Schöne Diskussion!
Aber ein Aspekt kommt mir bei dir,
@FeindeslandTeufel etwas zu kurz: Klar, mehr aushalten ist gut und richtig, niemand kann den Anspruch haben, dass alles zu seinen Wünschen und Bedingungen abläuft, sobald auch nur eine Person mehr als sie/er selbst beteiligt sind.
Aber das "Aushalten" ist auch ein Reizwort, wenn es von Nicht-Betroffenen in Richtung Betroffene kommt. So privilegierte weiße Männer wie ich, heterosexuell, Atheist und ohne erkennbaren Migrationshintergrund sind fast nie in der Position, aufgrund eines unveränderlichen Merkmals im eigenen weiteren Umfeld beleidigt oder ausgegrenzt zu werden. Soll ich mich jetzt hinstellen und zum Schwulen sagen: "Ach, das 'Schwuchtelfußball' geht doch nicht gegen dich persönlich. Du bist ein feiner Kerl und kannst da doch locker drüber stehen!". Soll ich Frauen, die in männerdominierten Berufsgruppen ihre Frau stehen und oftmals das Gefühl für sich selbst haben oder gar vermittelt bekommen, dass ihre Inputs weniger relevant seien, oder dass sie erkennbar überdurchschnittlich viel leisten müssen, um überhaupt eine Daseinsberechtigung zu haben (nicht bloß die rein formelle wie sie alle haben), sagen, dass herabwürdigende Bezeichnungen anderer Frauen, die ihren Job grundsätzlich gut machen (aber jobbedingt immer mehr Kritik auf sich ziehen als in anderen Berufen), sie ja nichts angeht und sie das doch aushalten können sollen?
Und das ganze Thema ist ja nicht vom Himmel gefallen. Es ist ja mitnichten so, dass sich nie jemand über so etwas aufgeregt hätte oder seinen Unmut irgendwie signalisiert hätte. Aber, und das sehe ich sehr positiv, diese wirklich dicken Bretter, die Betroffene teils schon sehr lange bohren, scheinen langsam so weit zu sein, dass es zu einem gesamtgesellschaftlichen Bewusstseinswandel kommt. Vielleicht kommt es ja noch so weit, dass eine künftige U20-Generation die Vorstellung, dass "Schwule Sau!" oder "Du Jude!" eine akzeptable Beschimpfung sein könnte, für absurd halten. Wer weiß?!
Klar, im vorliegenden Fall wurde nicht gesagt: "Du,
@Dr.BETZE , bitte nutze die Bezeichnung möglichst nicht. Auf jeden Fall nicht schriftlich hier. Im Stadion kann einem alles mögliche mal rausrutschen, was man selbst im selben Moment dann vielleicht auch nicht mehr passend findet. Aber hier besteht ein Problem, dass diese Beschimpfung nicht nur im Zusammenhang mit der individuellen Schiedsrichterleistung im konkreten Spiel zu sehen ist, sondern im großen Zusammenhang mit strukturellen Benachteiligungen von rund der halben Bevölkerung im Gesellschafts-, Familien- oder Arbeitsleben zusammenhängt und dadurch sowohl betroffene wie auch nicht-betroffene Merkmalsträger (auf deren Merkmal diese Bezeichnung basiert) treffen könnte. Hier wird schon über vieles hinweggesehen und viel ausgehalten - aber das gelingt nicht immer gleich gut und manchmal ist der Punkt auch einfach erreicht, an dem Widerspruch raus muss und dann seinerseits ausgehalten werden muss. Das ist jetzt und hier der Fall."
Das wurde nicht gesagt, weil es ein emotionales Thema ist und war und direkt in den Gegenangriff übergegangen wurde, während Doc sich nicht einmal um den Angriff als solchen bewusst war. Vermutlich hätte er das auch grundsätzlich verstehen und auch akzeptieren können, wir kennen ihn ja als
liebevo...,
verständnisvol... als Ehemann und Vater.
Aber, da bin ich bei
@FCK-Schwabe : Wir sind hier nicht mehr so viele. Wenn hier jemand sagt, dass XY eine rote Linie für sie oder ihn darstellt, dann werden wir das doch wohl in dieser Runde hinbekommen, dies zu akzeptieren.
Zumal ich grundsätzlich einfordern möchte - und sicher bin, dass alle hier Verbliebenen der selben Meinung sind - das Diskriminierung und Beleidigung auf Basis von Herkunft, Glauben, Geschlecht, Sexualität und körperlichen Beeinträchtigungen grundsätzlich und immer ausbleiben sollen. Klingt einfacher als es ist, weil das Bewusstsein darüber, was eine herabwürdigende Äußerung und was harmlose Frotzelei ist, natürlich immer auch auseinandergeht. Allerdings hat hier in den letzten Jahren auf gesellschaftlicher Ebene eine Sensibilisierung stattgefunden, die diesbezüglich zu Bedeutungsverschiebungen der allgemeinen Wahrnehmung geführt hat und die noch längst nicht abgeschlossen ist. Hier sollte kein Ort sein, dies aus Bequemlichkeit zu leugnen, weil man halt selbst nicht betroffen ist. Ein "Ich sag schon seit Kind 'Zigeunerschnitzel' und 'Mohrenkopf', 'Schwuchtel' und 'Schlampe' sind liebevolle Honorierungen und es ist nichts dabei, jemanden 'behindertes Arschloch' zu nennen." ist billig, faul, respektlos und asozial.
Und glaubt mal nicht, dass es irgendwen gibt, der diesbezüglich nicht Probleme hat, angewöhnte Verhaltensweisen abzulegen. Mein Beleidigungs-Wortschatz ist bei willkürlicher Nutzung (im Stadion) latent ableistisch. Also behindertenfeindlich. Ich versuche sehr, mir das abzugewöhnen, bin da aber schon eine ganze Weile dran und bekomme es nicht komplett raus. Und selbst, wenn beispielsweise
@pp einen recht gechillten und souveränen Eindruck hinterlässt, heißt das nicht, dass blöde Sprüche bei Betroffenen keine Spuren hinterlassen oder (falls tatsächlich nicht), dass derartige Einzelfälle diese generell rechtfertigen können.
Vermutlich kennt jeder - und sei es aus der Unterhaltungsbranche - Schwule, die andere Schwule aufs Korn nehmen, Schwarze über Schwarze, Muslime, für die antimuslimische Beleidigungen okay sind, und so weiter. Wie gesagt, erstens ist ein Einzelfall, der sich nicht angegriffen fühlt, kein Maßstab, zweitens gibt es auch unter von Diskrimierung Betroffenen Diskriminierung gegenüber anderen Diskriminierungsdimensionen oder gar die eigene Gruppe. Klingt kompliziert, ist es auch.
Also, natürlich hat Doc nichts gegen Frauen und will sicher nicht, dass seine Töchter weniger verdienen als gleich-qualifizierte Männer oder von anderen Männern willkürlich "Schlampe" oder "Tussi" genannt werden. Das heißt aber nicht, dass nicht auch er negativ-stereotype Einschätzungen und Wahrnehmungen hat oder dass sein Sprachschatz diskriminierungsfrei wäre (was beides menschlich ist und wo vermutlich kein Mensch den wünschenswerten Idealzustand je wird erreichen können - aber ein Mindestmaß an Bemühung kann und sollte von jedem für jeden eingefordert werden dürfen), aber es sollte auch erlaubt sein, dann darauf hinzuweisen, wenn dies der Fall zu sein scheint. Wie das dann geschieht, ist die andere Sache. Das sollte, gerade auch im kleinen Rahmen hier, schon auch vernünftig und respektvoll passieren. Nur es ist auch klar, wird dies einfach mit einem Scherz übergangen und es passiert später wieder das selbe, dann ist der folgende Hinweis sicher weniger freundlich oder es führt wieder zu einem Rückzug von Personen, die darauf halt keinen Bock haben.
Übrigens, die Diskriminierungsdimension "Alter" spare ich hier bewusst aus. Wenn
@diablo die ganzen Beiträge über das biblische Alter von
@redskin und Co löschen müsste, würde das Forum implodieren.
