Engel im Teufelskreis
Er trägt eine schwere Last. MARCO ENGELHARDT
( 25) droht daran zu zerbrechen. Doch der Kaiserslauterer beißt auf die Zähne.
E
in erster Fehlpass, schon zieht ein Raunen durch die Ränge des Fritz- Walter- Stadions. Adressat für den Frustabbau der Fans ist oft Marco Engelhardt. Wenn der Kapitän des 1. FC Kaiserslautern am Ball ist und ihm eine Aktion missglückt, dann kennt das Pfälzer Publikum kein Pardon. Pfi ffe vom eigenen Anhang sind bei Heimspielen an der Tagesordnung für den 25- Jährigen, der unter der Last zu hoher Erwartungen einen Karriereknick erlebt. Trainer Kurt Jara, der ihn einst holte, befürchtet sogar: „ Dadurch, dass alles so schnell ging bei Marco, ist er der Sache vielleicht nicht mehr gewachsen.“
Nicht ganz so schwarz sieht Ciriaco Sforza, der seit Oktober nach interner Meinungsäußerung von Klubchef René C. Jäggi freigestellt ist, die Zukunft des Kollegen: „ Marco hat Fähigkeiten. Doch ihm wurde zu früh zu viel aufgeladen. Er war noch nicht so weit, derart Verantwortung zu tragen. Der Druck ist einfach zu groß. Und jetzt ist keiner da, der ihm hilft.“ Engelhardt wurde zugetraut, eines Tages in die Fußstapfen des langjährigen Führungsspielers Sforza zu treten.
Leitfi gur in Lautern – eine Herkules- Aufgabe, die zur Zerreißprobe für das im Sommer 2004 vom Zweitligisten Karlsruher SC ablösefrei gekommene Talent geworden ist.
Zweite Liga, Bundesligadebüt, Leistungsträger, Nationalspieler, Confed- Cup- Teilnehmer, Kapitän des 1. FCK. Mit dem Wechsel auf den Betzenberg ging’s steil nach oben.
Zweikämpfe suchen, Bälle erobern, Einfl uss nehmen, kämpfen, Vorbild sein – das ist Engelhardts Spiel.
Doch was zunächst wie von selbst lief, ist ins Stottern geraten. Leichte Ballverluste, Konzentrationsmängel, Sicherheitsrisiko. Der Sturz runter vom Gipfel verlief ebenso rasend schnell. „ Der Kopf bestimmt, was die Beine machen. Wenn ein paar Störfaktoren dazwischen hängen, läuft es nicht“, bekennt Engelhardt.
Persönliche Probleme, die ( Dauer)* Krise des 1. FCK. Beides zusammen beschleunigte den Teufelskreis, in dem „ Engel“, wie ihn seine Kameraden nennen, steckt.
Die Aufarbeitung seiner Berg* und Talfahrt ist für Engelhardt noch nicht abgeschlossen. Seine Analyse: „ Das erste Jahr war ein Abenteuer.
Da hat sich viel verändert für mich.
Nach sechs Monaten
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Nationalspieler, nach 30 Bundesligaspielen Kapitän. Ich wollte noch besser werden, habe viel zusätzlich trainiert, mehr Verantwortung auf mich genommen.“ Seine Erkenntnis: „ Ich spiele nicht mehr so befreit, unbekümmert auf. Statt im Team zu helfen, wo es brenzlig war, hätte ich vielleicht egoistischer sein müssen.“
Seine Konsequenz: „ Was vorher gut war, kann plötzlich nicht alles falsch gewesen sein. Ich sehe keinen Grund, hier wegzulaufen.“ Fahnenfl ucht ist für den abgestürzten Shootingstar kein Thema. Zumal er trotz erneuter Zitterpartie durchaus Perspektiven sieht: „ In Lautern ist enormes Potenzial. Eine fußballverrückte Stadt, ein super Stadion, viele gute junge Spieler!“ Mit erst 25 hat Engelhardt seine beste Zeit noch vor sich. Sein Drei* Jahres- Vertrag beim 1. FCK läuft bis 2007. Steigen die „ Roten Teufel“ jedoch ab, steht nicht nur die Zukunft des Spielführers in den Sternen. „ Dann ist eine andere Situation, muss man sich über jeden Spieler Gedanken machen.“ Trainer Wolfgang Wolf beschäftigte sich im Wintertrainingslager intensiv auch mit Engelhardt, bestätigte das Sorgenkind nach reifl icher Überlegung als Kapitän. Rückendeckung als Aufbauhilfe. Eine Strategie, die die Nummer „ 20“ nicht auf Anhieb in die Erfolgsspur zurückbrachte. Er lief weiter seiner Form nach, verlor verunsichert immer mehr an Ansehen. „ Bei Marco ist jeder Fehler doppelt schlimm. Bei unseren Fans hat er leider keine Lobby“, bedauert Wolf. Dabei ist sich der zweimalige Nationalspieler für nichts zu schade, wenn es um die Mannschaft geht. Weil Wolf die anfällige Abwehr abdichten musste, machte er Engelhardt die Zwangsversetzung nach links hinten in der Viererkette schmackhaft.
Ein Fehler, der zuvor schon Timo Wenzel den Platz im Team und die Kapitänsbinde gekostet hatte.
„ Ich bin Teil der Mannschaft. Da ist es unerheblich, wo ich meine Wunschposition sehe.“ Engelhardt akzeptierte. Zähneknirschend, aber ohne sich degradiert zu fühlen. Einen Gefallen tat er sich nicht damit; es begünstigte nur noch seinen Wertverlust. In Dortmund saß er schließlich in der zweiten Reihe, auf der Ersatzbank. Der Tiefpunkt.
Mittlerweile ist Engelhardt wieder drin in der Mannschaft, spielt er zeitweise auf seiner Wunschposition, halblinks im Mittelfeld. Vom eigenen Anspruch, „ ich möchte wieder vorne weg marschieren“, ist er indes noch immer ein großes Stück weit weg. ULI GERKE