Der ewig Lernende
Lesetipp: Ronald Reng legt mit „Miro“ eine sehr gut geschriebene, glänzend recherchierte Biografie über Miroslav Klose vor. Der 49-jährige Autor lüftet darin auch das Erfolgsgeheimnis des früheren Stürmers des 1. FC Kaiserslautern und des mit 16 Treffern bislang erfolgreichsten WM-Torschützen.
Von Udo Schöpfer
Wie war das denn möglich? Innerhalb von rund 18 Monaten stieg Miroslav Klose vom Bezirksliga-Stürmer zum Nationalspieler auf – und wurde schließlich sogar der bislang erfolgreichste Torschütze bei Weltmeisterschaften. Ronald Reng, einer der profiliertesten deutschen Sport-Journalisten, hat Kloses Weg von Blaubach-Diedelkopf in die weite Welt auf fabelhafte Weise nachgezeichnet.
„Und wer sind Sie?“
So begrüßte der (schräge) Trainer des FC Bayern München, Louis van Gaal, seinen Angestellten Miroslav Klose am ersten Arbeitstag. Wir befinden uns im Jahr 2009, Klose war schon zwei Jahre in München, drei Jahre zuvor wurde er mit der deutschen Nationalmannschaft WM-Dritter. Und wer ist Miro Klose ...?
Eine witzige, ja: absurde Begebenheit, wie es viele gibt in diesem exzellenten, außerordentlichen Buch von Ronald Reng. Der gebürtige Frankfurter hat sich vor allem einen Namen durch seine Biografie über den verstorbenen Torhüter Robert Enke gemacht, auch die Chronik der Bundesliga hat er anhand des Trainers Heinz Höher originell nachgezeichnet. Rengs Rückschau ist glänzend recherchiert, Reng hat 180 Stunden Tonmaterial aufgezeichnet – und abgehört! Ein wichtiger Gesprächspartner war ihm RHEINPFALZ-Sportchef Horst Konzok, der ab dem ersten Tag Kloses Weg verfolgte und begleitete.
Ja, wie war dieser Weg Kloses möglich? Wie war es möglich, dass ein Jungspund, der bei einer Sichtung in Edenkoben sofort durchfällt, eine derartige Weltkarriere hinlegt? Das hat auch Ronald Reng interessiert, und der Autor findet die Antworten. Den heute 41-Jährigen zeichnete – zusätzlich zu seiner Schnelligkeit, seiner Kopfballstärke und seinem Antizipationsvermögen – ein nie versiegender Lernwille aus. Er hat immer geschaut, wie die anderen dies und das machen. Und der Weltmeister von Rio de Janeiro blieb stets bescheiden, er blieb immer geerdet, mit einer Portion Selbstironie, demütig, er hat auch ganz spät noch in der Kabine separate Wäschehäufchen aufgebaut, damit es der Zeugwart leichter hat. Bester WM-Torschütze – Reng spiegelt Kloses Karriere an der des Brasilianers Ronaldo, dem er den Rekord abnahm.
Und bitte nicht auf die Idee kommen, es sei alles rund gelaufen in der Karriere des Torjägers. Am Ende seiner Zeit beim FC Bayern war er nur ein Schatten seiner selbst, Louis van Gaal sah in Klose einen „Zehner“, aber das war natürlich nicht das, was er zu spielen imstande war, wie Klose selbstkritisch erkannte. Das Selbstvertrauen ging flöten, Klose verließ die Bayern und wechselte zu Lazio Rom. Apropos Bayern: Die Passagen, in denen Reng Kloses Sturmpartner und Freund (!) Luca Toni charakterisiert, gehören zu den lustigsten des Buches. Was für ein Vogel.
Auch der Beginn bei Werder Bremen, die erste Station nach dem 1. FC Kaiserslautern, war schwierig. Klose ersetzte Ailton, der damals voreilig beim FC Schalke 04 unterschrieb. Klose brauchte Zeit, um sich vom FCK-Fußball auf das Spiel Thomas Schaafs umzustellen. Der Abschied von Werder verlief unglücklich. Klose und sein Berater Alex Schütt gingen von einer Tiefgarage aus in ein Hotel zum Verhandlungsgespräch mit Uli Hoeneß, um bloß nicht aufzufallen, aber die Überwachungskamera hielt die Besucher fest, die Bilder wurden den Medien zugespielt. Die Fans waren sauer.
„Miro“ ist kein reines Fußball-Buch. Gerade im ersten Teil ist es – hochaktuell – auch ein Lehrstück zum Thema Integration und Herkunft, da geht es um die Flucht der Familie Klose aus dem polnischen Oppeln in die Westpfalz. Die Eltern, Josef Klose, einst selbst Fußball-Profi und Barbara Klose, polnische Handball-Nationalspielerin, fuhren mit den Kindern, mit Miroslav und Macena, Miroslavs drei Jahre älterer Schwester, nach Blaubach. Die enge Beziehung zu den Eltern blieb, sie waren kluge Ratgeber.
Der Start in der Pfalz war kompliziert, Miroslav sprach kein Deutsch, kam deshalb in der Schule nicht mit. Er fand Anschluss, als er beim Kicken vom Zuschauer zum Mitspieler befördert wurde. Zimmermann ist er von Beruf, er wollte seinen Meister machen. Doch es kam anders, auch wenn Atze Friedrich, der damalige FCK-Boss, ihm im ersten Anlauf keinen Profivertrag gab, um das Gehalt feilschte. Kurze Zeit später konnte Friedrich nicht mehr anders. Miroslav Klose hatte gewichtige Argumente ...
Für alle Romantiker: Nach der Lektüre von „Miro“ ist klar, warum eine Rückkehr Kloses zum FCK am Ende seiner Laufbahn kein Thema mehr war. Klose war einfach zu groß geworden für den Verein – und so rosarot waren die Jahre auf und um den Betzenberg dann auch nicht.
Lesezeichen
- Ronald Reng: „Miro“; Die offizielle Biografie von Miroslav Klose; Piper; 448 Seiten, 22 Euro.
Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 243 Samstag, den 19. Oktober 2019