Nach 99 Tagen in Freiheit

Hessenteufel

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Die beiden deutschen Geiseln kommen nach Hause. Jubel in Leipzig und in Berlin die Frage: Hat die Regierung Lösegeld gezahlt?



von Nikolaus Blome, Ansgar Graw, Sven Heitkamp www.welt.de



Am Ende ging es wie üblich ganz schnell. Nach den Monaten der Ungewißheit informierte der BND Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Nachmittag Berliner Zeit über die Wende in der Entführung der beiden deutschen Geiseln Thomas Nitzschke und René Bräunlich. Und nur eine Stunde später gab Steinmeier die gute Nachricht öffentlich bekannt: Die Geiseln sind frei, nach "qualvollen Wochen".



Von Santiago de Chile aus, gleich zu Beginn seiner mehrtägigen Südamerika-Reise, telefonierte der Minister mit den beiden Leipzigern, die sich zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Botschaft in Bagdad aufhielten, und mit dem besonders gelobten Botschafter Bernd Erbel. Es gehe den Freigelassenen den Umständen entsprechend gut. Schon heute, am frühen Nachmittag, sollen sie mit einem Flugzeug in die Heimat zurückkehren.



In Leipzig kannte der Jubel keine Grenzen. Einige pilgerten einige am Abend sofort zu einem Dankestreffen an der Nikolaikirche. Deren Pfarrer Christian Führer jubelte: "Das ist die beste Nachricht des Jahres." Der Geistliche sprach von einem großen Gefühl der Dankbarkeit. Auf einem Schild vor seinem Bauch stand: "Gott sei Dank". Über Wochen war um die Kirche herum mit Kerzen und Plakaten an die Entführten erinnert worden. Die Angehörigen und Freunde der beiden mußten dabei mit der Ungewißheit und sehr spärlichen Informationen leben. Auch aus dem Auswärtigen Amt in Berlin kam immer wieder nur die Nachricht: Nichts Neues.



Die beiden Ingenieure waren im Auftrag des sächsischen Unternehmens Cryotec Anlagenbau in das vom Krieg geschüttelte Land gereist. Sie sollten dort eine Stickstoffschutzgas-Anlage in einer Raffinerie aufbauen. Am 24. Januar waren sie auf dem Weg zur Arbeit verschleppt worden.



Der Krisenstab im Auswärtigen Amt hatte über die gesamte Zeit der Entführung die Hoffnung nicht aufgegeben: Bis zuletzt setzten die Experten darauf, daß es sich nicht um islamistisch inspirierte Entführer handele, die in erster Linie politisch motiviert seien. Daß Geiselnahmen im Irak ein florierendes Geschäft sind, ließ die Beamten unter der Führung des neuen Staatssekretärs Rainer Silberberg spekulieren, daß sie "rationalen" Argumenten zugänglich wären.



Allerdings hatten sich die Entführer in den Video-Botschaften mit islamistischen Transparenten gezeigt und es waren einschlägige Schriftzüge auf den Bildern zu sehen, die auf eine Gruppe namens Ansar Al-Tauhid Wa-Sunna schließen ließ. Ihre Forderungen reichten von der Freilassung bestimmter Gefangener aus irakischen Gefängnissen bis zum Abzug aller westlichen Truppen oder dem Abbruch der deutschen Beziehungen zum Irak und der dortigen Übergangsregierung. Die Bundesregierung lehnte jedes Mal ab.



Es dauerte Wochen bis das Außenamt einen ersten, mutmaßlich auch nur indirekten Kontakt zu den Entführern hergestellt hatte - und damit eine Möglichkeit, über Verhandlungen die Entführer zum Einlenken zu bewegen. Noch auf dem letzten Video Anfang April ließen die vermummten Gestalten ihre Geiseln um ihr Leben flehen: "Wir sind jetzt seit über 60 Tagen hier gefangen. Wir sind am Ende unserer Nerven", sagte Thomas Nitzschke in einer etwa zehn Sekunden dauernden Botschaft. "Bitte helfen Sie uns. Wir halten es nicht mehr länger aus." Sein Leidensgenosse kauert derweil stumm neben ihm; nur die Köpfe der beiden waren zu sehen.



Nach wie vor schweigt das Außenamt darüber, ob ein Lösegeld gezahlt wurde. Das gehört zur erklärten Politik Berlins, "auch in diesem Fall", wie Silberberg sagte. Bei ihrer ersten Rede als Bundeskanzlerin hatte Angela Merkel erklärt, "Deutschland läßt sich nicht erpressen." Allerdings wurde in informierten Kreisen in der Vergangenheit bei ähnlichen Fällen kolportiert, daß mindestens auf Umwegen Geld geflossen sei - so bei der Entführung der Archäologin Susanne Osthoff, ebenfalls im Irak. Im Fall der beiden Leipziger wurde gemutmaßt, daß Bräunlich und Nitzschke im Laufe ihrer Gefangenschaft "weiterverkauft" worden seien. Zwischenzeitlich war auch die Rede von einer Lösegeldforderung über 12 Millionen Euro.



Erkennbar haben unter anderem die Amerikaner intensiv bei der Suche nach den Deutschen geholfen. Steinmeier bedankte sich denn gestern auch "bei unseren amerikanischen, europäischen und regionalen Partnern" und ebenso "beim Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt". Vor allem die deutschen Geheimdienste haben traditionell gute Kontakte in den arabischen Raum. Steinmeier erinnerte aber auch an jene, die im Irak noch immer in Geiselhaft seien. Steinmeier: "Wir fordern ihre Entführer auf, sie schnellstmöglich und unversehrt freizulassen."



Artikel erschienen am Mi, 3. Mai 2006
 
Ich freue mich auch für die beiden Betroffenen und ihre Angehörigen! Hoffentlich haben das alle ohne Schäden überstanden. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Geschichte alle Betroffenen über Jahre hinweg verfolgt...
 
Hoffentlich fühlen sich jetzt nicht so ein paar Idioten animiert, einen Abenteuerurlaub im Irak zu veranstalten.
 
Hoffentlich fühlen sich jetzt nicht so ein paar Idioten animiert, einen Abenteuerurlaub im Irak zu veranstalten.




Idioten sterben niemals aus! Ich finde es persönlich schon zu abenteuerlich, überhaupt in irgendein moslemisches Land zu fahren. Ich will beileibe nicht diese ganze Religion verteufeln, aber Fanatiker sind einfach nicht berechenbar - total irrational halt.



Und leider muss ich in diesem Zusammenhang immer wieder an dieses bestialische Enthauptungsvideo denken, das ich - Gott sei dank - nie bis zum Schluss gesehen habe. Ich könnte das überhaupt nicht ertragen.
 
Idioten sterben niemals aus! Ich finde es persönlich schon zu abenteuerlich, überhaupt in irgendein moslemisches Land zu fahren.


Berlin-Kreuzberg find ich aber klasse.
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echt schön, dass se frei sind.

da hat ja echt halb deutschland gezittert!
 
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