Carlo Sickinger, der nachdenkliche Capitano
Andreas Böhm
Für einen talentierten Fußballer wie Carlo Sickinger gibt es immer Interessenten. Der Vertrag mit dem 1. FC Kaiserslautern endet im kommenden Sommer. Wird Sickinger ihn erfüllen? Der 22-Jährige antwortet auf diese Frage ehrlich. Die Finanz-Entscheide dieser Woche sind auch dafür von Bedeutung.
Carlo Sickinger ist ein cleverer junger Mann, der für seine 22 Lebensjahre eine erstaunliche Reife ausstrahlt. Das lässt sich zum Beispiel auch daran erkennen, dass er auf Fragen nach seiner Zukunft keine Versprechungen macht, die ihm kurzfristig vielleicht Beifall einbringen, die er womöglich aber nicht halten kann – und die ihm dann auf die Füße fallen. Nein, er könne nicht ausschließen, dass er schon in diesem Sommer für einen anderen Verein auflaufe, so etwas könne man nie, sagt der Kapitän des 1. FC Kaiserslautern. Im Moment aber gebe es dazu nichts weiter zu vermelden.
Wenn Trainer Boris Schommers die Profis der Roten Teufel am kommenden Mittwoch zur ersten Übungseinheit der Saison 2020/21 bittet, wird Sickinger höchst wahrscheinlich mit auf den Rasen marschieren. Und er freut sich darauf. Er könne sich nicht daran erinnern, wann er letztmals eine solch lange Pause gehabt habe, sagt er. Die Batterien sind aufgeladen. Zunächst erholte Sickinger sich daheim bei der Familie, ab und an schwang er mit seinem Bruder das Tennisracket. Danach flog er mit seiner Freundin für eine Woche auf die griechische Insel Kos.
Auf griechischer Insel Batterien aufgeladen
Trotz Corona verdiente der Urlaub seine Bezeichnung. „Klar, die Südländer haben schon eine andere Mentalität als wir, bis auf den Flughafen hat da kaum jemand einen Mundschutz getragen“, erzählt Sickinger, „aber an den Stränden waren kaum Leute, die Auslastung des Hotels war nicht besonders hoch. Es war nie ein Problem, Abstand zu halten.“ Für kurze Zeit habe er komplett abgeschaltet und gar nichts gemacht, recht bald habe es ihn aber zum Sport zurückgezogen. Die Lust auf Belastung sei rasch erwacht. Krafttraining. Läufe.
Vom Fußball kam er eh nicht los. In seiner freien Zeit verfolgte Sickinger die internationalen Spielklassen. Premier League. La Liga. Serie A. „Ich bin da voll dabei. Gerade mit Blick auf die Champions League war das sehr interessant.“ Der Kapitän des FCK wagt auch eine Prognose. Der FC Bayern sei für ihn „der Topfavorit“, weil neben Real Madrid die einzige Elf, die nach der Corona-Pause stets überzeugt habe. Manchester City wandle „zwischen Genie und Wahnsinn“, Teams wie Juventus Turin merke man die Belastung an.
Wunsch für den FCK: Ruhe
Auch über die Entwicklung des FCK ist Sickinger informiert, natürlich. „Es wäre schlecht, hier wieder aufzukreuzen und nicht zu wissen, was Sache ist.“ Sickinger beschreibt sehr deutlich, was er sich wünscht. Ruhe für eine längere Zeit. Konstanz. Einen Plan, wie der Verein sich entwickeln möchte und wie ein Spieler seines Talents sich dabei verbessern kann. Dass nicht immer wieder „ein Riesenthema aufploppt“. Dass nicht doch wieder Interna nach draußen getragen werden. Vertrauen durch alle Gremien. Ruhe. „Im Falle des Misserfolges ist das gerade bei Traditionsvereinen schwer“, sagt Sickinger.
Das Arbeitspapier des gebürtigen Karlsruhers endet am 30. Juni des kommenden Jahres. Möchte der FCK mit Sickinger Geld verdienen, geht das nur in diesem Sommer. Es sei denn, die Granden können ihn davon überzeugen, den Vertrag zu verlängern. Diesbezüglich ist auch die Entscheidung in dieser Woche von Belang. Welche Richtung schlägt der FCK ein? Welcher Investorengruppe wird der Gläubigerausschuss voraussichtlich am Mittwoch den Zuschlag erteilen? Und was folgt daraus?
In der seit einem Jahr geplanten SWR-Hörfunksendung „Leute“ sagte der Beiratsvorsitzende Markus Merk vor ein paar Tagen, der Ball liege auf dem Elfmeterpunkt, der Torwart weile schon unter der Dusche – der FCK müsse nun verwandeln. Zur RHEINPFALZ sagte er am Montag: „Wir haben dann einen Ball eingenetzt und ein Spiel gewonnen, das ist ein Teilerfolg. Der Kampf um die Meisterschaft aber geht weiter.“
Vermutlich hat er gerade erst begonnen. Der Kampf um ein solides Fundament, auf dem auch ein Spieler wie Carlo Sickinger mit Freude etwas aufbauen mag.
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