Die Handballer der TSG Friesenheim sind gestern Abend in die Bundesliga aufgestiegen. Die letzten fehlenden Punkte holte das Team durch den 32:20-Sieg bei Tuspo Obernburg. Schon in der Arena Elsenfeld ging danach so richtig die Post ab.
Von Udo Schöpfer und Stefan Naumer
Es waren noch sieben, acht Minuten zu spielen, da feierten sie bereits auf der Ersatzbank. Die Spieler der TSG fingen an zu tanzen, sie umarmten sich. Auf den Rängen sangen sie „Oh, wie ist das schön". Rund 500 Friesenheimer Fans machten gestern Abend die vorletzte Partie der Zweitliga-Saison zu einem Heimspiel. Kurz nach 19 Uhr, als der 32:20 (16:10)-Sieg feststand, gab es kein Halten mehr. Sie feierten so, wie sie seit September Handball gespielt hatten - eindrucksvoll. „Nie mehr Zweite Liga", „Wir fahren nach Berlin" und „So sehen Sieger aus" hießen die Lieder aus der TSG-Hitparade. Gekleidet waren die Spieler des künftigen Bundesligisten in eigens entworfenen Meister-T-Shirts. Vorne steht drauf „Ganz oben mit dabei", hinten „Eulen-Fans erstklassig, nur mit euch". Auch die Sektdusche steckten sie weg.
Spätestens Ende der ersten Halbzeit war klar, dass sich die TSG den Titel und den Aufstieg nicht mehr nehmen lassen würde. Zu dominant trat das Team aus der Pfalz um den gestern überragenden Linksaußen Philipp Grimm auf. Kapitän Benjamin Matschke marschierte wie gewohnt vorneweg, Schlussmann Kevin Klier steigerte sich im Laufe der Partie und zeigte einmal mehr seine Klasse. Die stärkste Phase hatte der Spitzenreiter zu Beginn der zweiten Halbzeit, als er innerhalb von fünf Minuten von 16:10 auf 20:11 davonzog. Das Schaulaufen des Meisters war da schon in vollem Gange.
„Die Mannschaft hat das noch einmal gut gemacht. Knackpunkt war der Sieg gegen Hüttenberg. Da hat die Mannschaft gezeigt, dass sie zurecht da oben steht", so das Lob von Trainer Thomas König. Direkt nach dem Spiel ging er erst einmal in die Kabine - der stille Genießer. Für Tuspo-Trainer Christoph Bartel ist die TSG Friesenheim absolut der richtige Champion. „Die Mannschaft war am konstantesten, sie ist auch individuell sehr stark. Sie war uns in allen Belangen überlegen", erklärte er. „Wir wollten es nicht mehr auf das letzte Spiel gegen Essen ankommen lassen", sagte „Eulen"-Kapitän Matschke. Und so traten sie auch auf...
„Wir können das alles noch nicht fassen. In die Bundesliga aufzusteigen, das ist eines der großen Highlights in der Laufbahn eines Sportlers", unterstrich TSG-Rückraumspieler Gunnar Dietrich. Gestern musste er ausnahmsweise mal nicht 60 Minuten durchspielen, denn der junge Christian Bissinger war für die „Eulen" wieder mit von der Partie.
Aufstieg in die Bundesliga - und das mit 15 Jahren Anlauf. Mitte der achtziger Jahre gab die TSG Friesenheim als A-Klassen-Verein das Ziel Regionalliga aus - und verpflichtete Franz Hutter als ersten Top-Trainer. Der Marsch durch die Institutionen glückte. Coach Wilfried Job führte das Team in die Zweite Liga, mit Michael Biegler auf der Kommandobrücke scheiterte der Zweitligist hauchdünn am Aufstieg, danach geriet die Beletage zeitweise völlig aus dem Blickfeld. Mit Thomas König bog der Ludwigshafener Klub noch einmal in die richtige Spur ein, just in dem Moment, in dem das Ziel ganz offiziell aufgegeben wurde. Gestern Abend krönte König seine Arbeit...
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NACH OBEN EIN LANGER WEG
DIE HINRUNDE
Die TSG Friesenheim beendet die Hinrunde mit sieben Minuspunkten schon da auf Platz eins. Überragend: Der 32:23-Sieg in Bietigheim und der 33:32-Sieg beim Verfolger TV Hüttenberg.
DIE RÜCKRUNDE
Für Trainer Thomas König war die 30:31-Heimniederlage gegen den Bergischen HC die ärgerlichste Schlappe überhaupt. Eine Woche später folgte die Niederlage bei der HSG Frankfurt, doch die Mannschaft fing sich wieder.
DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG
Die Mannschaft hat sich in den Spielen gegen die „Kleinen" keine Blöße gegeben. Sie hat in Aue, in Delitzsch, in Korschenbroich, in Leichlingen, in Groß-Bieberau, in Saarlouis gewonnen. Top!
DER SPIELER DER SAISON
Torhüter Kevin Klier hat eine überragende Saison gespielt. Er hatte Spiele, da kann man nicht besser halten. Zum Beispiel beim Sieg gegen Hüttenberg.
DER RUSSISCHE BÄR
Evgeni Pevnov war der Aufsteiger bei der TSG und avancierte zum auffälligsten Kreisläufer. Eindrucksvoll, wie er sich am Kreis in Szene setzte.
DER VATER DES ERFOLGES
Trainer Thomas König ist der Vater des Erfolges. Er erlitt mit einer top-besetzten Mannschaft (Sulc, Kibat, Skatar) Schiffbruch - und baute das Team nach seinem Gusto um. Mit jungen Spielern!
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„Wir gehen kein finanzielles Risiko ein"
Günter Gleich, Werner Fischer und Uli Spettmann, Macher der TSG Friesenheim, setzen auf Spiele in der Ebert-Halle. Der Aufstieg bringt mehr Geld.
Herr Gleich, 15. Mai 2010, die TSG ist am Ziel ihrer Träume. Was geht in Ihnen vor?
Gleich: Wir sind total happy. Wenn man sieht, was sich ab der A-Klasse entwickelt hat ...
Ist die TSG von den Rahmenbedingungen her fit für die Herausforderung Bundesliga?
Fischer: Wir haben einige Dinge in den vergangenen Wochen im Hintergrund geplant. Beispielsweise werden wir eine Geschäftsstelle eröffnen, die Räume werden wir im Stadtteil Friesenheim anmieten. Wir werden dafür ein oder zwei Mitarbeiter einstellen, unter Umständen auch Praktikanten.
Werden Sie, Herr Fischer, sich noch mehr einbringen, Ihren Arbeitgeber verlassen?
Fischer: Das muss man als Familienvater sehr gut überdenken, allerdings besteht die Möglichkeit bei meinen derzeitigen Arbeitgeber auch auf halbtags zu gehen.
Wirtschaftskrise, Griechenland-Krise, wie sieht es bei den Sponsoren aus?
Gleich: Da hat sich nichts Großes geändert: Wir verlieren ein paar, wir gewinnen aber auch ein paar dazu.
Gibt es schon neue Partner?
Gleich: Die Verhandlungen gehen jetzt erst los. Vorher war alles zu vage.
Wie sieht es finanziell bei der TSG aus?
Fischer: Bundesliga oder Zweite Liga - wir sind immer vom gleichen Etat ausgegangen. Der Unterschied in der Bundesliga ist, dass wir zusätzlich die TV-Gelder bekommen. Diese zusätzlichen Einnahmen wollen wir nehmen, um die Reisestrapazen zum Beispiel bei Spielen in Kiel oder Flensburg zu minimieren, davon profitieren dann auch die Spieler.
Wie hoch sind die Fernseh-Gelder im Moment?
Von der Toyota-Handball-Bundesliga und Sport1 gibt es pro Saison 120.000 Euro. Dafür sind beispielsweise auch höhere Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Von der Summe bleiben 70.000 Euro netto für uns hängen.
Stichwort Aufstieg: Ludwigshafen denkt immer noch daran, wie der FSV Oggersheim in der Regionalliga Schiffbruch erlitten hat ...
Fischer: Mit dem Bundesliga-Aufstieg gehen wir kein finanzielles Risiko ein. Im Nachhinein muss man sagen, dass es sogar besser war, dass wir 2009 nicht in der Relegation den Aufstieg gegen Hannover-Burgdorf gepackt haben. So hatten wir mehr Zeit, uns Gedanken zu machen.
Ist ein Umzug mal in die Mannheimer SAP-Arena angedacht?
Spettmann: Nein, auf keinen Fall. Wir wollen eines nicht verlieren: Das Familiäre, das uns gerade auch im Endspurt wieder so stark gemacht hat. Sie wäre eine Nummer zu groß.
Herr Fischer, Sie haben in einem Interview gesagt, durch den Bundesliga-Aufstieg sei auf jeden Fall schon mal die Qualifikation für die eingleisige Zweite Liga 2011 sicher. Wird die Bundesliga nur ein kurzes Abenteuer?
Fischer: Es kann sein, dass wir fünf Jahre drin bleiben, das kann man noch nicht absehen. Ich sehe uns nicht chancenlos. Wenn die Möglichkeit besteht, wollen wir schon längerfristig drin bleiben.
Kann die Region zwei Bundesligisten verkraften, gibt es Spiel-Raum neben den Rhein-Neckar-Löwen?
Fischer: Die Region verträgt auch zwei Bundesligisten. Wir nehmen uns gegenseitig nicht viele Zuschauer weg.
Ist die Ebert-Halle Bundesliga-tauglich?
Fischer: Ja, das ist sie. Es wird auf jeden Fall noch eine zusätzliche Stehtribüne hinter dem Tor geben. 2250 Zuschauer passen dann in die Halle.
EIN TEAM Die TSG-Macher Günter Gleich, Werner Fischer und Uli Spettmann. (foto: kunz)
Quelle: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau