München: Kühlhausbesitzer begeht Selbstmord

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München: Kühlhausbesitzer begeht Selbstmord



Der in den Gammelfleischskandal verwickelte Besitzer eines Münchner Großkühlhauses hat Selbstmord begangen. Dies teilte das Polizeipräsidium am Vormittag mit. Nach Angaben des Präsidiums erhängte sich der Mann in seiner Münchner Privatwohnung. Als Grund vermuten die Ermittler den "hohen Mediendruck". Einen Abschiedsbrief habe man nicht gefunden.





Nach Angaben des Polizeipräsidiums litt der Mann sehr stark unter den gegen ihn erhobenen Vorwürfen und dem Medieninteresse. Er habe sich wie an jedem Tag gegen sechs Uhr in den Keller seines Hauses im Münchner Stadtteil Freimann begeben, um dort Frühsport zu betreiben. Als er nicht wie vereinbart zum Frühstück kam, schaute seine Ehefrau nach ihm. Sie fand den 74-Jährigen erhängt am Treppenaufgang vor. Beamte der Münchner Kripo sind derzeit noch mit Tatortarbeit in dem Wohnanwesen beschäftigt.







Der 74-jährige Kühlhausbesitzer gilt als der Drahtzieher des Gammelfleischskandals. Gegen ihn liefen umfangreiche Ermittlungen, eine Aussage hatte der Mann nicht gemacht. Ihre Informationen beschafften sich die Ermittler durch Gespräche mit den 16 Beschäftigten des Unternehmens und den zahlreichen Lieferanten und Abnehmern.

Werner Schnappauf wehrt Vorwürfe ab

Erklärungsnöte





Unterdessen wurde bekannt, dass die Behörden des Freistaats schon Ende vergangenen Jahres über die mangelnde Qualität der Tiefkühlware aus München informiert waren. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Stadt Mannheim hervor. Demnach fand man Ende des vergangenen Jahres in der badischen Stadt falsch etikettiertes Fleisch des Münchner Lieferanten Bruner aus dem Stadtteil Johanneskirchen, der ins Visier der Ermittler geraten war. Nach eigenen Angaben informierte Mannheim daraufhin umgehend die Regierung von Oberbayern.

Ware offenbar in Italien falsch etikettiert



Die Regierung von Oberbayern bestätigte die Benachrichtigung aus Mannheim dem Bayerischen Rundfunk. Am 7. Dezember 2005 sei eine Mitteilung der Stadt Mannheim beim Staatlichen Veterinäramt eingegangen. In dem Münchner Betrieb sei daraufhin am 8. Dezember eine stichprobenartige Routine-Untersuchung veranlasst worden. Überalterte Lebensmittel seien dabei aber nicht gefunden worden. Eine Prüfung aller Bestände habe allerdings nicht stattgefunden.



Bei der Kontrolle des Münchner Händlers habe dieser eine schriftliche Bestätigung eines italienischen Zulieferers vorgelegt. Laut dieser sei bereits in Italien die von der Münchner Firma bestellte gefrorene Ware aufgrund eines Fehlers dort als frisch etikettierte Ware gekennzeichnet worden, hieß es in der Mitteilung der Regierung von Oberbayern.



Auch der Sprecher des Münchner Kreisverwaltungsreferats bestätigte dem Bayerischen Rundfunk den Eingang des Schreibens aus Mannheim und eine daraus resultierende Kontrolle bei dem Großhändler in Johanneskirchen. Über den genauen Umfang der Kontrolle konnte der Sprecher allerdings keine Angaben machen. Der schriftliche Bericht läge der Stadt München auch nach mehreren Anfragen bei der für das Veterinäramt zuständigen Regierung von Oberbayern nicht vor.



Man wisse noch nicht genau, warum die Kontrollen nicht gegriffen hätten, sagte Sprecherin Katja Gründel dem Bayerischen Rundfunk. Die Fehlersuche laufe. Danach würden selbstverständlich Konsequenzen gezogen. Der betroffene Betrieb sei zuletzt im Juni kontrolliert worden, so die Sprecherin.

Stichproben nur bei Verdacht



Dabei sei keine Stichprobe der Waren genommen worden. Das sei normalerweise nur im Verdachtsfall üblich. Ob in dem Betrieb im Münchner Stadtteil Johanneskirchen zum Beispiel jemals ein tiefgefrorener Dönerspieß zur Überprüfung aufgetaut wurde, sei ihr nicht bekannt, erklärte die Sprecherin. Die verdorbenen Waren seien in dem Kühlhaus hinter einwandfreier Ware versteckt worden und hätten nicht ganz vorne gelegen. Deshalb hätten die Kontrolleure das Gammelfleisch nicht entdeckt.



Augsburger Kontrolleure mussten warten



Thomas Schaller, Umwelt- und Verbraucherschutzreferent der Stadt Augsburg, hat die Informationspolitik der Landesbehörden scharf kritisiert. Viel zu spät, nämlich erst am gestrigen Montag, sei der Stadt die Liste all der Betriebe übermittelt worden, die von der Münchner Gammelfleisch-Firma Ware bezogen haben. Die Augsburger Kontrolleure mussten somit warten anstatt möglicherweise kritische Produkte sofort aus dem Verkehr ziehen zu können. Sieben Augsburger Großhändler und Restaurants waren Kunden des Münchner Betriebs. Die anschließende Überprüfung der gelieferten Fleisch- und Fischprodukte ergab aber keine Beanstandungen.



Justiz ermittelt bundesweit



Mit verdorbenem Fleisch seien nicht nur Döner-Lokale in ganz Deutschland, sondern auch bayerische Traditionsgaststätten, Asia-Shops und Abnehmer im Ausland beliefert worden. Alle 26 Münchner Abnehmer, die in den vergangenen Wochen vom untersuchten Großhandel Fleisch erhalten hatten, wurden kontrolliert. Dabei wurden die Ermittler in fünf Fällen fündig. Die Wirte erklärten, sie hätten ihrem Lieferanten vertraut.





Bisher sieben Bundesländer betroffen



Nicht nur Bayern ist vom Fleischskandal betroffen, sondern auch sieben weitere Bundesländer. Fleisch des untersuchten bayerischen Großhändlers wurde nach Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz geliefert. Allerdings kam die Ware nicht überall an. Die Ermittler orientieren sich an einer Lieferliste des Großhändlers, die vom Münchner Verbraucherschutzministerium verschickt wurde.

Ranzig, muffig, grünlich, ekelerregend



Zu der in München sichergestellten Ware gehören nach Behördenangaben Döner-Spieße, Wild- und Geflügelfleisch. Das untersuchte Fleisch sei zum Teil ranzig und alt gewesen und habe muffig gerochen, so ein Sprecher der Münchner Polizei. Die Proben hätten grünlich und ekelerregend ausgesehen. Mehr als zehn Tonnen Fleisch wurden beschlagnahmt. Erste Untersuchungen zeigten Auffälligkeiten bei 17 von 20 Proben. Am Freitag wurden dann nochmals 30 bis 40 Tonnen verdächtiges Entenfleisch im Kühlhaus des Großhändlers entdeckt. Das Landesgesundheitsamt geht bisher nicht von einer Gefahr für die Verbraucher aus.





Beschlagnahmtes Fleisch wird analysiert





Während die Fleischproben, 360 Kilogramm Wild- und Geflügelfleisch, im Landesuntersuchungsamt analysiert werden, steht die Auswertung der beschlagnahmten Papiere noch aus. Probleme bereitet den Ermittlern die Buchhaltung des 74-jährigen Firmeninhabers: Er benutzte keinen Computer, sondern arbeitete handschriftlich. Derzeit ist das Kühlhaus noch in Betrieb, weil dort auch unverdorbenes Fleisch gelagert wird. Die Behörden hatten das Münchner Unternehmen bereits eine Woche im Visier, bevor sie zuschlugen. Aus ermittlungstaktischen Gründen wurde die Öffentlichkeit erst nach dem Zugriff informiert, sagt Stadtdirektor Horst Reif.
 
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