Zu früh gefreut
Gabriel Clemens aus Saarwellingen scheidet bei WM in Runde eins aus
Von Peter-Pascal Portz
Das Antlitz des wuchtigen Typs in Schwarz war ein von bitterem Sarkasmus geprägtes. Ein ironisches Lachen brach durch den schwarzen Goatee-Bart, kurz kratzte sich Gabriel Clemens (36) hinterm Ohr. Ausdruck der Ratlosigkeit. Sein dritter Pfeil hing noch press unter dem Draht der Doppel-Fünf, als der hilflose Blick des Saarländers runter zur Box wanderte.
Es half alles nichts, am Ende verließ Clemens die größte, die schillerndste aller Dart-Bühnen mit einem 2:3. In Runde eins der Weltmeisterschaft, das jähe Aus. „Ich hab’ einfach zu viele Doppel liegen lassen“, haderte er in den Katakomben der West Hall des Alexandra Palace. In dem Moment wollte er es nicht wahrhaben, genauso wie die knapp 3000 unter ihm brüllenden Spaßvögel im Tollhaus „Ally Pally“. Wie im falschen Film.
Denn der Clemens, vor der WM Nummer 42 der PDC-Welt, hatte gegen den soliden, keineswegs überragenden Niederländer Benito van de Pas Matchdarts. Ganze vier. Einen nach dem andern setzte der „German Giant“ am Mittwochabend daneben. Bis van de Pas eiskalt die 40 Punkte wegmachte und das, wie zum Hohn, mit dem ersten Pfeil. „Zwischendrin hab’ ich wirklich schlecht gescort. Es war ein ganz komisches Spiel“, urteilte der gefasste Clemens nach der ärgerlichen WM-Pleite die zerfahrene Vorstellung ab. Nach der 2:0-Legführung im fünften Satz, einem Akt des Dramas, das die Masse an den Tischen in tiefes Schweigen verfrachtete, hatte er wie der Sieger dagestanden. Ein Gedanke, der ihn zu früh ereilte, das gab er zu.
Hinter dem bodenständigen Profi aus Saarwellingen liegt das stärkste Jahr seiner Karriere. Ein sensationelles Finale bei den World Series in Köln, der Eintrag in die Darts-Annalen, als er jüngst beim Grand Slam mit über 110 Punkten den höchsten Drei-Dart-Average eines Deutschen ins Board dübelte, der je im Fernsehen übertragen wurde. Nicht zuletzt deshalb ging Clemens am Mittwochabend erstmals bei einem Major-Turnier als Favorit ans Oche – gegen einen van de Pas, der einst zur Weltelite gehörte, nach einem schwachen Jahr in die Niederungen sackte. Die Session hätte zum deutschen Meisterstück werden können. Nico Kurz, ein blutjunger Hesse, hatte zuvor James Wilson mit 3:1 von der Bühne geföhnt – und dabei, nach acht perfekten Würfen, um zwei Zentimeter am Neun-Darter, dem großen Traum eines jeden, vorbeigezielt. Clemens aber kam nie richtig ins Spiel. „Auf der Bühne hat es sich gut angefühlt. Dann hab’ ich den ersten Satz unglücklich verloren, woran ich selbst schuld bin. Ich hatte ja genug Darts zum Set-Gewinn“, meinte er. „Ich denke, er war der bessere Spieler. Ich hatte Glück mit dem ersten Satz und Glück auf die Doppel“, räumte van de Pas ein.
Die Geschichte des Abends. Clemens punktete besser, hatte nach einem fabelhaften vierten Satz alle Trümpfe in der Hand – aber van de Pas das optimale Timing. Eine 31 Prozent-Quote auf die Doppel bedeutet nicht unbedingt Schwäche. Nur in den wichtigen Momenten, da stach Clemens eben nicht.
Die 2:3-Pleite verhindert, worauf die deutschen Fans hofften: den Gipfel mit Max Hopp in Runde zwei.
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 295 Freitag, den 20. Dezember 2019