der Freitag: Herr Hartmann, viele träumen davon, reich zu werden. Kennen Sie das Erfolgsrezept?
Michael Hartmann: Das Einfachste ist: Sie erben. Die höchsten Einkommen resultieren aus Vermögen. Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich zwar immer auf die Spitzenmanager, aber das sind nur arme Schlucker im Vergleich zu den wirklich Reichen, denen große Unternehmen oder Aktienpakete gehören. Ein Konzernchef wie Dieter Zetsche bekommt jährlich gut zehn Millionen. Wenn Sie sich aber die Familie Quandt angucken, da haben die beiden Kinder in den letzten Jahren alleine mit ihren BMW-Anteilen ungefähr 800 Millionen Euro an Dividende kassiert – jedes Jahr! Solche Tatsachen sind im öffentlichen Bewusstsein einfach nicht vorhanden und werden auch von den Medien kaum beachtet.
https://www.freitag.de/autoren/felix-werdermann/spitzenmanager-sind-da-nur-arme-schlucker
Aber es ist ja kein Geld da für die unteren 50%, für Schulen und öffentliche Schwimmbäder ... das Geld ist da, es redet nur keiner drüber, wie man es für die Öffentlichkeit nutzen könnte - Erbschaftssteuer etc. Stattdessen machen Typen wie Seehofer und Co. Wahlkampf auf den Rücken der Schwachen (Flüchtlinge, Hartz4-Empfänger). Und merkt das jemand? Nein! Man lässt sich vor den Karren spannen und erkennt nicht, dass hier arme Schlucker gegeneinander ausgespielt werden.
Was haben Erben denn geleistet, dass sie so viel Kohle einfach geschenkt bekommen? Sie sind einfach aus dem richtigen Loch gekrochen - pures Glück.
Und was haben Hartz4-Empfänger und Flüchtlinge verbrochen, dass man ihre Leistungen so kürzt und ihnen mit Hass und Ablehnung begegnet?
In den 1960er und 1970er Jahren gab es diese Super-Reichen nicht! Stattdessen gab es viel höhere Spitzensteuersätze. Und dennoch ging Deutschland nicht vor die Hunde. Ganz im Gegenteil! Die Löhne stiegen kräftig, wir hatten Vollbeschäftigung (reale Vollbeschäftigung, nicht diese Minijob-"Vollbeschäftigung"!) und das weltweit beste Sozialsystem (mit anderen).
Und heute? Die Binnennachfrage verkrüppelt, Deutschlands Wohlstand ist mehr denn je vom Export abhängig und die Menschen sparen bzw. haben nichts zum Ausgeben. Würden die Löhne endlich mal steigen und würde es eine Besteuerung der Super-Reichen geben, dann müsste man sich über die paar Flüchtlinge gar keine Sorgen machen. Dann gäbe es mehr Nachfrage (die es nur gibt, wenn die Menschen am Wohlstand und am Produktivitätszuwachs beteiligt werden - das ist empirisch bewiesen), mehr richtige Jobs und weniger Zukunftsängste.
Aber wenn man durch erzwungenen Lohnverzicht, gekürzte Sozialleistungen und mangelhafte Aufstiegschancen auf der letzten Stufe der sozialen Leiter steht, ja dort festgenagelt ist, dann gönnt man anderen auch nicht mehr. Dann entsteht Hass, wenn ein Flüchtling das selbe bekommt ohne in die Sozialkassen gezahlt zu haben. Das ist hässlich, aber irgendwie auch nur menschlich. (Und natürlich gibt man so etwas in Umfragen nicht gerne zu).
Heute wird man als linker Idealist verschrien, wenn man solche Zusammenhänge darlegt. Zu Zeiten Ludwig Erhardts war das gesunder Menschenverstand und in der Mitte des politischen Spektrums angesiedelt.