Ja, das würde die getätigten Aussagen im Interview (siehe oben) bestätigen. Man muss auch beachten: Nicht jeder ist so gut über die Geschichte, die Zusammenhänge und Mechanismen etc. aufgeklärt. Das gilt aber v.a. nicht für diejenigen Entscheidungsträger in der Politik, die über die Zusammenhänge Bescheid wussten und noch immer wissen und jetzt vordergründig überrascht tun (da bin ich bei dir!).
Drei Fragen @ Helle:
1. Findest du das "System" normal und unumgänglich?
Nein, Normal im Sinne von rechtens finde ich das natürlich nicht, und erst recht nicht "gut". Und in einem Staat, der in dieser systematischen Art und Weise seine Bürger aushorcht, wie das die USA tun (sie tun das ja nicht nur nach außen, sondern auch nach innen), möchte ich auch nicht leben. Dass es in der Bundesrepublik vergleichbare Aktionen gibt, steht zwar ebenfalls zu befürchten, trotzdem zeigt der Aufschrei unserer Politiker quer durch alle Parteien, dass man bei uns in Deutschland wohl zumindest darauf hoffen darf, vom eigenen Staat nicht in der gleichen umfangreichen Art und Weise ausgehorcht zu werden.
Was ich mit meinem Statement unterstreichen wollte war das prinzipielle Dilemma, in dem sich auch demokratische Staaten befinden: Nach innen mit Grund- und Freiheitsrechten ausgestattet, müssen sie im internationalen Gefüge genau wie autokratische Staaten im Sinne des Eigeninteresses am Selbsterhalt ihre Interessen wahren. Deswegen unterhalten auch sie Militär und Geheimdienste und sind in ihren Außenbeziehungen an vielen illegalen Sauereien beteiligt. Diesen Spagat halte ich in der Tat für grundsätzlich unumgänglich, weil dieser Widerspruch systematisch betrachtet eigentlich unauflösbar ist.
2. Meinst du wirklich, dass man nichts verändern sollte/könnte?
Zu den Chancen, ob man da was ändern kann, zum einen siehe oben (unauflösbarer Widerspruch). Zum anderen: Japp, ich glaube man kann an der Tatsache, dass die USA aufgrund ihrer enormen Machtfülle und ihres Instrumentariums an Spionagemöglichkeiten inzwischen einen uneinholbaren Vorsprung haben und diesen ausnutzen, nichts Grundlegendes mehr ändern. Das Internet ist ja eine Erfindung des Pentagon und es wäre naiv zu glauben, dass die USA seinerzeit diese bahnbrechende Technologie der Welt nur aus reiner Menschenfreundlichkeit zur Verfügung gestellt hätten. Eigentlich war und ist das ja jedem klar, dass das Internet und damit die USA nichts vergisst, was man einmal dort hinterlassen hat. Deswegen wundere ich mich über den mannigfaltigen Aufschrei. Es wird doch nur offenbar, was sich insgeheim eh jeder gedacht hat.
3. Glaubst du den Spruch "Wenn es hart auf hart käme, könnte man sich nach wie vor auf die USA verlassen" wirklich?
Japp, den glaub ich. Aus rein rationalen Gründen: Die USA haben ein Interesse an der Stabilität ihrer Wirtschaftsbeziehungen und an einem stabilen Gürtel an befreundeten Staaten, mit denen sie sich umgeben können. Sie wollen in Ruhe Handel treiben und ihre eigene Sicherheit gewährleistet wissen. Das klappt ganz rational kalkuliert nur dann, wenn sie genug Partner haben, mit denen das möglich ist. Und zu denen gehören wir, da wir für die USA wirtschaftlich interessant und aufgrund unseres politischen Systems und unseres fehlenden Militärpotentials berechenbar sind. Die USA spionieren uns vielleicht aus, aber als Juniorpartner, der Europa und damit auch ihren Vorgarten stabilisiert, betrachten sie uns nach wie vor. Daher würde ich mir - wenn es hart auf hart käme - auch keine Sorgen machen. Auch wenn die USA das nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern aufgrund von Eigeninteressen tun würden. Aber wenn ich dadurch überleben würde, wäre mir das auch egal. Internationale Beziehungen sind immer Deals, immer Kopplungsgeschäfte. So ist das nunmal.