Mit dem Zockerkoffer auf Auswärtsfahrt
Für den Ex-FCKler Sascha Mockenhaupt ist die fußballfreie Zeit auch ein Segen. Er hat ein Talent gefördert, von dem er zwar wusste, dass er es hat – aber dass das solche Wellen schlägt, damit hätte der Fußballprofi nicht gerechnet.
Dass Sascha Mockenhaupt ein Faible fürs Zocken hat, wissen nicht nur seine Mannschaftskameraden vom SV Wehen Wiesbaden schon lange. Der 28-jährige Innenverteidiger, der bis 2016 beim 1. FC Kaiserslautern war, dort unter anderem Regionalliga spielte, aber auch Einsätze in der Bundesliga und im DFB-Pokal hatte, zockt für sein Leben gern. Auf Auswärtsfahrten hat er immer seinen Koffer mit der Playstation dabei und muss sich dafür schon mal den ein oder anderen Spruch anhören, wenn’s auf dem Rasen nicht so läuft. Auch von seinem Trainer.
Dann kam die Corona-Krise. Mockenhaupt und seine Kollegen mussten in Quarantäne, nachdem einer der Mannschaftskameraden positiv getestet worden war. „Mocki“ hielt sich daheim fit, machte Workouts und zockte Fifa20. Mit so passablen Ergebnissen, dass er für Aufsehen sorgte. Nachdem es fast keinen Newsletter des Vereins mehr gab, in dem nicht sein Name auftauchte, Stimmen laut wurden, die forderten, dass Mockenhaupt für die E-Sport-Abteilung Wehen nach vorn schießen sollte, als auch Wehens Geschäftsführer Nico Schäfer von der Idee begeistert wurde, gab Trainer Rüdiger Rehm schließlich sein Okay.
Überrollt von der Resonanz
Der Rheinland-Pfälzer durfte sich mit den E-Sportlern des Vereins messen. „Ich habe mehr Spiele gewonnen als verloren.“ Und im Winter wurde er schließlich nachgemeldet, unterlag dem zweifachen Fifa20-Weltmeister Leverkusen in der Virtual Bundesliga nur mit 1:2, so knapp wie keiner davor.
Mockenhaupt richtete sich zuhause einen Zockerkeller ein, eröffnete einen Kanal auf Twitch – und wurde fast überrollt von dem, was dann passierte. Er zapfte seine Kontakte an, half mit bei der Organisation eines Benefizturniers, bei dem 24 Fußballprofis auf Youtube zockten, und konnte selbst kaum glauben, dass 10.000 Euro an Spenden für das Kinderhilfswerk Arche zusammenkamen. Vergangenen Samstag war er für seinen SV Wehen bei der Home Challenge am Start. Der SVWW lag nach dem ersten Spiel von Lucas Fiedler gegen Bremo mit 0:4 zurück. Mockenhaupt ging 3:0 in Führung, verwandelte einen Elfmeter und gewann am Ende mit 6:0. Auf seinem Kanal ging die Post ab. Mehr als 1200 Leute tummelten sich da, hinterließen über 150 Kommentare.
Wenn Arsenal-Profi Leno bettelt
Der Vater eines knapp dreijährigen Sohnes mag den direkten Kontakt zu seinen Fans, die die „kleine Brücke zu den Profis“ lieben. Dass sein Kanal, den er erst vor ein paar Tagen eingerichtet hat, so hochschnellt, sorgt für Aufsehen in der Szene und öffnet Mockenhaupt, der neben seiner Fußballkarriere Sportmanagement studiert und kurz vor dem Bachelor-Abschluss steht, Türen. In dieser Woche steigt ein Turnier, das sich, wie er sagt, „zum größten Turnier ausgeweitet hat, das Deutschland jemals auf die Beine gestellt hat“. Als Champions-League-Ersatz veranstaltet er eine Charity-League. Acht der zehn besten E-Sportler Deutschlands sind dabei, Fußballprofis wie Bernd Leno von Arsenal London betteln bei ihren Vereinen, dass sie mitspielen dürfen.
Mockenhaupt bleibt auf dem Boden. „Ich habe Talent zum Zocken, aber gute Zocker gibt es genug. Ich bin auf einem Niveau, dass ich sie ärgern kann, aber nicht so weit, dass ich das hauptberuflich machen kann.“ Er will sich, sobald Fußball wieder losgeht, auf das echte Spiel konzentrieren. „Das hat für mich oberste Priorität“, betont er. „Dadurch, dass Fußball als Hobby weggebrochen ist, war Zocken die perfekte Alternative.“ Aber wenn die Liga fortgesetzt wird, will er sich wieder per Fuß ins Zeug legen, um den SVWW vor dem Abstieg in die Dritte Bundesliga zu bewahren. Nicht nur, weil Wehen beim Abrutschen in Liga drei nicht mehr in der Virtual Bundesliga starten dürfte, in der nur Erst- und Zweitligisten vertreten sind. Sondern auch, um sich „vor Sprüchen zu schützen“.
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Fast wie richtiger Fußball
Hintergrund: Sascha Mockenhaupt, ehemaliger Profi des 1. FC Kaiserslautern, jetzt in Diensten des SV Wehen Wiesbaden, tröstet sich mit Zocken auf der Playstation über die fußballfreie Zeit und erlebt einen Hype, den er selbst nicht erwartet hätte. Sein eigener Kanal geht durch die Decke, und auf seine Spiele kann man wetten.
Von Maria Huber
James Mockenhaupt sitzt mit Kopfhörer auf dem Schoß seines Papas, verfolgt ganz genau, was auf dem Bildschirm passiert, plötzlich jubelt der Zweijährige. Sein Vater hat gerade ein Tor mit der Hacke geschossen. Mutter Sina freut sich. Als Erzieherin passt sie schon auf, dass ihr Sohn nicht zu viel vor dem Computer sitzt.
Seit Sascha Mockenhaupt in Quarantäne war, weil einer seiner Mannschaftskamerad sich mit Corona angesteckt hat, er außer Treppenläufen und Workouts nicht viel für sein Hobby Fußball machen konnte, das gleichzeitig sein Beruf ist, ist er ziemlich viel im Zockerkeller. Morgens, wenn er nicht mehr schlafen kann, abends wenn der Kleine im Bett ist. Aber sein neues Hobby, das fast schon ein Geschäft ist, läuft eben auch sehr gut.
Sascha Mockenhaupt ist ein gefragter Mann in der Szene, hat Kontakte, die ihm im E-Sport-Geschäft helfen. Die Fußballer kennen ihn, und die Konsolenspieler haben Respekt vor ihm, seit er einen Erfolg nach dem anderen feiert, einen eigenen Kanal hat, der innerhalb von zwei Wochen fast explodiert ist und seit er neuerdings auch Turniere organisiert, an denen die Großen beider Szenen teilnehmen. 10.000 Euro hat das Benefizturnier vergangene Woche eingebracht, das er mitorganisiert hat.
E-Sport im Fernsehen
Am Dienstag steigt ein weiteres Turnier mit 20 Spielern, zehn E-Sportlern und zehn Profis, die Challenge League, das Alternativprogramm zur Champions League. Die Home Challenge, bei der Mockenhaupt am Samstag für den SV Wehen Wiesbaden an den Knöpfen war, hat es in Coronazeiten sogar ins Fernsehen geschafft. Der Spieltag am Sonntag wurde auf Sport1 übertragen.
Einen Tag vorher war Mockenhaupts Siegeszug bei Youtube zu sehen. Auf „Mocki“ eigenem Twitch-Kanal tummelten sich zusätzlich über 1200 Zuschauer. Seine Fans glaubten daran, dass er den 0:4-Rückstand gegen Paderborn aus dem Spiel zuvor wettmachen würde. Und sie bekamen Recht. Als er per Elfmeter zum 4:0 traf, am Ende auf 6:0 erhöhte, überschlug sich die Stimme des Kommentators, und die Fans überhäuften „Mocki“ mit Komplimenten und Dank. Auch dafür, dass er ihnen sensationelle Wettquoten beschert hatte.
Kurz nach dem Spiel war für ihn vor dem Spiel: Er musste wieder organisieren. Am Dienstag steht das nächste Turnier an, ein Projekt, das er mit Julian Riedel, 28-jähriger Innenverteidigerkollege von Hansa Rostock stemmt. Ein Youtuber, der 800.000 Abonnenten hat, hat sich an den Fußballer gewandt und angeboten, die Spiele zu übertragen. Ein Unternehmer hat sich gemeldet und angeboten, das Turnier auszurichten.
Es läuft für Sascha Mockenhaupt. Für ihn ist Fifa20 gerade eine schöne Ablenkung, weil sein Hobby Nummer eins, der große Rasenfußball, im Moment auf Eis liegt. E-Sport schein t in die Lücke zu passen und entwickelt gerade eine Eigendynamik, die Mockenhaupt selbst nicht erwartet hätte.
Geld machen will er mit dem Hobby nicht. Sein Turnier am Dienstag ist ein Charityturnier, bei dem alle Seiten profitieren. „Die Youtuber bekommen Geld für die Übertragung, die E-Sportler haben sowieso alle Verträge und spielen bei der WM mit, und die Fußballprofis wollen sich einfach messen“, sagt er. Und sucht weiter Sponsoren, lässt seine Fußballerkollegen Trikots stiften, gibt gegen Spenden Lose aus, für die es dann zum Beispiel die Trikots als Preise gibt.
Beim Turnier vergangene Woche, das er mitorganisiert hat, kamen so besagte 10.000 Euro für das Kinderhilfswerk Arche zusammen. Mit soviel Resonanz hätte er selbst nicht gerechnet.
Umschwenken und einen auf E-Sportler machen will Mockenhaupt trotzdem nicht. „Ich habe noch vier, fünf Klausuren, dann habe ich den Bachelor in Sportmanagement.“ Er sieht den Ausflug in den E-Sport als Erfahrung und schönes Hobby. „Ich kann die Sache machen, worauf ich Bock habe.“
20 Stunden im KellerRund 20 Stunden in der Woche verbringt er im Moment im Zockerkeller. Sein Sohn weiß mittlerweile schon, wie er sich auf dem Handy den Youtube-Kanal holt, den er haben will. Und er will immer die Aufstellung und den Papa auf der Playstation sehen. Aber wenn Fußball wieder losgeht, dann zählt für Sascha Mockenhaupt nur noch eins: echtes Training, sich ins Zeug legen und quälen, auf dem echten Rasen, im Idealfall vor echten Zuschauern.
Info
Sascha Mockenhaupt kommuniziert mit seinen Fans via Facebook (SaschaMockenhaupt), Instagram (m_ocki).
Er hat einen eigenen Kanal auf Twitch (twitch.tv/m_ocki).
Auf seinem Twitchkanal sind außerdem regelmäßig E-Sportler und Fußballer zum Talk zu Gast.
Die Challenge League wird am Dienstag ab 17 Uhr bis nachts auf den Twitch-Kanälen BadeschlappenLP und TimKalation übertragen.
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 82 Montag, den 6. April 2020