Nachberichterstattung 1. FC Heidenheim – 1. FC Kaiserslautern 2:2 (2:1)
Stärke entsteht nicht im Körper. Sie entsteht aus einem unbändigen Willen. – Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer
Die Internetseite von bundesliga.de listet wöchentlich eine große Anzahl von Statistiken zur ersten und zweiten Fußball-Bundesliga. U.a. findet man dort die üblichen Daten zu Ballbesitz, abgegebenen Torschüssen, Zweikampfquoten etc/pp. aller Mannschaften und sogar Individualdaten der einzelnen Profis. Eine Statistik wird allerdings dabei nicht erhoben. Die Mentalität u. moralische Stärke der einzelnen Teams. Zugegeben, dieser Faktor ist höchstwahrscheinlich aufgrund der schwer-messbaren Daten auch schwierig zu bewerten – gäbe es die erhobenen Messwerte allerdings doch in irgendeiner Form, der 1. FC Kaiserslautern könnte sich sicher sein bereits jetzt, nach nur neun Spieltagen in der 2. Bundesliga diese Tabelle mit weitem Vorsprung anzuführen.
Das 2:1-Siegtor gegen Hannover 96 in der Nachspielzeit, das zum 3:1-Erfolg gedrehte Auswärtsspiel bei der SpVgg Greuther Fürth in dem die roten Teufel gerade in der ersten Spielhälfte völlig abwesend wirkten und Glück hatten nicht bereits mit 3-4 Gegentoren in die Halbzeitpause gegangen zu sein, das wilde 4:4 im Heimspiel gegen Magdeburg wo man wie im nachfolgenden 3:3 gegen Darmstadt 98 einen zwischenzeitlichen zwei-Tore-Rückstand aufholte und am Ende zumindest einen Punkt in der Pfalz behalten durfte – das alles waren bereits vor dem aktuellen Spiel gegen den 1. FC Heidenheim beeindruckende Momente in der noch jungen FCK-Saison, die verdeutlichen wie viel Moral, Selbstvertrauen und Glaube an die eigene Stärke in der Mannschaft von Trainer Dirk Schuster steckt.
Das nächste Kapitel dieser vermeintlichen Erfolgsstory schrieben die roten Teufel am vergangenen Sonntagnachmittag bei ihrem Auswärtsauftritt in Heidenheim.
Für FCH-Cheftrainer Frank Schmidt war eigentlich schon so gut wie alles für seine ganz persönliche Jubiläumsfeier angerichtet. Auf den Tag genau ist Schmidt seit 15 Jahren Trainer beim kleinen Dorfclub von der Ostalb. Gerade für Fußball-Traditionalisten und Romantiker eine sehr schöne Ausnahme der heutigen Regel, in der Trainer und Offizielle oftmals eine Halbwertszeit genießen die kaum mehr länger als eine Spielzeit ausfällt. Schmidts Jubiläum wurde auch von den Rängen gefeiert – Die Fans vom 1. FCH hatten ihm zu Ehren eine farbenfrohe Choreographie mit seinem Konterfei vorbereitet.
Der 1. FCK hingegen wollte als designierter Partycrasher die Heidenheimer-Feierlichkeiten zumindest etwas weniger euphorisch ausfallen lassen und reiste u.a. mit dem Selbstvertrauen einer Mannschaft, die seit fünf Spielen ungeschlagen war und die nach dem SC Paderborn (24 Treffer) zusammen mit Fortuna Düsseldorf aktuell die angriffsfreudigste Offensive (16 Treffer) der gesamten 2. Liga stellte, an die Brenz nach Heidenheim.
Dirk Schuster veränderte dabei die Startaufstellung i.V. zum Heimspiel gegen die Darmstädter Lilien aus der Vorwoche auf zwei Positionen. Für Daniel Hanslik rückte Hendrick Zuck in die Anfangself, Kenny-Prince Redondo ersetzte Phillip Hercher der leicht angeschlagen zunächst auf der Lautrer Bank Platz nahm. Auf Seiten des 1. FCH begann u.a. Florian Pick. Der 27-jährige trug bis vor zwei Jahren in der 3. Liga noch die Farben des Pfälzer Traditionsvereins, bevor er zusammen mit Sturmpartner Christian Kühlwetter zum langjährigen Zweitligisten nach Heidenheim wechselte.
1. Halbzeit
In der ersten Abtastphase starteten beide Teams durchaus gefällig in die Partie. Während die Betzebuwe erneut im bewährten 4-2-3-1 System aufliefen, schickte Chefcoach Frank Schmidt seine Heidenheimer in einer 4-1-4-1-Aufstellung auf den Platz. Die roten Teufel hatten in der Frühphase der Beginn etwas mehr Ballbesitz, wussten aber damit noch nichts anzufangen, während er 1. FCH immer mal wieder punktuell ein gut dosiertes Offensivpressing zeigte und die Lautrer Hintermannschaft früh anlief. Beide Teams neutralisierten sich aber in den ersten fünfzehn Spielminuten weitesgehend.
Nach einem erlaufenen Ball von Mannschaftskapitän Jean Zimmer, der in der Aufstellung eine Position weiter nach vorne rückte und auf der rechten Mittelfeldseite auflief, kam der Ball über Marlon Ritter und einem hohen Steilpass zu Terrence Boyd. Der bullige Mittelstürmer setze sich im Strafraum der Hausherren gegen seinen Gegenspieler durch, sein Abschluss mit dem linken Fuß flog aber gefahrlos in den Heidenheimer Nachmittagshimmel.
FCK-Coach Dirk Schuster mahnte schon unmittelbar in der Pressekonferenz nach dem 3:3 im Heimspiel gegen den SV Darmstadt an, dass jeder noch so kleine Fehler in der 2. Bundesliga oft direkt bestraft wird. Vor einer Woche war es Lilien-Stürmer Aaron Seydel, der nach 3:2-Führung für die roten Teufel nahezu mit der letzten Spielsituation doch noch zum Ausgleich für den SVD 98 traf und auch im Spiel gegen den 1. FC Heidenheim sollte der 1. FCK in einigen Situationen das berühmte Lehrgeld zahlen.
Nach rund einer Viertelstunde versuchte Innenverteidiger Boris Tomiak auf der rechten Spielfeldseite seinen Mannschaftskapitän Zimmer anzuspielen. Tomiak übersah allerdings das Zimmer alles andere als ungedeckt knapp hinter der gegnerischen Mittellinie stand – sein aufmerksamer Gegenspieler Föhrenbach störte Zimmer bei der Ballannahme und gelangte selbst an die Kugel. Ein Großteil der Lautrer war bereits über die Mittellinie mitaufgerückt und nicht auf das schnelle Umschalten der Heidenheimer vorbereitet. Föhrenbach spielte einen flachen Diagonalpass auf die rechte Angriffsseite, wo Flügelstürmer Jan-Niklas Beste komplett offenstand und ohne Lautrer Gegenwehr im Strafraum der roten Teufel an den Ball kam. Der inverse Flügelspieler legte sich die Pille auf den stärkeren, linken Fuß – vernaschte dabei noch FCK-Verteidiger Kevin Kraus, der die schnelle Finte des 23-jährigen kalt erwischte und schloss trocken in die kurze Ecke ab, wo Luthe zwar gedankenschnell hinabtauchte, den Einschlag zur 0:1-Führung aber auch nicht mehr verhindern konnte. Eine kalte Dusche für das Team aus der Pfalz, das bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich gut in die Partie gefunden hatte aber von nun an einem erneuten Rückstand hinterherlaufen musste.
Kurze Zeit danach bewies Adrian Beck auf Seiten des 1. FCH keine gute Spielübersicht. Beck wurde kurz vor dem eigenen Strafraum angespielt und passte den Ball gedankenlos aus der Drehung direkt in die Füße von Marlon Ritter. Der Spielmacher der Lautrer fand Terrence Boyd am Strafraum, der die Kugel auf den nachrückenden Klement ablegte. Dieser wiederum bediente Redondo der links gesehen von Klement durchgestartet war, und sich in einer aussichtsreichen Abschlussposition befand. Leider war der Pass allerdings etwas zu sehr in den Rücken gespielt, weshalb der zweifache Torschütze aus dem Spiel gegen Darmstadt den Ball nach seiner Annahme zwar auf das Tor der Heidenheimer brachte, im letzten Moment aber noch von einem Heidenheimer-Gegenspieler gestört wurde, der das Spielgerät in letzter Sekunde über das Tor der Hausherren abfälschte.
Wie wichtig aber selbst solche „erfolglosen“ Abschlussversuche sind, zeigte sich keine 20 Sekunden später nach dem darauffolgenden Eckball für die Gäste, der durch Neuzugang Phillip Klement zentral auf die Kante des Fünfmeterraums geschlagen wurde. FCH-Keeper Müller, eigentlich einer der beständigsten und erfahrensten Torhüter in Liga zwei, segelte unter dem Ball hindurch, die Kugel fiel dem dahinterstehenden Mannschaftskapitän und sichtlich überraschten Mainka etwas kurios auf den Kopf und prallte von dort an den linken Pfosten, wo der mitaufgerückte Kraus das Spielgerät erneut gedankenschnell hoch vor das Tor der Heidenheimer schaufelte. Boyd reagierte ebenso glänzend und stieg bei seinem Kopfball am höchsten, setzte sich gegen Mainka durch und nickte die Pille kraftvoll in die rechte untere Ecke des Gehäuses, wo weder der hinabtauchende Müller noch Außenverteidiger Föhrenbach mehr eine Chance hatten den Ausgleichstreffer für den 1. FCK zu verhindern.
Die Partie nahm nun mehr Fahrt auf, nachdem beide Teams ihren anfänglichen Respekt immer mehr ablegten. Der 1. FCK versuchte es u.a. mit einem weiten Ball auf Ritter, der sich gut im Zentrum bis an die Strafraumkante durchdribbelte und abschloss – leider wurde sein Torversuch aber a.G. einer Abseitsstellung zurückgepfiffen. Eine Flanke von Redondo, der sich links mit einer Finte gegen seinen Gegenspieler durchsetzen konnte, wurde von der aufmerksamen FCH-Defensive aus dem Strafraum geköpft. Die beste Gelegenheit die Führung wieder herzustellen, vergab auf der Gegenseite erneut der umtriebige Beste. Nach Anspiel aus dem offensiven Mittelfeld durch Dennis Thomalla, gelangte Beste nahezu in analoger Position zur 1:0-Führung wieder am oberen Strafraumrand an die Kugel. Beste legte sich den Ball erneut auf den starken linken Fuß und schlenzte den Ball diesmal auf die lange Ecke des FCK-Tores – der Ball klatschte an die Querlatte. Glück für Andreas Luthe und die roten Teufel. Direkt im Gegenzug lief nach einem Befreiungsschlag von Kraus der sofortige Gegenkonter – Boyd bediente von der rechten Spielfeldhälfte den eingelaufenen Redondo am zweiten Pfosten. Leider wurde der Winkel für einen Abschluss aber am Ende zu spitz und Redondo scheiterte mit seinem Schussversuch an Torhüter Müller.