Der FCK droht in die Dritte Liga abzusteigen – und das treibt seine Anhänger um. Bei einem Fantreffen in Bellheim überlagern die Sorgen die Wut.
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FCK-Fans und die Abstiegsangst: Rainer Keßler fördert das Wir-Gefühl
Michael Wilkening
Der FCK droht in die Dritte Liga abzusteigen – und das treibt seine Anhänger um. Bei einem Fantreffen in Bellheim überlagern die Sorgen die Wut.
Der Frust klebt noch an den Menschen, die sich am Dienstag in einer Kneipe in Bellheim treffen.
Das 0:4 des 1. FC Kaiserslautern im Südwestderby gegen den Karlsruher SC liegt zu diesem Zeitpunkt schon mehr als drei Tage zurück, hat von seinem Schrecken aber nur wenig verloren. Man kennt sich und begrüßt sich freudig. Doch schnell geht es um das Thema, das jeden der rund 60 Anwesenden umtreibt. Die Krise des FCK lässt hier niemanden kalt, und deshalb sind ein paar Leute mehr gekommen als sonst.
Der Traditionsklub aus Kaiserslautern hat in der Pfalz derart viele Fans, die in unzähligen Fanclubs zusammengeschlossen sind, dass irgendwann einmal
Fanregionen gegründet wurden. Bellheim liegt im Herzen der Fanregion Südpfalz und ist deshalb ein guter Ort für ein turnusmäßiges Treffen. Der Vorstand der Fanregion lädt mehrmals im Jahr zu einer Zusammenkunft, so dass es sich am Dienstagabend in einer Kneipe nicht um ein spontanes Krisentreffen handelt, auch wenn es sich zu Beginn so anfühlt. Es sind viele Menschen gekommen, die Sitzplätze im Nebenraum der Gaststätte reichen nicht, ein paar wenige Fans müssen stehen – am Ende werden es mehr als dreieinhalb Stunden sein.
Rainer Keßler sucht Antworten
„Wir teilen das gleiche Schicksal“, sagt Rainer Keßler und meint dabei nicht die fehlenden Sitzmöglichkeiten. Der Vorsitzende des Beirates der 1. FC Kaiserslautern Management GmbH ist Gast der Fanregion. Die etwas sperrige Bezeichnung bedeutet in Kurzform: Keßler ist formal der oberste Kontrolleur der Profisparte des FCK und erlebt deshalb gerade schwere Zeiten. „Wir alle teilen das gleiche Schicksal“, sagt er zu Beginn des Treffens: „Die Lage bereitet uns allen große Sorge.“
Neben Keßler ist auch Gero Scira, der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtvereins gekommen. Aber die Aufmerksamkeit hat lange Zeit Keßler. Die anwesenden Fans erhoffen sich von ihm zwei Dinge: Er soll ihnen erklären, wie der FCK in eine derart bedrohliche sportliche Lage kommen konnte und wie die Roten Teufel dem drohenden Abstieg entrinnen können. Keßler versucht sich an Antworten für beide Themen.
Die Sorgen rücken in den Vordergrund
„Ich denke, es wird in einer solchen Phase noch mehr wertgeschätzt, wenn man sich stellt und nicht wegduckt“, sagt Keßler ein paar Stunden später, als sich der Raum geleert hat. Zu Beginn der Veranstaltung ist noch nicht absehbar, welchen Verlauf der Abend nehmen wird. Die Enttäuschung der organisierten Fans über die vielen Niederlagen der zurückliegenden Monate ist groß, die Wut und die Verzweiflung sind spürbar.
Keßler gelingt es jedoch, das Gefühl der Sorge bei den Anhängern aus der Fanregion Südpfalz in den Vordergrund zu ziehen.
Am Samstag war ein Teil der Fans unmittelbar nach der Derby-Klatsche in den Innenraum des Fritz-Walter-Stadions gesprungen, um die Spieler „zur Rede zu stellen“. Drei Tage später gelingt es Keßler in Bellheim, überbordende Emotionen aus der Diskussion herauszuhalten.
Der Beiratschef spricht leise, bedächtig und schafft ein Wir-Gefühl. Die Sorge um die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern wird dadurch größer als die Wut auf einzelne Personen; auf ehemalige Trainer, auf Spieler oder auf Geschäftsführer Thomas Hengen, den Keßler durchgehend „der Thomas“ nennt. Zumindest in der Kneipe in Bellheim zeigt sich am Dienstagabend, dass die Anhänger der Roten Teufel ihre Liebe zu „ihrem“ Klub nicht verlieren, dass die Krise sie zusammenrücken lässt. „Der Zusammenhalt wird größer“, sagt Dieter Hahn, der Vorsitzende der Fanregion Südpfalz.
Keßler verteidigt Grammozis und Hajri
Rainer Keßler fördert den Zusammenhalt, auch wenn die Fans nicht alles goutieren, was er sagt. Viele schütteln mit dem Kopf, als Keßler sagt, dass er der „festen Überzeugung“ sei, dass sich die Mannschaft unter
Dimitrios Grammozis weiterentwickelt habe. Für die Fans ist der Mann, der vor Friedhelm Funkel Trainer war, hauptverantwortlich für den Niedergang. Keßler verteidigt ihn ebenso wie Enis Hajri, der als Technischer Direktor wegen der Kaderplanung in der Winterpause in die Kritik geraten war.
Eloquent beantwortet er Fragen aus dem Plenum, findet Erklärungen für die schwierige Lage und gibt den Fans gleichzeitig das Gefühl, ihre Sorgen zu teilen. Rainer Keßler ist am Dienstagabend der richtige Mann am richtigen Ort. Hier vermittelt einer das Gefühl, dass ihm der FCK ebenso am Herzen liegt wie den Anhängern in der Südpfalz.
Hitzig wird es wegen der Sektorentrennung
Die anwesenden Fans wollen an den Klassenverbleib des FCK glauben. Das eint sie und sorgt für einen ruhigen Ton trotz der sportlich schweren Lage. Emotionaler wird es erst, als über die Sektorentrennung im Fritz-Walter-Stadion oder die hohen Strafen der DFL für Pyrotechnik und Bengalos geht. Die Vertreter der Fanclubs in der Südpfalz können sich aufregen, sie können hitzig streiten, aber nicht, wenn es um die Zukunft der Roten Teufel geht.
In Bellheim entsteht der Eindruck, dass der Rückhalt der FCK-Fans im Kampf gegen den Abstieg nicht schwinden wird – allen Nackenschläge der jüngeren Vergangenheit zum Trotz. Rainer Keßler hat dazu seinen Teil beigetragen und schwört die Fans am Ende verbal noch einmal ein. „Im nächsten Jahr wird unser FCK 125 Jahre alt. Das möchte ich nicht als Drittligist feiern“, sagt der Chef des Beirates ziemlich am Ende der dreieinhalbstündigen Debatte. Die Menschen im Nebenzimmer der Gaststätte nicken zustimmend. Ein paar wirken dabei sehr entschlossen.