G
Guest
Guest
Überleben im Saarland:
======================
Du Armer. Du hast Deinen ZVS-(=ZwangsVerSchickungs-)Bescheid vier Mal
gelesen, und immer noch stand nicht drauf: Heidelberg, Tübingen, München
... Sondern: Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Du hast zur
Deutschlandkarte gegriffen und festgestellt, dass das praktisch in
Frankreich ist, und zwar an dem Ende Frankreichs, wo wirklich überhaupt
nichts los ist. Und jetzt stehst Du hier im Saarland und fragst Dich:
Warum nur?
Entweder, Du fährst dann zwei bis vier Semester lang jedes Wochenende
heim ins Reich und wechselst dann die Uni, ohne je einen Saarländer
kennen gelernt zu haben. Oder Du freundest Dich mit dieser netten
Spezies Mensch an, gehst nach drei Monaten zum ersten Mal zu einem von
ihnen Schwenkbraten grillen, verschiebst Deinen Besuch bei Mama, um das
Altstadtfest nicht zu verpassen, und irgendwann merkst Du, dass es Dich
ärgert, wenn Deine Verwandten über das Saarland lästern. Spätestens dann
ist es Zeit zu gehen - oder für immer hier zu bleiben.
Voraussetzung:
Du hast die ersten Kontakte mit dem Saarländer unbeschadet überstanden,
seine Vorurteile überwunden, beherrschst die Grundzüge der
saarländischen Sprache und lernst, die Geheimnisse der Saarländisch-
Französischen Beziehungen richtig zu deuten. Dan steht einem glücklichen
Aufenthalt im Land der unbegrenzten Lyoner nichts mehr im Wege!
Vorurteile
Der Saarländer hängt der Vorstellung nach, im "Reich" gebe es Vorurteile
gegen ihn und sein Land. Wir "Reichsdeutsche", so glaubt der Saarländer,
hielten ihn für ein Lyoner-Rostwurst - und Dibbelabbesverschlingendes
Wesen in einer rauchgeschwängerten Steinkohlelandschaft, das seine Zeit
in Bergstollen oder Stahlwerken verbringt, wenn es nicht gerade
Schwenkbraten grillt oder an seinem Eigenheim herumbastelt. Wir alle
wissen: Das ist falsch. Wen es nicht gerade ins Saarland verschlägt, der
hat noch nie einen Gedanken dran verschwendet, wo das liegt und wie's da
aussieht. Diese Erkenntnis würde den Saarländer aber möglicherweise in
eine tiefe Identitätskrise stürzen, und das wollen wir dieser
liebenswerten Spezies doch nicht antun.
Erzähle ihm also nicht, dass Du von Dibbelabbes noch nie etwas gehört
hast, dass Du immer dachtest, Lyoner kämen aus Lyon, Rostwurst aus
Thüringen, Kohle aus dem Ruhrgebiet und aus dem Saarland Oskar
Lafontaine.
Sag einfach: Das Saarland ist ganz anders, als ich dachte - viel schöner!
So grün! So interessante Schlösser! So wenig Kohle! So lecker
Schwenkbraten! Damit dürftest Du richtig liegen.
Tipps für die ersten Kontakte zum Saarländer...
Gerade die ersten Kontakte mit den Ureinwohnern führen häufig zu
Missverständnissen. Dabei reicht es fürs Erste, folgende Regeln zu
beherzigen:
Sei nicht beleidigt, wenn ein Saarländer fragt: "Unn, faahrsche am
Wocheend hemm ins Reich?" Damit unterstellt er Dir keine
nationalsozialistische Gesinnung. Er weiß gar nicht, was das ist. Mit
"Reich" bezeichnet der Saarländer alles, was nicht im Saarland liegt.
Gewöhn Dich dran. Oder Geh zurück ins Reich. Für immer.
Sei nicht beleidigt, wenn Du, eine erwachsene Studentin, mit "ähs
Susanne" (wörtlich: Das Susanne) oder gar "ähs do" (wörtlich: Es da,
sinngemäß: Die nette junge Dame, die hier neben mir steht) angesprochen
wirst. Denk Dir nichts dabei, die Saarländerinnen finden das ja auch
normal.
Versuche nie, Dich mit einem Saarländer fürs Wochenende zu verabreden.
Denn da fährt der Saarländer "hemm": Nach Niedergailbach,
Wallerfangen-
Kerlingen, Bilsdorf, Rappweiler, Hixberg-Pflugscheid, Bliesmengen-
Bolchen, Piesbach, Bexbach, Peppenkum und Brenschelbach.
Dort versinkt er von Freitag bis Montag in einem Sumpf saarländischer
Vereinsmeiereien, aus denen Du niemals schlau werden wirst. Nimm's nicht
persönlich, Ihr könnt trotzdem Gute Freunde werden. Verabrede Dich in
der Zeit mit Saarbrückern oder Reichsdeutschen und warte, bis der
Ursaarländer von selbst wieder auftaucht.
Lästere nie über das Saarland. Die Saarländer sind stolz darauf. Warum,
weiß kein Mensch, aber wenn Du hier überleben willst, musst Du das
akzeptieren.
Merke: Das Saarland ist schön, das Saarland ist schön, das Saarland ist
schön..
Lästere nie vor einem Saarländer über andere Saarländer. Die kennen Sich
alle!!!
Die saarländische Sprache
Die vielseitige Begrüßungs-Formel "Unn. . . ?" ist der erste Beweis
dafür, dass Deine Existenz im Bewusstsein Deines saarländischen
Kommilitonen angekommen ist. Mit "Unn. . . ?" gibt er zu verstehen, dass
er Dich wiedererkennt und bereit ist, mit Dir ein Schwätzchen ("eh
Schwäzzche") einzuleiten. "Unn. . . ?" bedeutet, je nach Zusammenhang,
etwa: "Wie geht's?", "Wie war die Klausur?", "Schön, Dich zu sehen,
kommst Du mit in die Mensa?", oder auch: "Bist Du jetzt wieder mit
Deiner Freundin zusammen?". Es ist ganz einfach: Er sagt "Unn. . . ?",
und Du suchst Dir was Passendes aus.
Derart ins schwatzen gekommen, lass Dich nicht vom beliebten Wort "holle"
(holen) irritrieren. Der Saarländer nimmt nicht, er holt. Er holt
Tabletten ein; er holt Rücksicht; wenn er zu viel wiegt, holt er ab;
wenn er Depressiv ist, holt er sich das Leben.
Klasse, oder?
Im Laufe der Unterhaltung wirst Du mit Begeisterung feststellen, was für
ein umgänglicher Mensch der Saarländische Ureinwohner ist, wenn er die
erste Scheu vor dem Reichsdeutschen überwunden hat. Nur zwei Dinge
machen Ihn zum Tier: Die "Freck" und die "Flemm". Solltest Du mal einem
begegnen, der Dir zumurmelt: "Isch hann die Freck/Flemm", dann suche
unverzüglich das Weite. Eine dieser Vokabeln bezeichnet eine ansteckende
Erkältungskrankheit, die andere eine ansteckende schlechte Laune.
Welches welches ist, wird sich vermutlich jeder Nicht-Saarländer 1000
Mal erklären lassen und anschließend 1000 Mal wieder vergessen. Macht
aber nichts.
Wichtig ist hingegen folgender Merksatz: "Flemm" oder "Freck"? Nichts
wie weg!
Saarländisch-Französische Beziehungen
Ab und an wird Dir ein Edel-Saarländer begegnen, jemand, der am
Saarbrücker Deutsch-Französischen Gymnasium sowohl das Abitur als auch
das Baccalaureat erworben hat, sich mit sämtlichen Weinsorten von
Bordeaux bis Chardonnay auskennt und jetzt irgendeinen der tausend
deutsch-französischen Studiengänge besucht (mit einem komplizierten
Namen, den sich niemand merken kann). Dieses gebildete Exemplar des Homo
Saraviensis wird Dir vorschwärmen von den Vorzügen der Grenzregion im
Dreiländereck, der interessanten Saarländischen Geschichte (was aber
auch der Edel-Saarländer als "Saarländiche Gechichte" ausspricht), vom
französichen Flair Saarbrückens und so weiter, und So weiter. . .
Lass Dich davon nicht einchüchtern, äh, schüchtern. Kein Mench
interessiert sich hier für die "Wackes" (saarländich für "Unsere lieben
Freundinnen und Freunde aus Lothringen"), und anständig französich
sprechen nur die Supermarkt-Verkäuferinnen aus Frankreich. Der aufrechte
Saarländer betritt dieses Land nur zum Einkaufen und Luxemburg nur zum
Tanken, und wenn sie da kein Deutsch sprechen, ärgert er sich und fährt
wieder "hemm".
======================
Du Armer. Du hast Deinen ZVS-(=ZwangsVerSchickungs-)Bescheid vier Mal
gelesen, und immer noch stand nicht drauf: Heidelberg, Tübingen, München
... Sondern: Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Du hast zur
Deutschlandkarte gegriffen und festgestellt, dass das praktisch in
Frankreich ist, und zwar an dem Ende Frankreichs, wo wirklich überhaupt
nichts los ist. Und jetzt stehst Du hier im Saarland und fragst Dich:
Warum nur?
Entweder, Du fährst dann zwei bis vier Semester lang jedes Wochenende
heim ins Reich und wechselst dann die Uni, ohne je einen Saarländer
kennen gelernt zu haben. Oder Du freundest Dich mit dieser netten
Spezies Mensch an, gehst nach drei Monaten zum ersten Mal zu einem von
ihnen Schwenkbraten grillen, verschiebst Deinen Besuch bei Mama, um das
Altstadtfest nicht zu verpassen, und irgendwann merkst Du, dass es Dich
ärgert, wenn Deine Verwandten über das Saarland lästern. Spätestens dann
ist es Zeit zu gehen - oder für immer hier zu bleiben.
Voraussetzung:
Du hast die ersten Kontakte mit dem Saarländer unbeschadet überstanden,
seine Vorurteile überwunden, beherrschst die Grundzüge der
saarländischen Sprache und lernst, die Geheimnisse der Saarländisch-
Französischen Beziehungen richtig zu deuten. Dan steht einem glücklichen
Aufenthalt im Land der unbegrenzten Lyoner nichts mehr im Wege!
Vorurteile
Der Saarländer hängt der Vorstellung nach, im "Reich" gebe es Vorurteile
gegen ihn und sein Land. Wir "Reichsdeutsche", so glaubt der Saarländer,
hielten ihn für ein Lyoner-Rostwurst - und Dibbelabbesverschlingendes
Wesen in einer rauchgeschwängerten Steinkohlelandschaft, das seine Zeit
in Bergstollen oder Stahlwerken verbringt, wenn es nicht gerade
Schwenkbraten grillt oder an seinem Eigenheim herumbastelt. Wir alle
wissen: Das ist falsch. Wen es nicht gerade ins Saarland verschlägt, der
hat noch nie einen Gedanken dran verschwendet, wo das liegt und wie's da
aussieht. Diese Erkenntnis würde den Saarländer aber möglicherweise in
eine tiefe Identitätskrise stürzen, und das wollen wir dieser
liebenswerten Spezies doch nicht antun.
Erzähle ihm also nicht, dass Du von Dibbelabbes noch nie etwas gehört
hast, dass Du immer dachtest, Lyoner kämen aus Lyon, Rostwurst aus
Thüringen, Kohle aus dem Ruhrgebiet und aus dem Saarland Oskar
Lafontaine.
Sag einfach: Das Saarland ist ganz anders, als ich dachte - viel schöner!
So grün! So interessante Schlösser! So wenig Kohle! So lecker
Schwenkbraten! Damit dürftest Du richtig liegen.
Tipps für die ersten Kontakte zum Saarländer...
Gerade die ersten Kontakte mit den Ureinwohnern führen häufig zu
Missverständnissen. Dabei reicht es fürs Erste, folgende Regeln zu
beherzigen:
Sei nicht beleidigt, wenn ein Saarländer fragt: "Unn, faahrsche am
Wocheend hemm ins Reich?" Damit unterstellt er Dir keine
nationalsozialistische Gesinnung. Er weiß gar nicht, was das ist. Mit
"Reich" bezeichnet der Saarländer alles, was nicht im Saarland liegt.
Gewöhn Dich dran. Oder Geh zurück ins Reich. Für immer.
Sei nicht beleidigt, wenn Du, eine erwachsene Studentin, mit "ähs
Susanne" (wörtlich: Das Susanne) oder gar "ähs do" (wörtlich: Es da,
sinngemäß: Die nette junge Dame, die hier neben mir steht) angesprochen
wirst. Denk Dir nichts dabei, die Saarländerinnen finden das ja auch
normal.
Versuche nie, Dich mit einem Saarländer fürs Wochenende zu verabreden.
Denn da fährt der Saarländer "hemm": Nach Niedergailbach,
Wallerfangen-
Kerlingen, Bilsdorf, Rappweiler, Hixberg-Pflugscheid, Bliesmengen-
Bolchen, Piesbach, Bexbach, Peppenkum und Brenschelbach.
Dort versinkt er von Freitag bis Montag in einem Sumpf saarländischer
Vereinsmeiereien, aus denen Du niemals schlau werden wirst. Nimm's nicht
persönlich, Ihr könnt trotzdem Gute Freunde werden. Verabrede Dich in
der Zeit mit Saarbrückern oder Reichsdeutschen und warte, bis der
Ursaarländer von selbst wieder auftaucht.
Lästere nie über das Saarland. Die Saarländer sind stolz darauf. Warum,
weiß kein Mensch, aber wenn Du hier überleben willst, musst Du das
akzeptieren.
Merke: Das Saarland ist schön, das Saarland ist schön, das Saarland ist
schön..
Lästere nie vor einem Saarländer über andere Saarländer. Die kennen Sich
alle!!!
Die saarländische Sprache
Die vielseitige Begrüßungs-Formel "Unn. . . ?" ist der erste Beweis
dafür, dass Deine Existenz im Bewusstsein Deines saarländischen
Kommilitonen angekommen ist. Mit "Unn. . . ?" gibt er zu verstehen, dass
er Dich wiedererkennt und bereit ist, mit Dir ein Schwätzchen ("eh
Schwäzzche") einzuleiten. "Unn. . . ?" bedeutet, je nach Zusammenhang,
etwa: "Wie geht's?", "Wie war die Klausur?", "Schön, Dich zu sehen,
kommst Du mit in die Mensa?", oder auch: "Bist Du jetzt wieder mit
Deiner Freundin zusammen?". Es ist ganz einfach: Er sagt "Unn. . . ?",
und Du suchst Dir was Passendes aus.
Derart ins schwatzen gekommen, lass Dich nicht vom beliebten Wort "holle"
(holen) irritrieren. Der Saarländer nimmt nicht, er holt. Er holt
Tabletten ein; er holt Rücksicht; wenn er zu viel wiegt, holt er ab;
wenn er Depressiv ist, holt er sich das Leben.
Klasse, oder?
Im Laufe der Unterhaltung wirst Du mit Begeisterung feststellen, was für
ein umgänglicher Mensch der Saarländische Ureinwohner ist, wenn er die
erste Scheu vor dem Reichsdeutschen überwunden hat. Nur zwei Dinge
machen Ihn zum Tier: Die "Freck" und die "Flemm". Solltest Du mal einem
begegnen, der Dir zumurmelt: "Isch hann die Freck/Flemm", dann suche
unverzüglich das Weite. Eine dieser Vokabeln bezeichnet eine ansteckende
Erkältungskrankheit, die andere eine ansteckende schlechte Laune.
Welches welches ist, wird sich vermutlich jeder Nicht-Saarländer 1000
Mal erklären lassen und anschließend 1000 Mal wieder vergessen. Macht
aber nichts.
Wichtig ist hingegen folgender Merksatz: "Flemm" oder "Freck"? Nichts
wie weg!
Saarländisch-Französische Beziehungen
Ab und an wird Dir ein Edel-Saarländer begegnen, jemand, der am
Saarbrücker Deutsch-Französischen Gymnasium sowohl das Abitur als auch
das Baccalaureat erworben hat, sich mit sämtlichen Weinsorten von
Bordeaux bis Chardonnay auskennt und jetzt irgendeinen der tausend
deutsch-französischen Studiengänge besucht (mit einem komplizierten
Namen, den sich niemand merken kann). Dieses gebildete Exemplar des Homo
Saraviensis wird Dir vorschwärmen von den Vorzügen der Grenzregion im
Dreiländereck, der interessanten Saarländischen Geschichte (was aber
auch der Edel-Saarländer als "Saarländiche Gechichte" ausspricht), vom
französichen Flair Saarbrückens und so weiter, und So weiter. . .
Lass Dich davon nicht einchüchtern, äh, schüchtern. Kein Mench
interessiert sich hier für die "Wackes" (saarländich für "Unsere lieben
Freundinnen und Freunde aus Lothringen"), und anständig französich
sprechen nur die Supermarkt-Verkäuferinnen aus Frankreich. Der aufrechte
Saarländer betritt dieses Land nur zum Einkaufen und Luxemburg nur zum
Tanken, und wenn sie da kein Deutsch sprechen, ärgert er sich und fährt
wieder "hemm".