Ich bin erklärter Gegner der Todesstrafe und habe mich in der Vergangenheit schon recht intensiv damit beschäftigt. Daher bedaure ich es sehr, dass einige hier sogar dafür gestimmt haben. Ich könnte jetzt sehr, sehr viel dazu schreiben, da ich - ohne jetzt arrogant sein zu wollen - glaub ich alle Argumente für die Todesstrafe schon gehört habe. Ob man dafür oder dagegen ist, ist obwohl es den Anschein hat, keine emotionale Frage, sondern eine völlig rationale Entscheidung (wer will kann aber auch in allen Weltreligionen ausreichende Gründe gegen die Todesstrafe finden).
Wenn man dagegen ist, dann wird einem von den Befürwortern immer wieder vorgeworfen, dass man die Trauer der Opfer nicht ausreichend berücksichtigt oder dass man gar Täter schützen will, die eindeutig ihr Recht auf ein Leben in unserer Gesellschaft verwirkt hätten. Und genau hier will mal ansetzen:
Es geht mir nämlich nicht um den Täter, dessen Taten ich natürlich ebenfalls verabscheuungswürdig finde. Es geht mir ausschließlich um die Opfer. Man könnte behaupten, dass der Gerechtigkeit der Opfer (oder eher der Familie des Opfers) genüge getan wird, wenn der Staat im Gegenzug auch dem Täter das Leben nimmt. Solche Gerechtigkeitsvorstellungen findet man im Alten Testament aber auch in vielen anderen Rechtskulturen. ABER der Staat kann keine Einzelfälle entscheiden. Wenn die Todesstrafe im Rechtssystem als Strafe eingeführt wird, dann muss der Staat (in Person des Richters) wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, töten. Die Gerechtigkeit, die der einen Opfergruppe zukam, muss dann automatisch auch allen vergleichbaren Opfergruppen zukommen, denn wenn es die Todesstrafe gibt, dann ist sie Gesetz und tritt bei Erfüllung vom Gesetzgeber definierter Bedingungen sozusagen automatisch in kraft. Bis hierhin klar, oder?
Mit dieser Grundlage überschreiten wir sämtlich deutsche und europäische Rechtsvorstellungen und treffen auf das Hauptproblem der Todesstrafe: die Todesstrafe ist (nach ihrer Vollstreckung) IRREVERSIBEL! Ab Vollstreckung hat der Staat keine Möglichkeit mehr sein Urteil zu revidieren. In allen Ländern und zu allen Zeiten, wo die Todesstrafe ausgeübt wurde kam es zu Fehlurteilen, da jedes Rechtssystem GRUNDSÄTZLICH nicht unfehlbar ist. Die Voraussetzung, dass der Tatbestand zweifelsfrei (im absoluten Sinne) feststeht sind in der Praxis nicht gegeben. Wenn in 100 Jahren Todesstrafe der Staat auch nur einen Menschen durch ein Fehlurteil umbringt, hat die Todesstrafe schon ihre Berechtigung verloren. Es wurde ja hier schon erwähnt: der Staat hat die Aufgabe seine Bürger zu schützen. Durch eine gesetzlich vorgeschriebene Todesstrafe kann der Staat dieser Pflicht nicht mehr nachkommen.
Im Endeffekt kann der Staat seine Bürger nie ganz davor schützen Opfer von Gewaltverbrechen zu werden. Aber ein Staat hat die Wahl zu vermeiden, ob er selbst das Risiko eingeht Bürgern das Recht auf Leben zu nehmen oder ob er darauf verzichtet.
Wenn wir die Todesstrafe einführen würden, hätten wir irgendwann einen Menschen, der fälschlicherweise getötet werden würde. Dieser Mensch ist dann ein Opfer des Justizsystems und es existiert dann wieder eine Opferfamilie. Wir müssen also abwägen, ob wir dem Rachegedanken von Opfern genüge tun wollen oder ob wir ALLE Bürger vor Unrecht schützen wollen.
Da wir mit dem Vollzug der Todesstrafe nichts ungeschehen machen können, finde ich es wichtiger das Leben Unschuldiger zukünftig weiter zu schützen und damit weitere Opfer zu vermeiden (siehe Anfang der Argumentation). Das hochentwickelte Justizsystem der USA ist das beste Beispiel dafür, dass Fehlurteile systemimmanent und damit unvermeidbar sind.
...und das ist nur eine Argumentation unter vielen...