Der Dribbler vom Bolzplatz
Joel Dombaxi spielte, seit er laufen kann, in Kaiserslautern Fußball. Ob der FCK ihn nehmen würde, das hat er nie ausprobiert.
Trotzdem ist er jetzt Profi – in Österreich.
Von Maria Huber
Die Sonne brennt auf den Bolzplatz in der Kaiserslauterer Wiesenstraße. Joel Dombaxi sitzt am Rand im Schatten, dreht versonnen einen Ball in seinen Händen und lächelt zufrieden. Er kann immer noch nicht fassen, was passiert ist. Für ihn ist ein Traum in Erfüllung gegangen, der hier begann und auf den er, seit er zum ersten Mal einen Ball am Fuß hatte, hingearbeitet hat: Er ist Fußballprofi.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht, aber es war mein Ziel“, sagt er, lässt seine Augen über den staubigen Untergrund wandern und träumt sich zurück in die Zeit, als alles begann. Er kann gerade laufen und ist mit seinem drei Jahre älteren Bruder Raimundo genau hier, auf dem Bolzplatz neben der Wohnung in der Wiesenstraße, wo er aufgewachsen ist und wo seine Familie, die aus Angola stammt, noch immer wohnt. „Wir haben immer Fußball gespielt, vier gegen vier, sechs gegen sechs.“ Seine Mutter schimpfte schon mal, weil er immer dreckig nach Hause kam. „Wir konnten es einfach nicht lassen“, sagt Joel Dombaxi und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
Er merkte schnell, dass ihm der Sport liegt und was er kann. „Ich wollte auf keinen Fall ins Tor, wollte immer den Ball am Fuß haben und damit dribbeln.“ Mit vier Jahren wünschte sich Joel nichts mehr, als im Verein zu spielen, aber sein Vater bremste ihn. „Er hat gesagt, ich bin zu jung.“ Mit sechs Jahren durfte er dann, durchlief die Jugendabteilungen des VfR Kaiserslautern, spielte schließlich in der Bezirksliga. Karl-Heinz Halter, damals Trainer des SV Morlautern, bei dem sein Bruder Raimundo am Ball war, sah ihn spielen und sprach ihn an, ob er nicht nach Morlautern wechseln wolle. Der damals 19-Jährige wechselte, spielte zwei Jahre Oberliga. „Es war eine sehr coole und aufregende Zeit. Wir haben das Verbandspokalfinale gewonnen, waren im DFB-Pokal“, schwärmt Dombaxi, der von noch mehr träumte.
Die Chance dazu lief ihm praktisch vor der Haustür über den Weg. Er traf Rodnei, den ehemaligen Profi des 1. FC Kaiserslautern, der damals in der Nachbarschaft wohnte. Und Joel und sein Bruder, der noch besser Portugiesisch spricht als er, nahmen sich seiner an. „Rodnei konnte nicht richtig Deutsch“, erzählt Dombaxi. Der damals 32-Jährige, der beim österreichischen Zweitligisten Blau-Weiß Linz spielte, vermittelte dem Talent aus der Fußballstadt schließlich ein Probetraining bei seinem Verein.
Dombaxi schlug sofort ein. Er wechselte zu den Blau-Weißen Jungs, der zweiten Mannschaft von Linz. Und ein halbes Jahr später passierte es: Der quirlige Außenbahndribbler durfte mit den Profis ins Trainingslager, fiel auf, durfte beim ersten Pflichtspiel ran, machte seine Sache gut und bekam einen Profivertrag in Aussicht gestellt. Dann trat sein Trainer aus familiären Gründen zurück, der Coach der Blau-Weißen Jungs übernahm für drei Spiele. Schließlich kam Goran Djuricin, vorher Trainer beim Bundesligisten Rapid Wien. Und Dombaxi musste zittern, ob das Angebot mit dem Profivertrag noch gilt. „Er wollte erst mal alle Spieler kennenlernen.“ Doch der Lauterer punktete wieder mit Fleiß und Talent, machte in den letzten drei Spielen zwei Tore und bekam schließlich den Zuschlag. Der 22-Jährige unterschrieb für ein Jahr mit Option auf ein weiteres Jahr.
„Es war ein Kindheitstraum“, sagt der Deutsch-Angolaner. „Dafür sind wir jeden Tag auf den Bolzplatz gegangen.“ Er weiß, dass Talent nicht ausreicht, um einen solchen Traum wahr werden zu lassen. „Dazu gehört viel mehr. Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit, Respekt, Kleinigkeiten, die man, um Profifußballer zu werden, mitbringen muss, dann wird man irgendwann belohnt“, erklärt er.
Sein neues Leben gefällt ihm. Er mag Linz, hat Freunde gefunden. Zweimal am Tag ist Training. Im taktischen Bereich hat er viel gelernt, sich technisch verbessert. „Das Tempo in der Zweiten Liga war im Vergleich zur Oberliga extrem schnell. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.“
Ob er seinen Weg auch über den höchstklassigen Verein in seiner Heimatstadt hätte versuchen können, war für ihn nie Thema, sagt er. „Es hat sich nie ergeben, sonst hätte ich darüber nachgedacht.“ Aber die nächste Messlatte hat er sich schon gesteckt: „Ich will versuchen, in die österreichische Erste Liga zu kommen oder nach Deutschland in die Dritte Liga. Das wäre sehr interessant.“
Viel weiter träumt er erst mal noch nicht. Wobei? Nationalmannschaft würde den 22-Jährigen schon reizen. „Ich bin ja in Kaiserslautern geboren und aufgewachsen, habe einen deutschen Pass. Ich weiß nicht, ob ich da überhaupt für Angola spielen dürfte.“ Aber eins weiß er: „Wenn, dann würde ich mit Stolz für das Land spielen, aus dem meine Eltern kommen.“ Lingala, die Sprache seiner Eltern, kann er. Doch im Moment hört er eher Österreichisch. Beziehungsweise in der kurzen Trainingspause auch mal Pfälzisch. Seit Weihnachten war Joel Dombaxi nicht mehr in Kaiserslautern und auf seinem Bolzplatz. Er genießt das Wiedersehen, die Zeit mit der Familie, mit der er ständig in Kontakt ist, und mit seinen Freunden.
Mit seinen Fußballkollegen von damals will er sich treffen, vielleicht ein bisschen kicken. Er will seinen Trainer von früher, Karl-Heinz Halter, sehen. Und dann weiter an der Karriere feilen. „Ich habe eine Pulsuhr mitbekommen, mit GPS. Wir müssen jeden Tag Läufe machen, das wird alles aufgenommen, und das ploppt dann beim Fitnesstrainer auf dem Laptop auf“, erzählt er, dreht den Ball in der Hand, setzt sich noch mal auf die Bank, auf der er immer auf seine Kumpels gewartet hat, und strahlt.
Die Rheinpfalz Rheinpfalz am Sonntag West Nord - Nr. 26 Sonntag, den 30. Juni 2019