Steiler Aufstieg, böser Absturz
„Bubi“ Scholz lebte zwischen dem Triumph als Europameister und der Tragödie als Todesschütze – Morgen wäre er 90 geworden
Von Wolfgang Kauer

Berlin. Obwohl er nie Weltmeister wurde, ist bis heute ein Profiboxer weltbekannt, dessen am 12. April 1930 in Berlin-Prenzlau begonnenes Leben nach 70 Jahren am 21. August 2000 in einem Seniorenheim in Berlin-Neuenhagen endete: Gustav „Bubi“ Scholz, der morgen 90 Jahre alt werden würde.
Die Weltbekanntheit verdankte Scholz aber nicht seinem Beruf, sondern einer Tragödie: Er erschoss 1984 seine Ehefrau Helga. Weil es alkoholbedingt geschah, wurde keine Mord-, sondern eine Totschlag-Strafe wegen Fahrlässigkeit verhängt. Nach zweieinhalb Jahren kam er wieder frei und heiratete noch einmal.
Der am Schluss an Alzheimer erkrankte „Bubi“ Scholz führte ein Leben zwischen Armut in der Kindheit, boxerischer Größe und Luxus in seiner Grunewalder Villa einerseits. Mit Feiern mit Show-Größen wie Harald Juhnke, Bully Buhlan, Hardy Krüger und Romy Schneider mit Gemahl Harry Meyen. Und zwischen schweren Depressionen, Alkoholmissbrauch, Todesschuss und Gerichtssensation andererseits.
Nie Amateur gewesen, gewann der Rechtsausleger zwischen 1948 und 1964 insgesamt 88 seiner 96 Profikämpfe, sechsmal gab es ein Unentschieden. In zwölf Duellen ging es um nationale und internationale Titel, die er alle aus Gewichtsgründen freiwillig abgab. Zwischen 1958 und 1981 war Scholz Europameister im Mittel- und Halbschwergewicht.
Zuvor hatte Scholz die erste Tragödie seines Lebens hinnehmen müssen. 1955 wurde Tuberkulose festgestellt. Nach 18 Monaten in einem Schwarzwald-Sanatorium stieg er wieder ins Seilgeviert.
Der wahrscheinlich beste Konterboxer seiner Zeit war nie Weltmeister wie sein Idol Max Schmeling im Schwergewicht. Das hatte damit zu tun, dass es während Scholz’ bester Zeit nur eine Weltorganisation des Berufsboxens gab; derzeit sind es elf. Ein WM-Kampf war daher noch mehr als heute auch eine Frage des Verhandlungsgeschicks der Promoter. Sein größter Erfolg blieb der am 5. Oktober 1958 gegen den Franzosen Charles Humez durch technischen K.o. in der zwölften Runde erkämpfte Titel des Europameisters im Mittelgewicht. Im Januar 1957 hatte Humez in Paris nach Punkten gewonnen.
Scholz-Manager Fritz Gretzschel gelang es 1962, den Weltchampion im Halbschwergewicht, Harold Johnson (USA), für eine 200.000-Mark-Börse nach Berlin zu locken. Vor 40.000 Zuschauern im Olympiastadion konnte „Bubi“ die größte Chance seiner Laufbahn nicht wahrnehmen. Zwar beeindruckte Scholz den Favoriten aus Philadelphia, doch in 14 der 15 Runden erwies sich der Weltmeister als zu clever und blieb ungeschlagen.
Mit der Zeit wurde Scholz Bestandteil der Berliner Schickeria. Aber sein Leben und das seiner Frau gerieten aus dem Fugen. Zudem geriet der angebliche Millionär – Kosmetikläden, Teilhaber einer Werbeagentur – auf die Schuldnerliste. Einer depressiven Phase folgte dann in betrunkenem Zustand der Todesschuss durch die Badezimmer-Tür.
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 86 Samstag, den 11. April 2020