und Europa und Deutschland haben immens von ihrem für viele Herkunftsländer nachteiligen Handeln profitiert. Gaddafi hat jahrelang Flüchtlinge wieder "zurückgenommen" und sie in die Sahara geschickt. Europäische Verbraucher profitieren immens davon, dass Kosten externalisiert werden (vom Klimawandel bspw. sind afrikanische Bauern weitaus stärker betroffen als deutsche Konsumenten). Vom Freihandel profitieren europäische Konsumenten und Produzenten in weitaus größerem Maße als ihre afrikanischen Gegenüber. Afrikanische Staaten mussten auf Zolleinnahmen verzichten, Einnahmen, die dann nicht in das Gesundheits- oder Bildungssystem fließen konnten. Europa hat jahrzehntelang von den stabilen Diktoraturen in Nahost profitiert, bspw. durch einen geringen Ölpreis - ein Preis, der weitaus höher wäre, wenn Europa und Deutschland nicht korrupte Staatslenker an der Macht gehalten hätten und sich schon früher Revolutionen (s. arabische Revolution, darunter ja auch Syrien, siehe "afrikanischer Frühling") gebildet hätten
Deutschland und Europa werden nicht daran kaputt gehen, Flüchtlinge aufzunehmen und die Kosten für eine Integration zu tragen. Zum einen kann Deutschland davon profitieren. Hochrechnungen besagen, dass es 2050 bei unveränderter Zuwanderung nur noch 60 Millionen Deutsche geben wird. Das wird dazu beitragen, dass wir alle (die 99%) an Wohlstand verlieren. Und dieser demographische Trend wird sich nicht einfach umkehren, weil Ballschnellweitspieler es will
Der Trend ist seit Jahrzehnten stabil! Seit 1972 ist die Sterberate höher als die Geburtenrate! Und Deutschland alter nicht erst seit gestern, sondern ebenfalls seit Jahrzehnten. Wenn es keine Zuwanderung gibt, werden die Jüngeren immer mehr Alte unterstützen müssen. Gibt es hingegen Zuwanderung und man kann das "Arbeitskräftekapital" konstant halten, dann werden die so oder so auftretenden Kosten (für die "Alten") auf mehr Schultern verteilt.
Zumal: Wenn sich die Situation in Syrien mittelfristig wieder stabilisiert, dann werden die hunderttausenden Syrer nicht alle in Deutschland bleiben wollen. Wenn afrikanischen Staaten reele Entwicklungschancen eingeräumt würden, dann werden weitaus weniger nach Europa kommen und die "Erntehelfer", "Putzkräfte" und "Altenpfleger" werden zurückgehen. Die meisten von denen lieben nämlich ihre Heimat und werden darauf brennen, dort etwas aufzubauen, anstatt in Europa "niedere Tätigkeiten" (Erntehelfer, Putzkräfte) auszuüben. Es liegt auch in der europäischen Hand, für eine konstruktive Rückführung der Flüchtlinge, für eine Perspektive in den Herkunftsländern zu sorgen. Migration ist keine Einbahnstraße! Zehntausende Iren sind zurückgekehrt, als es dem Land besser ging und es nicht Jahr für Jahr Hungersnöte zu ertragen hatte.
Mein Fazit:
Jede Forderung einen Großteil der Menschen "einfach abzuschieben", ist keine dauerhafte Lösung! Die meisten kommen nicht freiwillig und werden sich wieder auf die Reise nach Europa machen, wenn man sie zurückschickt. Von dem von Europa entschieden mit vorangetriebenen Menschenrecht auf Asyl, will ich gar nicht erst anfangen. Und auch Dublin II ist gescheitert. Erstens können sich Länder wie Griechenland Dublin II gar nicht mehr leisten und zweitens steht Europa vor dem Problem, dass in Griechenland, Italien und Co. Rechtsextreme an die Macht kommen würden, wenn diese Länder ihren Dublin II-Verpflichtungen nachkommen müssten. Somit wären europäische Werte akut gefährdet!
Es muss jetzt Anstrengungen auf allen Ebenen geben, damit die Flüchtlingsthematik nicht zu einer Problematik wird. Es muss vermehrt in Sprachangebote investiert werden (in Berlin (!) gibt es nur ein (ein einziges!) kostenloses Angebot an Deutsch-Kursen für Flüchtlinge ohne Status. Der ist hilflos überrannt (30 Plätze sind es für Sprachanfänger)!) und Sprachkurse müssen zur Pflicht gemacht werden. Und dabei muss auch bedacht werden, dass es bei 800.000 Flüchtlingen und vielleicht 400. - 500.000 positiv beschiedenen Asylanträgen auch Menschen gibt, die noch nie zur Schule gegangen sind und erst einmal das Lernen lernen müssen! Es muss einen Austausch zwischen Flüchtlingen und Deutschen / Europäern geben: Wir müssen uns kennenlernen! Nur so bauen wir Ängste ab und nur so nehmen wir Extremisten (Rechtsradikalen wie bspw. auch Salafisten) den Nährboden auf dem sie neue Anhänger finden könnten! Und wenn ihr "den Medien" und "den Politikern" nich (ver)traut, dann geht raus und kommt mit "den Flüchtlingen" in Kontakt! Fragt sie, welchen Jobs sie in ihren Heimatländern nachgegangen sind, was sie zur Demokratie denken etc. pp. Weiters muss es Lösungen für Alltagsprobleme geben! Turnhallen dürfen nicht monatelang besetzt werden etc. pp. Das wird eine große Herausforderung, aber es gibt nun einmal keine andere praktikable Lösung! Es wird hier und dort knacken und knirschen. Aber ein Kontinent, der es nach Jahrhunderten von Kriegen und Konflikten geschafft hat, eine stabile Friedensordnung aufzubauen und zu dem reichsten Kontinent der Erde zu werden, der schafft es auch, ein paar Millionen Flüchtlinge aufzunehmen und sich dafür einzusetzen, dass die Migration mittelfristig auch wieder abnimmt. Wir stehen dieser Thematik nicht ohnmächtig gegenüber! ”Die Flüchtlinge" kommen nicht über uns wie eine Naturkatastrophe! Unsere Politik und unsere Gesellschaften können die Thematik an unterschiedlichsten Stellen pro-altiv angehen! Und jeder einzelne von uns kann mit "den Flüchtlingen" in Kontakt kommen, kann sich Gedanken machen, kann versuchen, dass große Ganze zu sehen, anstatt sich nur mit den von der Politik und den vielen Stimmenfängern vorgebrachten scheinbaren Problemen zu beschäftigen (bspw. Sachleistungen vs. Geldleistungen).
Mein Fazit: Wenn man die großen Zusammenhänge nicht sieht oder sich darüber keine Gedanken macht, dann bringt es auch nichts, sich nur mit den kleinen Problemen zu beschäftigen! Ich freue mich also auf eure Beiträge zum "großen Ganzen". Welche praktikablen Problemlösungen seht ihr?
Deutschland und Europa können das schaffen. Allerdings nur, wenn der Situation ehrlich begegnet wird! Wenn nicht von Einzelfällen auf alle Flüchtlinge geschlossen wird! Wenn Probleme benannt werden, aber nicht Probleme gemacht werden, um politisches Kapitel daraus zu schlagen!
Es geht doch mehr als nur um fehlende Deutschkenntnisse. Es geht v.a. um berufliche Qualifikationen. Hier sagt Nahles das ziemlich unverblümt:
Seit Wochen und Monaten bekam man aber regelmäßig (v.a. über die Öffentlich Rechtlichen und eine Vielzahl an Politikern) den Eindruck vermittelt, es kämen vorrangig gut ausgebildete Fachkräfte, Ärzte, Ingenieure etc.
Nahles sagt auch:
Nicht einmal jeder Zehnte bringe die Voraussetzungen mit, um direkt in eine Arbeit oder Ausbildung vermittelt zu werden, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag im Bundestag: „
Meist fehlen die Deutschkenntnisse, aber auch anderes.“
Also interpretierst du diese Zahl falsch, dass nur 10% eine Berufsqualifikation hätten. Wenn meist die Deutschkenntnisse fehlen, dann kann das heißen, dass 30, 40, 50, 60% eine Berufsqualifikation haben, aber nicht direkt anfangen können, weil sie kein Deutsch sprechen. Mehr steht in dem Artikel nicht. Mehr kannst du hier nicht als "Wahrheit" darstellen!
Es wurde der Eindruck vermittelt, es kämen nur Fachkräfte? Also ganz im Ernst: Zeige mir diese Artikel! Für mein Dafürhalten wurde der Eindruck vermittelt, dass da nicht nur Kriminelle, Wirtschaftsflüchtlinge oder Sozialschmarotzer kommen, sondern eben auch Fachkräfte. Mehr nicht. Und: Ich war vor kurzem bei der IHK und die definieren Fachkräfte auch etwas breiter als du. Dazu gehören, laut IHK, auch Pflegekräfte, Klempner etc. pp. Vielleicht hast du einfach eine zu enge Definition von Fachkräften?
Ansonsten: Ich bin echt auf die Links zu diesen Artikeln gespannt!!