Abenteuer in der Wohlfühloase
HINTERGRUND: Der Ex-Lauterer Tim Heubach sucht sein Fußball-Glück in Israel
Von Henrik Stadnischenko
Im Sommer musste Tim Heubach (29) den 1. FC Kaiserslautern verlassen. Nach drei Jahren wurde der Vertrag nicht verlängert. Doch der Verteidiger wechselte nicht nach Darmstadt, Lotte, Heidenheim oder nach England, sondern nach Israel zu Erstliga-Aufsteiger Maccabi Netanya.
91 Mal spielte der im Nachwuchs bei Borussia Mönchengladbach ausgebildete Profi in der Zweiten Bundesliga für den FSV Frankfurt und den 1. FC Kaiserslautern. Doch als seine Profi-Karriere in Deutschland in diesem Sommer erst einmal vorbei war, fand er seine neue Herausforderung in Israel: beim Erstliga-Klub Maccabi Netanya.
„Ich wollte einfach raus aus Deutschland. Zeitweise hatte ich sogar die Lust am Fußball verloren. Deshalb war es für mich wichtig, einen kompletten Schnitt zu machen und ganz woanders einen Neuanfang zu starten“, sagt der 29 Jahre alte Abwehrspieler.
Wenn man an Maccabi Netanya denkt, fällt einem, wenn überhaupt, nur das erfolglose Trainer-Engagement von Lothar Matthäus in der Saison 2008/2009 ein. 2016 stieg der Verein sogar für ein Jahr in die Zweite Liga ab. Wenn man an Israel denkt, fällt vielen auch zuerst der Nahost-Konflikt ein. Doch Heubach fühlt sich sicher in seiner neuen Stadt. „Derzeit hätte ich mehr Angst in Europa oder Amerika als hier vor Ort“, erklärt der Blondschopf. „Die Leute in Netanya gehen viel wachsamer durchs Leben, ohne sich in ihrer Freiheit einzuschränken.“
„Die Diamanten“ verpflichteten den ablösefreien Heubach nach dem Wiederaufstieg. „Ich sehe mich ganz klar als Führungsspieler und will versuchen, den jungen Spielern im Team eine Art Vorbild zu sein“, erklärt er. „Die Mentalität der Israelis ist so, dass man nach ein paar erfolgreichen Spielen gleich von der Meisterschaft redet. Ich halte lieber die Füße still. Wir sind Aufsteiger. Es wäre fatal zu sagen, wir marschieren durch die Liga.“
Bislang hat sich sein Wechsel ausgezahlt. Netanya steht nach sechs Spieltagen auf Platz zwei. Und auch privat fühlt sich der Stammspieler sehr wohl. „Bei meinem Wechsel habe ich auf mein Bauchgefühl gehört, und das hat mich bisher noch nie getäuscht“, betont Heubach. „Ich bin noch in einem Alter, in dem ich diesen Wechsel und das kleine Abenteuer ausleben kann. Als ich zum ersten Mal mit der Mannschaft trainiert habe, fühlte ich mich sofort willkommen. Für mich ist Maccabi Netanya kein Verein, sondern eine große Familie.“
Die Stadt Netanya liegt nördlich von Tel Aviv an der Mittelmeerküste und ist bekannt für ihren elf Kilometer langen Strand. Der ist ein beliebtes Ausflugsziel auch für Tim Heubach. „Ich habe meine Frau hier, der Spaß am Fußball ist zurück, und nach dem Training gehen wir ans Meer. Wenn man ehrlich ist, gibt es momentan kein besseres Leben“, schwärmt er. Die turbulente Zeit in Kaiserslautern hat ihn „viel Kraft gekostet“. Eine Rückkehr schließt er nicht aus. „Natürlich ist mein Ziel, irgendwann wieder in Deutschland aufzuschlagen. Zurzeit verschwende ich daran aber keinen Gedanken.“
Auch der Holocaust ist ein Thema, aber keine Belastung in seinem Alltag. „Ich hatte hier als Deutscher bisher noch keine Probleme“, betont er. „Der Großteil der israelischen Spieler ist gegenüber Deutschland sehr aufgeschlossen und möchte wissen, wie das Leben hier ist. Ich musste mir sogar schon anhören, wie bescheuert man sein kann, Deutschland freiwillig zu verlassen.“dpa
Quelle
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 236
Mittwoch, den 11. Oktober 2017