Ja und nein - teilweise spiegelt sich die Parteipolitik ja auch im Umgang mit persönlichen Verfehlungen wider. Mir persönlich ist tatsächlich ein liberaler Umgang innerhalb der Partei und mit abweichenden Meinungen wichtig. Aus diesem Grund sind die Grünen für mich, auch aufgrund der Baerbock-Affaire, unwählbar.
Und gerade deswegen finde ich, dass Armin Laschet ein besserer Kandidat ist als gedacht. Denn obwohl offensichtlich wird, dass er manche Äußerungen von beispielsweise Herrn Maaßen völlig missbilligt, billigt er diesem zu, dass diese legitim sind. Das ist ein guter, liberaler, fortschrittlicher und zukunftsweisender Umgang mit Personen innerhalb der eigenen Partei, die andere Meinungen vertreten. Zudem hat er - und das ist ein großer Fortschritt zu Merkel beispielsweise - auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen mit ins Team eingebunden und somit, ähnlich wie schon Abraham Lincoln damals, ein "Team of Rivals" mit starken, einander teils sehr widersprechenden Persönlichkeiten gebildet.
Das Gegenstück dazu bildet die populistische und autoritär-antiliberale Politik eines Markus Söders beispielsweise, welcher seinen eigenen Vize-Ministerpräsidenten vor laufender Kamera bloßzustellen versucht, weil sich dieser nicht impfen lassen möchte. Und die Antwort von Aiwanger ist genau richtig: Es ist seine persönliche Entscheidung und er sollte sich dafür vor niemandem rechtfertigen müssen. Ich lasse mich impfen, morgen ist mein erster Termin. Trotzdem kann es gute Argumente dagegegen geben, zum Beispiel, wenn man Impfungen generell skeptisch eingestellt ist oder aber Angst vor den Nebenwirkungen hat (normalerweise werden Impfstoffe länger getestet). Ein liberaler, freiheitlicher, fortschrittlicher Mensch kann dies akzeptieren - zumal diejenigen, die sich nicht impfen lassen, damit in erster Linie für sich selbst und ihre nächsten das größte Risiko eingehen.
Umgekehrt verhält es sich bei den Grünen: Während es ein Robert Habeck dabei belassen hat, Palmer die Gelder zu streichen und öffentlich zu widersprechen, hat sich Baerbock stärker gegen ihn gestellt. Palmer und Maaßen sind Demokraten und es ist unsere Pflicht als Demokraten, als Liberale und als Menschen, dafür zu sorgen, dass dies auch so bleibt. Dafür zu streiten, dass kontroverse Meinungen, die man in keinster Weise teilt und die selbst dann, wenn man meint, dass sie einen wahren Kern enthalten, noch immer stark überzogen sind, dennoch geäußert werden dürfen. Der Umgang mit dem Wahlergebnis bezüglich der Wahllisten im Saarland spricht Bände, ist in meinen Augen verfassungs- und staatsfeindlich und einer demokratischen Partei völlig unangemessen.
An dieser Stelle muss man auch einmal Janine Wissler und Susanne Henning-Wilsow ein Kompliment aussprechen. Denn obwohl sie viele Positionen vertreten, die ich persönlich für gefährlich halte und in keinster Weise teile, haben sie sich offen vor Sarah Wagenknecht gestellt und im Konflikt im Landesverband Saarland versucht zu vermitteln. Ähnlich wie Laschet bei der Union, versuchen sie dabei jedes wichtige Parteimitglied mit einzubinden und ähnlich wie er im Vergleich zu Merkel sind sie im Vergleich zu Kipping und Riexinger ein Fortschritt. Ihr Verhalten zeugt von einem liberalen und demokratischem Grundverständnis!
Oder anders ausgedrückt: Kann man eine Partei oder einen Spitzenkandidaten wählen, bei dem es zweifelhaft ist, dass dieser sich noch auf dem Boden der Verfassung bewegt? Der oder die antiliberal, vielleicht schon faschistisch agiert, in dem abweichende Meinungen diskrediert und mit faktischen (!) Verfehlungen und offensichtlichen Lügen gleichstellt oder im Vergleich zu anderen politisch zweifelhaften Äußerungen diese faktischen Fehltritte marginalisiert werden?
Nein, denn Demokratie lebt von unterschiedlichen, widerstreitenden Meinungen, vom Kampf der politischen Argumente, ohne dass man gleich das gegenüber als "böse" framt, ohne dass man dem anderen unterstellt blöd zu sein. Von daher gilt für mich - keine Stimme an NPD, AfD und Grüne. Keine Stimme den Feinden von meinem Europa, meiner Region Deutschland, der Freiheit, der Demokratie, dem liberalen Gedankengut, dem Anstand, unseren Werten und der Freiheit!
P.S.: Natürlich gibt es auch Grenzen: Thilo Sarazzin hat der SPD tatsächlich keine andere Wahl gelassen, als ihn auszuschließen. Die Ausnahme, nicht die Regel. In einem liberalen Europa/Deutschland, in einer Demokratie. Wir können unsere Zukunft nur miteinander, nicht gegeneinander gestalten.