Danke
@Shelter. Das werde ich mir auf jeden Fall mal ansehen.
Ich hab dafür natürlich kein Allheilmittel. Ich bin momentan in der Fußball-Geschichte viel tiefer drin, als ich mir das je hätte vorstellen können, weil meine Jungs (jetzt 7 und 9) total fußballverrückt sind - und wohl auch nicht schlecht.
Sie spielen bei einem Verein, bei dem die Erste fünftklassig ist (vor Corona viertklassig) - nicht, weil wir größeres mit ihnen vorhaben, sondern weil es quasi der nächste Verein war. Die älteren Jugendmannschaften dort spielen BOL.
Parallel zum Vereinstraining (ab 6 Jahren 2 mal pro Woche) haben die Jungs verschiedene Traininigscamps verschiedenere Anbieter (Bayrischer Fußballverband, FC Ingolstadt, private Anbieter gemacht) und zum Teil zusätzliches Training bei einem privaten Anbieter aus München gemacht.
Die Erkenntnis aus den 4 Jahren intensiven Fußballs sind eher ernüchternd:
- Es steht und fällt alles mit den Trainern. Es hilft im Jugendbereich total, wenn der Trainer bereits selbst auf einem gewissen Niveau gespielt hat - das gibt dem ganzen eine Perspektive, die viele noch so gute Trainer nicht haben. Es geht in dem Alter nicht um die Existenz, die Ehre oder die Weltmeisterschaft.
- Hier haben wir das Problem, dass wir viel zu viele Kinder für einen Jahrgang haben und gerade in dem Alter natürlich auch mit völlig unterschiedlichen Vorraussetzungen - mein siebenjähriger spielt Fußball mit größeren seitdem er drei ist, andere fangen mit sieben an.
- Dennoch gibt's nen riesigen Aufschrei bei den Eltern, wenn nach Können die Teams zusammengestellt werden.
- Bei uns wurde es dennoch gemacht und ich finde es gut. Es macht keinen Sinn, wenn mein kleiner, der fast einen Kopf größer ist als alle gleichaltrigen, auch mental eher "älter" ist und seit 4 Jahren Fußball spielt mit jemandem trainiert und spielt, der heute zum ersten Mal an einen Ball tritt. Das ist blöd für beide und auch keine Diskriminierung.
- Dennoch ist es so: der große spielt 6 gegen 6 und es sind 14 Kinder. Bedeutet in unserem Fall: jedes Kind spielt nur eine Halbzeit. Andere Vereine, die einen höheren Anspruch haben, nehmen für ihre erste nur 10. Ende.
- Die neuen Spielformen haben den Vorteil, dass viel mehr Kinder gleichzeitig spielen können und die Kinder auch öfter den Ball bekommen. Daher gibt es viele Trainer, die davon sehr überzeugt sind. Wichtig ist trotzdem, dass der Mannschaftsgedanke bleibt, und die Jungs nicht nur stur dribbeln, sondern auch abspielen. Das ist bei 3 gegen 3 aber genauso wichtig wie später auf dem Großfeld.
- Bei den verschiedenen Camps und auch bei dem privaten Training wurde hingegegen manchmal nur Wert auf Technik gelegt. Keine Spielformen im Training, nur Trick hier, Dribbeln da, Schusstechnik usw. Da werden teilweise echte Egomanen gezüchtet, die null raffen, dass Fuball ein Mannschaftssport ist.
- Ab einer gewissen Jugend wird dann leider auch immer mehr nur noch Wert auf kurzfristigen Erfolg der Jugend und nicht mehr auf Entwicklung der Spieler (als Mannschaftsspieler) gesetzt. Bedeutet: die guten werden von einem besseren Verein geholt, die schlechten werden aussortiert. Für unseren Verein bedeutet das eigentlich, dass im Kader der 14-jährigen im Extremfall jedes Jahr 2/3 der Mannschaft ausgetauscht werden. Es bleiben quasi nur die, die "mittel" sind.
- Bei den großen Vereinen ist es genauso extrem. Immer nur am kurzfristigen Ziel interessiert. Bayern holt dann halt auch mal nen 14 jährigen aus England, wenn sich die Chance bietet. Spätestens beim Sprung in den Herrenbereich sind dann meist alle Jugendspieler außen vor. Da holt man entweder das Supertalent aus dem Ausland für mehrere Millionen oder den fertigen Spieler Kane für noch mehr Geld. Anschließend wundert man sich, dass der Spieler bei einem noch besseren Angebot genau so schnell wieder Weg ist und nicht mal Tschüß sagt (gerade in dieser Transferphase oft gesehen in Paris, München oder auch Frankfurt).
- Die Entwicklung der Spieler ist da komplett außen vor aus meiner Sicht.
- Und dieser Quatsch geht immer früher los. Auf den Turnieren für Sechsjährige springen Scouts rum, um Spieler abzuwerben.
- Hinzu kommt natürlich auch, dass die Eltern ein echtes Problem sind: da gibt es genug, die ihre Kids lieber aus der unmöglichsten Position schießen lassen wollen als ihnen zu sagen, dass Abspielen die schnellste Variante ist, den Ball von vorne nach hinten zu tragen
Ich hab keinen Vergleich, wie das in anderen Ländern ist. Ich würde aber mal davon ausgehen, dass in vielen Ländern mehr um des Spielens willen gespielt wird bis zu einem gewissen Alter und man den Spielern Zeit und Raum gibt, sich zu entwickeln.
Die Ergebnisse abzuschaffen (oder die Bundesjugendspiele) sind natürlich das andere Extrem. Aber jedes Jahr für den kurzfristigen Erfolg neue Spieler auf's Feld zu schicken ist für die Spieler- und Mannschaftsentwicklung nicht förderlich.
Bei den neuen Spielformen bin ich echt gespannt. Ich finde Funino eigentlich gut und es macht den Kids Spaß. Der kleine spielt jetzt bald im Turnierbetrieb auch eine neue Spielform - bin gespannt, wie das laufen wird. Ich glaube das wichtigste ist wirklich, dass sie sich möglichst auf ähnlichem Niveau messen können
Hab mich mittlerweile auch oft mit verschiedenen Trainern und Verantwortlichen unterhalten (kenne mittlerweile deutlich mehr "wichtige" Fußballer/Trainer/Funktionäre als in meiner aktiven Zeit) - die sehen das zum Teil ganz genauso und können rein gar nichts dagegen tun.
Käme irgendwann der Anruf eines Scouts für einen den größeren Vereine hier in der Gegend - ich wüsste wirklich nicht, was ich tun würde. Du kannst natürlich deinem Kind nicht irgendeine Chance nehmen, aber in dieser Maschinerie hab ich nicht das Gefühl, dass es wirklich gut für die Kinder ist.
Selbst ein Bayern-Jugend-Trainer meinte zu mir, dass die Kinder viel zu früh mit tausend Terminen (z.B. Ligaspiel + Turnier am gleichen Wochenende, zu viel Training) überfordert werden.
(Sorry für langes OT)
(hoffentlich ist mein Beitrag nicht so grauenvoll wie dieser eine Trainingsbericht - ich bin immer noch gepuzzelt)