Von Tränen der Enttäuschung und des Stolzes (fankultur.com)

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Es gibt im Leben eine Menge großartiger Augenblicke. Das Problem dabei ist, dass diese Augenblicke vergehen und die Realität einkehrt. Hinter der nächsten Ecke lauert schon dieser grausame, unrasierte Kerl namens Alltag. In unserem Fall getarnt als personifizierte Zweitligazugehörigkeit. Zuhause in Aue, Karlsruhe und Bielefeld.



Aber heute ist noch nicht die Zeit für die Realität, denn gestern war ein Augenblick, der Bestand haben wird. Nicht nur morgen, sondern auch in ein paar Jahren. Das mag befremdlich wirken bei der Betrachtung des Endergebnisses. Nur wer vor Ort war, versteht, was gemeint ist. Worte können das nur begrenzt wiedergeben, aber ich versuche es trotzdem.



Der alte Mann auf dem Klo



Oft sind es die kleinen Wortfetzen, die einem von so einem Abend in Erinnerung bleiben. So wie zur Halbzeitpause auf dem Klo. Voller Resignation trottete ich wie ferngesteuert hinunter. Auf dem Weg enttäuschte Gesichter, murmelnde Gespräche. Viele Wortfetzen hätte in Erinnerung bleiben können, doch am Ende war es nur der eines alten Mannes: „Der alte Betze hätte schon längst 3:0 geführt“.



Auf dem Rückweg zum Platz kreisten mir die Worte im Kopf. Der alte Betze also. Ja, vielleicht hätte der „alte Betze“ 3:0 geführt, aber was auch immer für ihn der „alte Betze“ war: An diesem Abend stand der „Betze der Neuzeit“ dem Alten in Nichts nach. In wirklich nichts – bis auf das Geschehen auf dem Rasen.



Die zweite Halbzeit begann und wieder mal fackelte kurz das Feuer der Hoffnung:

Tor zum 1:1 – ein einziges wildes Geschrei wie im Rausch. Wenig später: Idrissou köpft das Tor zum 2:1 – grenzenloser Jubel. Blackout. Dann die Realität wenige Sekunden später: Das Tor wird nicht gegeben. Wut, Frust, Unverständnis.



Kurz darauf: Hoffenheim macht das Tor zum 1:2. Die folgenden Sekunden kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Irgendwas in mir hofft, dass es nicht wahr ist. Ich will es nicht realisieren. Die Sekunden nach dem Einschlag vergehen: 1,2,3,4,5. Ich gucke immer noch wie gebannt auf den Schiedsrichter, auf die Spielertraube, auf die Fankurve. Lass das Tor aus irgendeinem Grund nicht gelten. Lass irgendwas passieren... 6,7,8,9,10. Ich schau mich um. Es passiert nichts. Der Spielstand auf der Videowand wandelt sich zum 1:2. Ich rechne den Gesamtstand aus: Wir müssten 5:2 gewinnen. Ich schaue erneut auf die Videowand: 74. Minute.



Das war’s. Moment der Leere. Einige Sekunden vergehen: Die ganzen letzten Tage passieren wie Revue. Die Vorfreude auf das Spiel, die unglaubliche Euphorie Tage vor dem Spiel. Alles zerplatzt wie eine Seifenblase. Ich sehe mich vor dem geistigen Auge im Gästeblock der Alm stehen, in Paderborn, vielleicht in Dresden, vielleicht in Düsseldorf. Wie ein Film zieht alles an mir vorbei, während der leere Blick immer noch über die Ränge wandert.



Ich schaue in die Gesichter der Leute. Bei ihnen passiert genau dasselbe. Noch ca. 20 Minuten bis zum Abpfiff ...



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