strowbowse schrieb:
Abschaffung des Sozialstaats revidieren? Da steht doch, dass die einen gutbürgerlichen Beruf haben - damit sind die doch gar nicht auf solche Leistungen angewiesen...
Man muss nicht bereits Sozial-Leistungen beziehen, um sich vor dem Absturz in die Hartz IV - Tretmühle zu fürchten. Steht doch auch genau so im Artikel, siehe Zitat.
Ansonsten glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass es Ziel der Reformen gewesen ist, die Leute in weniger prekärere oder sogar unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein, man hat sich seine eigene kleine Armee von Lohnsklaven geschaffen, die schnell und flexibel eingesetzt werden können. Das ganze Konstrukt ist doch einfach nur krank und pervers.
Durch die Euro-Krise hat sich das ganze jetzt nochmal potenziert, hinzu kommt die Angst vor Konkurrenz durch die Migrationswelle.
Im Prinzip sind der sogenannte "Sozialstaat" (der quasi höchstens noch auf dem Papier existiert) und seine Folgen für das zwischenmenschnliche Miteinander, die nun so offen zu Tage treten wie noch nie sicherlich einen eigenen Thread wert - hier würde das sicher zu weit gehen, das komplett auszuführen.
@Jonny
Fragt sich eben, was zuerst da gewesen ist - die Kürzungen und Härten, oder der Bedeutungsverlust bzw. der Niedergang der Instutionen. Auch in der Weimarer Republik hat man beispielsweise einen starken Bedeutungsverlust der Kirchen ausmachen können, wie heute aber meines Erachtens nach eine Folge der schlimmen sozialen Lage - damals natürlich deutlich schlimmer noch als heute, die dann letztendlich auch zur Übergabe der Republik an das Hitler-Regime geführt hat.
Und ich sehe solche Gewalt absolut als Folge einer bereits ausweglosen Situation (bereits Opfer von Hartz IV) oder aber der Angst vor dem Abstieg in eine solche. Der eine attackiert die Mitarbeiter des Jobcenters, der nächste die vermeintlichen arabischen Konkurrenten, die - so nimmt er an - den Job bedrohen, mit dem er sich gerade so über Wasser halten kann. An die Leute, die den ganzen Kram verbrochen hatten, kommt keiner von denen ran, also richten sich die Agressionen gegen diejenigen, an denen sie sich leicht praktisch ausleben lassen.
Beispielsweise hier zwei Artikel über die Zustände bei der "Arbeitsvermittlung":
http://www.deutschlandfunk.de/verein-fuer-hartz-iv-empfaenger-lobbyist-fuer-die-armen.862.de.html?dram:article_id=371001
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ungleichheit-in-deutschland-ich-wuerde-gerne-mal-zuschlagen-wenn-ich-wuesste-wohin-1.3179306
Und natürlich ist Gewalt gegen Menschen damit nicht zu rechtfertigen. Es erklärt allerdings meiner Ansicht nach schon, warum wir eine Häufung derlei Vorfälle beobachten können. Auch die Angriffe auf Obdachlose fallen meines Erachtens nach in diese Kategorie.
Hinzu kommen natürlich noch die fortschreitende Neoliberalisierung der Gesellschaft, von der die Agenda 2010 letztlich nur als Folge anzusehen ist sowie eine generelle und erschreckend fortbestehende Anfälligkeit für sozialdarwinistische Tendenzen hierzulande. In manchen der südlichen europäischen Ländern wie Spanien oder Griechenland ist dies beispielsweise anders, da wird wirklich viel durch die Familien aufgefangen