Kampfspiel ohne glückliches Ende
U23 des 1. FC Kaiserslautern verliert zwei Punkte gegen Wiesbach
Von Maria Huber
Abpfiff im Stadion in Eppelborn. Die Spieler in Rot lassen sich auf den Kunstrasen fallen und starren in den dunklen Abendhimmel. Einige schreien ihre Wut raus. Der FC Hertha Wiesbach feiert. Die FCK-Fans sind verstummt. Gerade haben sie noch vom Auswärtssieg gesungen und jetzt das.
In der dritten Minute der Nachspielzeit ist es passiert. Ob die nicht sogar schon abgelaufen war, darüber wurde später noch diskutiert. Der Schiedsrichter hatte jedenfalls noch was draufgegeben, weil ein Wiesbacher nach einem Zusammenprall mit Kaiserslauterns Torhüter Benjamin Reitz liegengeblieben war. Reitz hatte da eine von mehreren Hochkarätern, die sich der FC Hertha erarbeitet hatte, mit der Faust entschärft.Bis dahin hatte nicht nur er, sondern sein ganzes Team alles gegeben, um drei Punkte aus dem Saarland mit in die Pfalz zu nehmen. Seit der zwölften Minute mussten sie für einen Mann mitlaufen, der vom Schiedsrichter zum Duschen geschickt wurde. Patrick Salata hatte seinem Gegenspieler an der Strafraumgrenze den Ball abnehmen wollen und auch ihn dabei getroffen.
Schiri Christoph Zimmer entschied auf Elfmeter, Hendrik Schmidt trat an und schoss am Tor vorbei. Es dauerte ein paar Minuten, bis sich die U23 des 1. FC Kaiserslautern wieder sammelte. Kapitän Carlo Sickinger rückte nach hinten in die Abwehr. Wiesbach kam zweimal gefährlich vors Tor. Maurice Urnau zog nach Flanke von Marcel Noll ab, verfehlte aber das Tor (23.), und Patrick Ackermann sah Urnau, der am Pfosten lauerte, schob den Ball zu ihm, doch Reitz ging dazwischen und klärte zur Ecke (25.) – es war die erste von acht, die Wiesbach bis zum Abpfiff sammelte, während der FCK gerade mal auf eine kam. Doch Zählbares hatte keine der Standardsituationen zur Folge.
Das Team in Unterzahl kämpfte, es wurde viel gesprochen, jeder half dem anderen, und keiner ließ sich einschüchtern, wenn der Gegner wieder mal versuchte, seine zahlenmäßige Überlegenheit auszuspielen. Beispielsweise als Mario Andric und David Tomic ihre Gegenspieler mit Kurzpässen austänzelten, bis doch ein Wiesbacher drankam. In der 32. Minute nahm Dylan Esmel den Ball mit dem Rücken zum Tor an, bediente Valdrin Mustafa, doch FC-Torwart Julian Wamsbach hatte aufgepasst.
In der 67. Minute kam Tomic vors Tor, versuchte es aber selbst, statt den Ball zum freistehenden Mustafa zu legen. Eine Minute später war Tomic wieder vor dem Tor, gab die Kugel an Esmel ab, der zum 1:0 traf – das bis kurz vor dem Abpfiff Bestand haben sollte.
Esmel war sauer und enttäuscht. Dass er verletzt war, zwei Tage wegen Krankheit nicht trainieren konnte, war ihm im Spiel nicht anzumerken. Er hatte bis zum Schluss alles gegeben, uneigennützig für die anderen gerackert. „Es war alles gut. Am Ende musste ich ein bisschen kämpfen“, gab er zu, lächelte aber schon wieder. Er freute sich über den Zusammenhalt. „Wir haben gut zusammengespielt, waren ein Team, die Leistung war super.“ Schade, dass es nur ein 1:1 ist. Trainer Hans Werner Moser machte dem Team ein Kompliment für das Kampfspiel, auch wenn er den verlorenen zwei Punkten hinterhertrauerte.
Betze-Geflüster
Eis hilft nicht gegen alles
Konzentrierte Stille im Kabinengang des Fritz-Walter-Stadions. Plötzlich sind Schläge zu hören und Schreie. Männer in Trainingsanzügen tippeln nervös auf den Gängen umher. Ein paar Meter Luftlinie entfernt nehmen die Zuschauer ihre Plätze ein und warten gespannt auf das, was kommt. In der Kabine läuft die Vorbereitung – auf einen großen Kampf, bei dem jeder Treffer zählt und am Ende nur der Sieg.
Ungewohnte Szenen auf dem Betzenberg. Die Fanhalle Nord ist gefüllt mit Menschen, die diesmal höchstens feine Schals und keine Fanschals tragen. Statt Bierbänken sind Stühle aufgestellt worden, ein Ring aus Scheinwerfern lässt Lichtkegel über die Betonwände wandern und wird wenig später jede Schweißperle beleuchten, die im Viereck in der Mitte vergossen wird. Die Ringrichter trinken aus FCK-Bechern. „Unzerstörbar“ ist auf dem Plakat an der Wand zum Kabinengang zu lesen. Gleich fliegen hier die Fäuste und nicht der Fußball.
Klitschkos Sparringspartner steigt in den Ring. Nach 1:30 Minuten ist der Kampf vorbei. Aus der Nase seines Gegners läuft Blut. Der Ringrichter hat abgebrochen. Trommeln, eine Vuvuzela, Anfeuerungsrufe, Jubelschreie. Die Anhänger geben alles, um ihre Kämpfer zu unterstützen. Athletische Körper, Sportler in bunten Trainingshosen, Tattoos, lautes Schnaufen, donnernde Schläge. Im Viereck fließt der Schweiß.
Torwarttrainer Gerry Ehrmann beobachtet genau, was die da oben mit den Händen machen und was sie fangen. Nationalhymne, Show, ein Boxer im Fußballtrikot, ein E-Gitarrist beamt sich headbangend in eine andere Welt. Der Torwarttrainer des FCK hat sich inzwischen in den Kabinengang zurückgezogen, schaut sich den Kampf von oben an, durch die Glasscheibe.
Er weiß, dass der Kampf, der seinem Team bevorsteht, auch kein leichter wird, dass seine elf Fighter alles geben müssen, um am Ende jubeln zu können und gefeiert zu werden.
Einen Tag zuvor, hat das auch der Cheftrainer nochmal deutlich gemacht. In dem Raum, der damals noch der Presseraum war. „Dresden hat sehr viel Durchschlagskraft. Unsere Mannschaft muss an ihr Limit gehen, Leistungsgrenzen abrufen und in jedem Spiel etwas Zählbares mitnehmen. Es wird ein schweres Auswärtsspiel“, hat er prophezeit.
Einen Tag danach ist selbst im Presseraum nichts mehr, wie es war. Edel gekleidete Menschen stehen in Grüppchen zusammen, nippen an Weingläsern, knüpfen Kontakte, halten Smalltalk, führen tiefgründige Gespräche. Kein grelles Neonlicht, kein Tastaturgeklapper, keine schnellen, wichtigen Handytelefonate, kein Bildersichten am Laptop. Auf dem Podest, auf dem sonst die Kameras stehen, sitzt ein Sportler, zusammengekauert, wie ein Häufchen Elend. Er drückt sich einen Eisbeutel in den Nacken und leidet. Nicht nur wegen der Schmerzen, sondern weil er seinen Kampf verloren hat.
Draußen im Kabinengang ist es ruhig. Die Boxer sind weg, die Fußballer in Dresden. Sie warten noch auf den großen Kampf. Wissen, dass sie ihn nicht verlieren sollten. Oder wie Brandon Borrello sagt: „Wir müssen in Dresden gewinnen.“
Quelle
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 268
Montag, den 20. November 2017