Michael Henke: Wir sind nicht der FC Altintop
FUSSBALL: Interview mit dem Trainer des 1. FC Kaiserslautern - Vertrauen auf Marco Engelhardt - Lob für Fabian Schönheim
KAISERSLAUTERN. Der 1. FC Kaiserslautern dürfe nicht zum „FC Altintop" werden, warnte Trainer Michael Henke vor zu großer Abhängigkeit von den Treffern des Torjägers. Christian Nerlinger ist ein Kandidat für die Nachfolge des suspendierten Ciriaco Sforza, sagte Henke im folgenden Interview, das Horst Konzok führte.
Herr Henke, warum gab es für Sie keine Basis mehr für ein Weiterarbeiten mit Ciriaco Sforza?
Es machte keinen Sinn mehr, weil eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich war.
Ciriaco Sforza stand in sieben der neun Saisonspiele in Ihrer Startelf, wer übernimmt nun seine Rolle?
,Ciri" hat eine zentrale Aufgabe in der Mannschaft gespielt, Verantwortung übernommen. Das traue ich auch anderen zu. Vielleicht haben sich bisher auch einige hinter Sforza versteckt. Wir haben mit ihm gewonnen, aber auch 1:5 gegen Bremen mit ihm verloren. Die Mannschaft steht in der Pflicht, ihn zu ersetzen.
FCK -Vorstandschef Jäggi signalisiert, dass der Etat noch Raum für eine Verstärkung lässt. Die Entscheidung, ob Sie eine Nummer 6, also einen Mann fürs zentrale Mittelfeld, einen Abwehrchef, Außenverteidiger oder einen Offensivmann holen, liegt bei Ihnen. Was werden Sie tun?
Das Sechser-Thema kam im Sommer auf und wurde so ernsthaft debattiert, weil wir ein dickes Fragezeichen hinter Christian Nerlinger hatten. Das gibt es nach wie vor, ist aber kleiner geworden. Es gab auch das Fragezeichen ,Ciri" Sforza, ob der Fitnesszustand erreicht wird, um wieder vollständig Bundesliga zu spielen. Das haben wir hingekriegt. Das hatte dazu geführt, dass die Sechser-Diskussion ein bisschen in den Hintergrund getreten ist, obwohl Sforza sein Alter natürlich nicht leugnen konnte. Wir haben Zeit. Wir sondieren den Markt in mehrere Richtungen. Abzuwarten bleibt, ob es bei einem Spieler bleiben muss.
Christian Nerlinger feierte am Samstag gegen Borussia Dortmund ein 16-Minuten-Comeback. Wo liegt das Risiko?
Das große Fragezeichen liegt darin, ob der operierte Zeh bei der Belastung von 90 Minuten Bundesliga standhält. Davon ist im Moment auszugehen. Aber Christian hat ein Jahr nicht gespielt. Ich bin froh, wenn wir mit ihm eine zusätzliche Alternative haben. Ich bin sehr glücklich, dass er einen wichtigen Part in dem noch gedrehten Spiel übernommen hat, als wir Marco Engelhardt ersetzen mussten. Nerlinger hat gleich ein Zeichen gesetzt, es hätte nicht gleich Gelb sein müssen, aber es war positiv. Er ist nicht nur ein guter Spieler, sondern besitzt auch Routine. Wir sollten nicht in Euphorie ausbrechen, sondern überlegen, wie wir ihn am besten an die Mannschaft heranführen können.
Charakterlich gilt Nerlinger als Vorbild. Wie beurteilen Sie ihn?
Er hat einen tadellosen Ruf. Er bewegt sich auch so im Kader, er hat sich während seiner langen Verletzungspause sehr professionell verhalten. Es war eine harte Zeit für ihn, es gab ja viele Stimmen, die gesagt haben: ,Das wird nichts mehr." Er hat dagegen angekämpft. Und er hat es geschafft.
Welche Rolle spielt Marco Engelhardt, den Sie zum Kapitän gemacht haben, weil Sie von seinen Fähigkeiten überzeugt sind? Wie sehen Sie mit Abstand die Schmähungen durch die Fans?
Marco ist ein ganz zentraler Spieler für uns. Das hat er auch in dieser Saison schon bewiesen. Ich finde den Ansatz sehr gut, wie er mit der Sache umgeht: Er sagt, ,es war nicht schön, wie die Fans reagiert haben. Aber in erster Linie bin ich sauer über meine Leistung." Ich bin überzeugt von Marcos Fähigkeiten, auch den Part als Mannschaftskapitän füllt er sehr gut aus. Er lässt sich nie hängen.
Sie haben überraschend zu Saisonbeginn den Torwart gewechselt. Hat Jürgen Macho Ihre Erwartungen erfüllt?
Er hat meine Erwartungen in vollem Umfang erfüllt. Er hat kaum einen Fehler gemacht. Und wer kann bei uns sagen, er sei ohne Fehler? In einigen Situationen, ich erinnere nur an Köln, als er gegen den freien Podolski klärte, hat Jürgen sehr gut reagiert.
Halil Altintop hat zehn der 13 FCK -Tore geschossen. Der Vertragspoker läuft. Haben Sie Angst, dass so ein junger Kerl dieses Theater nicht verkraftet? Sehen Sie nicht die Gefahr, dass seine Leistung leidet? Sie sind doch total abhängig von Altintops Toren?
Unberührt kann einen so eine Situation nicht lassen. Halil ist in meinen Augen aber relativ ungefährdet, weil er ein Junge ist, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht, kein Spinner ist, noch so eine Art Straßen-Fußballer. Er hat in der ganzen Zeit schon einiges erlebt. Wir müssen ihm helfen, ich habe auch viel mit ihm gesprochen, als er nicht getroffen hat. Er ist ein Typ, der sich was sagen lässt. Er sieht ein, dass er lernen kann und muss. Wir müssen sehen, dass wir nicht der FC Altintop sind! Auch den Mittelfeldspielern hat niemand verboten, einTor zu schießen. Ich denke da auch an Jochen Seitz, der seine Formsteigerung bewiesen hat.
Jochen Seitz hat gegen Dortmund sein
bestes Saisonspiel geliefert ...
Ich habe mich sehr intensiv mit ihm beschäftigt. Er hat ja anfangs vor allem auch seine Aufgaben taktisch sehr gut erfüllt, hatte dann eine schwache Phase. Er hat die Kurve aber gekriegt, hat sich auf seine Dinge konzentriert. Er muss an seine Grenzen gehen, Löcher reißen. Nur so kann er uns helfen.
Sie haben den 18-jährigen Fabian Schönheim zum Profi gemacht, ihn hoch gelobt. Ist er nach dem Abitur im Frühjahr eine Alternative für Sie?
Fabian hat sich in der Regionalliga sehr gut entwickelt. Das ist ein Spieler, den wir fördern müssen. Er ist ein Produkt guter Nachwuchsarbeit. Er wird ein fester Bestandteil der Mannschaft werden. Wir brauchen Zeit und Geduld. Ich habe ihn voll im Auge. Sein Alter darf kein Hindernis sein.
Warum leisten sich alle Ihre Abwehrspieler, die 88, 89 Minuten eigentlich gut verteidigen, solche Black-outs?
Diese Black-outs kommen, weil die Mannschaft keine Sicherheit hat. Das Erfolgserlebnis fehlt. Wichtig ist, dass wir die taktischen Abläufe weiter automatisieren.
KONZOKH / KONZOKH
Quelle:
Publikation: DIE RHEINPFALZ