Die zweite Chance
PORTRÄT: Der Ludwigshafener Boxer Ahmad Ali boxt am 3. März um WM-Titel
VON THORSTEN EISENHOFER
Ahmad Alis Karriere schien nach einer recht erfolgreichen Zeit als Nachwuchsboxer schon beendet. Doch dann kam alles ganz anders. Und so kämpft der Europameister aus Ludwigshafen-Friesenheim am 3. März in Karlsruhe gegen Aro Schwartz um seinen ersten WM-Titel, den derzeit vakanten GBU-Gürtel im Mittelgewicht.
„Boxen“, sagt Ahmad Ali, „widerspiegelt alles im Leben“. Für ihn ist das Boxen quasi ein Leben im Leben. Ein Leben im Leben, in dem man dieselben Dinge mitmacht wie im Alltag – im Positiven wie im Negativen. Es gibt gute und schlechte Tage, Siege und Niederlagen, Höhen und Tiefen. „Im Boxen und im Leben läuft nie alles rund. Tauchen Probleme auf, gilt es Lösungen zu finden“, sagt Ali. Was im Leben wie im Boxen gilt, ist, dass Ausdauer, Zähigkeit oder Durchhaltevermögen in aller Regel belohnt werden.Der Friesenheimer boxt, seit er elf, zwölf Jahre alt ist. Er hatte früh den Traum, Profiboxer zu werden. Die Leistungen dafür passten. Die Erfolge auch. Was nicht passte: Sein Körper streikte, immer wieder stoppten ihn Verletzungen. „Das war sehr hart“, sagt Ali, der bei Mercedes-Benz in Mannheim als Fertigungsmechaniker im Karosseriebau arbeitet: „Man lebt für den Sport, träumt von Erfolgen und wird immer wieder zurückgeworfen.“ Er verlor den Spaß und den Antrieb, trainierte jahrelang nur noch hobbymäßig – zeitweise sogar gar nicht mehr.
Dann bekam er, was man im Leben normalerweise öfter bekommt als im Sport: eine zweite Chance. Vor rund dreieinhalb Jahren erhielt der Deutsch-Libanese den Anruf eines Kumpels. Der Kumpel wollte Alis zweifelsohne vorhandenes Talent nicht auf der Couch vor sich hin versauern sehen und überredete ihn, in Los Angeles als Sparringspartner an einem Trainingscamp für Weltklasse-Boxer des Mike-Tyson-Trainers Kevin Rooney teilzunehmen. Ali stimmte zu – und überzeugte. „Auf einmal habe ich gemerkt, was ich kann“, sagt der 29-Jährige. Er hätte sogar in den USA Profi werden können. Weil es seinem Vater gesundheitlich nicht gut ging, entschied er sich aber, nach Deutschland zurückzukehren. Er wagte hier den Schritt zum Profi.
Was folgte, war eine Karriere im Schnelldurchlauf. Innerhalb von nicht viel mehr als einem Profijahr hat er elf seiner zwölf Kämpfe gewonnen (bei einem Unentschieden), sich den Europameister-Titel geholt. Nun will er Weltmeister werden. „Der WM-Kampf ist sehr wichtig für meine weitere Karriere“, sagt er. Gewinnt er, könnte sein Traum bald wahr werden. Sein Traum ist es, Kämpfe in einem der vier großen Verbände WBA, WBC, IBF oder WBO zu bestreiten. „Ich will ganz oben ankommen“, sagt Ali. Verliert er, bleiben seine Träume womöglich für immer Träume. Mit dem Verlieren aber beschäftigt sich Ali nicht. „Ich will Spuren hinterlassen“, sagt er mit dem für einen Boxer so typischen Selbstvertrauen. „Selbstvertrauen ist das A und O. Wenn du nicht an dich selbst glaubst, kannst du nicht gewinnen.“ Diese Einstellung ist im Sport, im Boxen, wichtig. Sehr wichtig sogar. Sie ist aber auch im normalen Leben von Vorteil.
Quelle Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 46, Freitag, den 23. Februar 2018