Foto durchs Türfenster
GANZ PRIVAT: Ex-„Fußball-Gott" Olaf Marschall wetzt in der Küche zwar gern die Messer, kennt aber immer noch nur eine wahre Leidenschaft - das runde Leder. Nach seiner langen Profi-Karriere will der einstige Stürmer nun Trainer werden. Gern auch im Ausland. Von Marita Gies
Der Hund ist zwar ein Belgier, sieht aber seinem Herrchen, einem Sachsen, ziemlich ähnlich: Beide haben dunkle Locken, die sich freundlich wippend ums Gesicht legen. Zugegeben, das ist auch schon die einzige Ähnlichkeit. Nichts gegen den Hund, trotzdem muss man sagen: zum Glück für Olaf Marschall. Der „Fußball-Gott" sieht nämlich viel besser aus als Chuck, der holländische Hirtenhund, der aus Belgien stammt. Mit seinen hellen Augen, farblich irgendwo zwischen Blau und Grau, den kleinen Fältchen daneben und dem Mund, der stets bereit scheint, sich zu einem Lächeln zu kräuseln, sitzt Olaf Marschall am Küchentresen. Er gestikuliert lebhaft mit den Händen und regt sich über das Schulsystem auf. Der 41-Jährige weiß, wovon er spricht. Seine 19-jährige Tochter Dominique hat zwar die schulische Laufbahn schon abgeschlossen, doch der 13-jährige Nicolas geht noch aufs Gymnasium.
In den Kreis Kaiserslautern hat es die vier 1994/95 verschlagen, als Olaf Marschall von Dresden (er spielte bei Dynamo) über Kaiserslautern nach Niederkirchen in der Verbandsgemeinde Otterberg umzog. Sie wollten aufs Land, sagt der Fußballer, der im Juni erst seinen Trainerschein gemacht hat und jetzt auf seine erste Stelle als Coach hofft. In dem 2000-Seelen-Dorf hatten die Kinder Freiheit zum Spielen, das war ausschlaggebend bei der Wahl. „Niederkirchen war Zufall, das Haus hat gepasst." Ein Einfamilienhaus an einem Wendehammer.
Nach der dritten Tasse Kaffee und ein paar Vollkornkeksen kommt der Sportler ins Fußball-Fabulieren, erinnert sich an bessere Zeiten seines Vereins, des 1. FC Kaiserslautern, für den er zuletzt als Amateurtrainer gearbeitet hat. „Heute fehlen die gestandenen Figuren", meint Marschall, wobei er im nächsten Atemzug anfügt: „Keiner spielt aus Absicht schlecht." Frau Heidi, die gerade einen Heimshop mit dänischer Mode eröffnet hat, wirft ein: „Die waren damals alle länger hier. Ihr kanntet euch. Heute ist es ein Job."
Olaf Marschall kam in der DDR im Alter von fünf, sechs Jahren zum Fußball. „Wir hatten ja sonst nichts." Außerdem „formt Sport", man lernt Disziplin und Selbstüberwindung. Mit 14, 15 wurde Jung-Olaf, der ein Internat in Leipzig besucht hat, Nationalspieler. „Wir haben uns gequält, es aber nicht als Last empfunden." Mit 17 stürmte er bereits professionell für Lokomotive Leipzig. In dem Internat blieb der Lockenkopf bis zum Abitur. Irgendwann zwischendurch kam seine heutige Frau Heidi ins Spiel. Sie lernten sich mit 16 Jahren kennen, waren fünf Monate befreundet und sahen sich dann zwei Jahre gar nicht mehr. Die Sportlerin und gelernte Kinderkrankenschwester, die während des Gesprächs nebenbei am Laptop klappert, hat die Sache nach der Bedenkpause dann wieder geschickt eingefädelt: „Olaf war ein relativ Schüchterner." Und der so Entlarvte gibt - etwas feixend - zu: „Ich bin eher zurückhaltend." Wie auch immer: „Es war, als ob wir uns nie aus den Augen verloren hätten." Mit 21 heirateten die beiden.
Immer wieder kommt das Gespräch auf die „Roten Teufel", vor allem das Auf und Ab des Vereins „in den verrückten Zeiten" Ende der 90er Jahre: Abstieg, DFB-Pokal, Aufstieg, Deutsche Meisterschaft. Marschall hat die Jahre als „extrem positiv" empfunden, wenngleich er als Sportler stark im Rampenlicht stand und die Familie manchmal von den Fans als Allgemeingut angesehen wurde: „Die Leute haben durch die Haustür-Fensterchen fotografiert", erzählt er. Wundern tut sich der Ex-Stürmer darüber längst nicht mehr. Und seine Frau übertrifft ihn noch mit dem Satz: „Wir haben uns schon im Badezimmer versteckt."
Als Realist, wie sich der Ex-Profi bezeichnet, verschweigt er nicht seine gesundheitlichen Probleme. Strotzend vor Gesundheit sieht Marschall zwar aus. Doch „alles tut weh. Die Knochen sind kaputt", sagt Marschall mit einem Lachen. Man staunt und glaubt es nicht wirklich.
Im Wohnzimmer, das offen in die Küche übergeht, plätschert ein Brunnen vor sich hin. Derweil konstatiert der 41-Jährige, der im Fitnessraum einen Stock tiefer immer noch trainiert: „Irgendwann kommst du den Jungen nicht mehr hinterher." Er ist aufs Rad umgestiegen, trainiert inzwischen mit seinem Sohn.
Nun will Marschall Trainer werden. „Co-Trainer in der Bundesliga wäre ideal, um Erfahrung zu sammeln. Zweite Liga wäre auch okay." Jedenfalls: Ohne Fußball geht es nicht. Unisono kommt es aus dem Mund der Ehepartner: „Nee!" Abenteuerlustig sind die beiden nicht. Aber neugierig, erwartungsvoll. Deshalb wäre auch der Gang ins Ausland denkbar. „Es gibt schöne Ecken in der Welt, und überall wird Fußball gespielt." So einfach ist das.
Gibt es einen Olaf Marschall ohne rundes Leder? Stolz lächelnd zieht der frühere Fußball-Gott aus dem schwarzen Küchenregal eine Schatulle mit einem Messer-Set hervor. Er liebt scharfes Schneidwerkzeug beim Kochen und reiht Rezepthefte auf dem Tisch auf. Marschall probiert Dinge aus, kocht nach, doch zugleich ist er „sehr experimentierfreudig". Zwischenruf von Frau Heidi: „Fenchelsalat kommt nicht gut an." Und weil sie gerade dabei ist: „Arabischer Reis: bääh! Der war zu aromatisch."
Ihr Mann nimmt"s gelassen, grinst und wird weiter kochen. Dann halt keinen Fenchelsalat mehr. Er zuckt die Schultern und nennt als nächstes Hobby die Börse. Seit Mitte der 90er beschäftigt er sich damit: „Es ist ein Spiel", kommentiert der erfolgreiche Spieler seine Ambitionen auf dem Geldparkett. Durch einen Kumpel kam er dazu, doch wieder spricht der Realist: „Wenn man allein ist, weniger Verantwortung hat, dann könnte man da schon rumspielen. Mit Familie geht das nicht." Der Hirtenhund macht auf Fingerzeig Männchen und schnappt mit wehenden Löckchen ein Leckerli.
SCHUSTA
Quelle:
Verlag: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Pfälzische Volkszeitung
Ausgabe: Nr.36
Datum: Sonntag, den 09. September 2007
Seite: Nr.8