Ein Apfel für die Nazis

Klingenstädter

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SATIRE GEGEN RECHTSRADIKALE



Ein Apfel für die Nazis



Von Florian Steglich



Wie tritt man tumben Neonazis gescheit entgegen - totschweigen, Steine werfen oder einfach auslachen? Die bunt kostümierte "Front Deutscher Äpfel" setzt auf Parodie und hatte am 1. Mai in Leipzig ihren Auftritt: "Was gibt der deutschen Jugend Kraft? Apfelsaft!"





Plakat der Apfelfront



1. Mai in Leipzig, kurz nach 12 Uhr: In einer Wohnung im Zentrum-Süd sitzen 20 Jugendliche in schwarzen Anzügen. Sie tauschen Sonnenbrillen und rot-weiß-schwarze Armbinden. Der "Propagandaminister" legt Platten auf, während der "Führer" noch schnell neue Batterien für sein Megaphon an der Tankstelle kauft.



Auf den ersten Blick sehen die martialisch Gekleideten aus wie ein rechtsradikaler schwarzer Block. Aber die Musik ist amerikanischer Rock und das Symbol auf den Armbinden kein Hakenkreuz, sondern ein praller Apfel. Die "Front Deutscher Äpfel", kurz "Apfelfront", bereitet sich auf ihren Auftritt vor - denn heute ist der Hamburger Neonazi Christian Worch wieder in der Stadt.



Seit Herbst 2004 ist die Apfelfront auf Gegenveranstaltungen zu rechtsradikalen Demonstrationen präsent. Der 1. Mai und der 3. Oktober sind feste Termine im Kalender. Gegründet wurde die Gruppe nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag. Der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel ist unfreiwilliger Namensgeber der Apfelfront - auch wenn das nicht die offizielle Version ist. Es gehe ihnen um die Reinheit deutschen Obstgutes, darauf bestehen die Apfelfrontler: "Südfrüchte raus!" Sie nennen sich "Nationale Initiative gegen die Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst".



Selbst die Polizisten müssen lachen




Erstes Ziel ist der nahe Bayrische Platz. Die Neonazis Christian Worch und Steffen Hupka haben erstmals zwei Routen angemeldet und rechnen sich damit bessere Chancen aus, dass ihre Aufmärsche durchkommen. Es ist ein alljährliches Ritual: Die Rechtsextremisten versuchen, in den Süden der Stadt zu gelangen, ins linksalternative Viertel Connewitz. Ihre Gegner versuchen, das mit Sitzblockaden und Gegendemos nach wenigen Metern zu vereiteln - bisher erfolgreich.



Welche Route die Apfelfrontsoldaten blockieren wollen, haben sie sich vorher nicht überlegt. "Es kommt darauf an, welcher der beiden Nazi-Märsche wann startet und wo das bessere Publikum ist", sagt der "Führer" Alf Thum, einer der Gründer der Satiretruppe und im richtigen Leben Aktionskünstler.



Fotostrecke



Ihr Publikum hat die Apfelfront am Bayrischen Platz schnell gefunden. "Was gibt der deutschen Jugend Kraft? Apfelsaft! Apfelsaft!", skandieren sie und lachen danach über sich selbst. Einige Polizisten am Straßenrand lachen mit, sie kennen das Schauspiel offenbar aus vergangenen Jahren. Auf Anweisung des "Führers" verschanzt sich der nach eigener Aussage "bestangezogene schwarze Block" hinter aufgespannten Regenschirmen: Das ist die "Schildkröte". Diese Formation ist neu im Repertoire - letztes Jahr war die Apfelfront in der ersten Reihe, als die Polizei mit Wasserwerfern die Strecke räumte.



In einer Seitenstraße brennt unter wolkenlosem Himmel der erste Müllcontainer, rennen die ersten Vermummten vor Polizisten weg. Die Apfelfrontler weichen zurück. Von Steinewerfern und angezündeten Barrikaden halten sie nichts. "Wir sind eine pazifistische Organisation", sagt einer der Jugendlichen. Er ist Mitglied in der Jugendvereinigung der Apfelfront, dem "Nationalen Frischobst Deutschlands". Die Nachwuchs-Äpfel, allesamt Schüler, stellen mittlerweile die Mehrheit der Mitglieder: Knapp 25 sind es, dazu kommen etwa zehn Ältere bei der Apfelfront. Ein paar der Schüler sind heute nicht dabei, weil sie im Abiturstress sind.



"Die Kroizung muss um jeden Prrreis gehalten werrrden"




Auf einer Kreuzung sammeln sich die Gegendemonstranten und bilden eine Sitzblockade. Hier führt die Route Worchs entlang. Die Apfelfront sorgt für Stimmung: "Diese Kroizung muss um jeden Prrreis gehalten werrrden!", schnarrt Alf Thum unter Gelächter ins Megaphon. Indem sie die Symbolik und den immergleichen Wortschatz alter und neuer Nazis übernehmen, wollen die Apfelkämpfer ihren Gegner entlarven. Ein Mitarbeiter des "Kommunikationsteams" der Polizei, der nicht genannt werden möchte, ist froh über die Anwesenheit der Parodisten: "Die wirken entspannend."



Auf dem Handy trudeln Neuigkeiten aus anderen Straßen ein. Der Späher der Apfelfront versucht herauszufinden, wie weit die Rechtsradikalen schon gekommen sind. Als Thum die Nachricht verbreitet, dass der andere Demo-Zug von Steffen Hupka am Hauptbahnhof nicht starten konnte, sondern von der Polizei aufgelöst wurde, bricht Jubel aus. Die Stimmung ist angespannt, aber gut. In einer Seitenstraße fahren Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug auf.



Zwischen den öffentlichen Auftritten der Apfelfront treffen sich die Mitglieder alle zwei bis drei Wochen, schauen gemeinsam Filme oder führen eine Schnitzeljagd durch, auch um Nachwuchs zu rekrutieren. "Führer" Thum ist begeistert: "Die Jugendlichen machen da seit eineinhalb Jahren mit, ohne dass wir sie besonders binden würden. Überall bekommen sie erzählt, dass sie sich gegen Rassismus engagieren sollen. Bei uns läuft das einfach so." Gerade diese Ungebundenheit hält er für seinen "Vorteil zum Beispiel gegenüber Lehrern oder Jugendorganisationen von Parteien".



"Christian, ich will ein Kind von Dir!"



Als klar wird, dass die Polizei den Demonstrationszug Worchs umleitet, kommt Bewegung in die Menge. Alle laufen auf die Straße des 18. Oktober, um dort den Rechtsradikalen den Weg abzuschneiden. Auf der breiten, schnurgeraden Straße stehen sich plötzlich beide Lager gegenüber. Dazwischen nur 150 Meter und jede Menge Polizei - "Team Green", wie die Apfelfront dazu sagt. "Hinsetzen! Hinsetzen!" schallt es. Das Nationale Frischobst setzt sich in die erste Reihe und breitet die beiden roten Banner mit dem Apfel-Logo vor sich aus.



Der "Führer" und sein "Propagandaminister" gehen vor bis zur Polizeikette. Das Ziel ist klar: "Ich will Chrissy Worch die Hand schütteln", sagt Thum und sucht den Kontakt per Megaphon: "Christian, ich will ein Kind von dir!" Die Polizeibeamten lassen sich nicht überreden, ihn durchzulassen. Einige können sich ihr Lachen dennoch nicht verkneifen. Die anwesenden Kamerateams versuchen es erst gar nicht. Nach einem Blick durchs Fernglas teilt Thum den Sitzenden mit, dass Worch seit dem letzten Mal wieder etwas zugenommen habe.



Dann kommt ein Mann mit rötlichem Bart von der anderen Seite herübergelaufen. "Ist jemand von der Apfelfront hier?", fragt er. Es ist Volker Külow, der für die Linkspartei im sächsischen Landtag sitzt. "Noch zwei Abschlussreden bei Worch, dann wird sein Zug aufgelöst", teilt er sein Wissen mit und fügt hinzu: "Gut, dass ihr da seid!" Die Botschaft soll sein: Gleich ist es vorbei, weiter kommen die Rechten nicht, also jetzt ruhig bleiben. Thum gibt es an die Menge weiter.



Kurz vor 16 Uhr drehen Worchs Kameraden um. Die Gegendemonstranten versuchen, sich auch auf dem Rückweg den Neonazis noch einmal zu zeigen. Erst drei Stunden später kann die Apfelfront ein Feierabend-Bier trinken gehen.



Und auf das Frischobst wartet am nächsten Morgen wieder die Schule.
 
Hab gar nicht aufs Datum geachtet.

Hätte ich gewusst, dass der Artikel so alt ist, hätte ich gesucht - möchte wissen, warum spiegel den Artikel auf der Startseite hat...



Edit:

Ich seh grad, dass das andere kein spiegel Artikel ist, und nicht so ausführlich.

Ich plädiere auf thread Zusammenlegung
 
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