Der Kapitän schwört auf Omas Nudeln
Eine knallrote Beule glänzt auf der Stirn von Sebastian Lindner. Der Fünfzehnjährige grinst: „Vom letzten Zweikampf gegen Gonsenheim. War ’ne coole Aktion.“ Bangemachen gilt nicht, findet der Lorscher. Schließlich müssen Kicker öfters was einstecken. Und Sebastian Lindner besonders: als Kapitän und Nationalspieler in Diensten des 1. FC Kaiserslautern.
Fußballprofi werden? „Wer träumt davon nicht?“, fragt Sebastian, der die zehnte Klasse des Bensheimer Goethe-Gymnasiums besucht. Der junge Bergsträßer kickt, seit er vier Jahre alt ist. Erst bei der Turnvereinigung Lorsch, später für den SC Olympia Lorsch. Da, wo schon sein Opa gegen das Leder trat.
Im DFB-Stützpunkttraining in Bensheim wird er schließlich von einem Jugendtrainer des Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern entdeckt – und abgeworben. Angebote von Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim lehnt Sebastian ab. „Ich hab gleich gemerkt: Der FCK ist für mich das beste.“ Obwohl eigentlich Dortmund und Hamburg seine Lieblingsclubs sind.
Seit 2005 kickt Sebastian mittlerweile für die Pfälzer, war mit den C-Junioren Südwest-Meister und ist derzeit mit der B II-Jugend Regionalliga-Tabellenführer mit sieben Punkten Vorsprung. Nach der Winterpause wird er wohl in die erste Mannschaft in die Junioren-Bundesliga aufrücken.
„Manche finden’s toll, andere sind neidisch“, sagt Sebastian, der seinen Erfolg nicht an die große Glocke hängt. Dabei ist der hart erarbeitet: Viermal pro Woche fährt er mit Mutter Cornelia oder dem Fahrdienst des FCK zum Training nach Kaiserslautern. Konditionsläufe, Sprints, Zweikampftraining, Taktikbesprechungen, Koordinationsübungen, Videoanalysen. Hinzu kommen Punktspiele an den Wochenenden. Und es gibt Länderspieleinsätze: Der Gymnasiast gehört zum erweiterten Kader der U 16-Nationalmannschaft, zweimal durfte er bereits den DFB-Adler tragen. Gegen Dänemark gab es ein 3:1 und 0:1. Die U 17-Europameisterschaft 2008 in Deutschland ist sein Ziel. Das nächste Sommermärchen?
„Ich möchte mich weiterentwickeln“, sagt Sebastian, der jede Woche 25 Stunden mit Fußballspielen verbringt. Ein Halbtagsjob, leider (noch) unbezahlt. Freizeit? Die hat der bescheidene Junge selten. „Wochentags muss ich viele Verabredungen absagen.“ Kino oder Kartenspielen gibt’s höchstens am Wochenende.
Samstags ist um 22 Uhr Bettruhe – wenn tags drauf die Mannschaft spielt. In der ist Sebastian Lindner, den alle bloß „Sepp“ nennen, Kapitän. Ein mannschaftsdienlicher Arbeiter, kopfballstark, mit gutem Auge für seine Kameraden. Nur der Tordrang fehlt: „Ich bin nicht egoistisch genug.“
Ein bis zwei Kicker pro Jahrgang schaffen beim FCK den Sprung zum Profi. Dürfen auf den altehrwürdigen Betzenberg vor 20 000, 30 000 Zuschauern. Die Konkurrenz ist groß. Genauso wie die Gefahr, dass eine Sportverletzung den großen Traum zerstört. „Die Schule und das Abi haben deshalb Priorität“, sagt Sebastian, der seine Hausaufgaben meist im Auto erledigt.
Bislang leiden die Noten nicht unter der Belastung. Trotzdem: Vielleicht wird der Lorscher nächstes Jahr nach Kaiserslautern ins Sportinternat gehen. Spielervermittler rufen regelmäßig bei Familie Lindner an, doch noch ist Mutter Cornelia Sebastians Hauptberaterin. Gemeinsam mit Vater Dieter ist sie bei fast allen Punktspielen dabei.
Seine Ernährung hat der Jugendliche mittlerweile auch umgestellt. Weniger Pizza und Pommes, dafür mehr Gemüse und Obst. „Sportler brauchen eiweißreiche Kost“, erzählt er. „Also gibt’s öfters mal Nudeln. Und weil die meine Oma macht, schmeckt’s sogar.“