Der Dribbelkönig war ein stiller Star
Fussball: FCK-Idol „Seppl" Pirrung ist gestorben - Der große Kämpfer verliert seinen schwersten Kampf
Von Wolfgang Kreilinger
Kaiserslautern. Links antäuschen, rechts den Ball mit dem Außenrist vorbeilegen. Und wehe, wenn der Gegenspieler den wieselflinken Lockenkopf über die Klinge springen ließ. Dann kochte der Betzenberg. Josef „Seppl" Pirrung, der am Freitag mit 61 Jahren gestorben ist, war der Liebling der Anhänger.
Ein Rummel, den er nicht mochte. Und deshalb passt es zu dem FCK-Idol, dass es sein letzter Wunsch war, im engsten Familienkreis beerdigt zu werden.
Solange es seine Krebskrankheit zuließ, saß er täglich in einem Café gegenüber seiner Wohnung in der Kaiserslauterer Innenstadt, studierte die Sportteile der Zeitungen und diskutierte mit Freunden über Fußball und Tennis, seine zweite große Leidenschaft. Die Krankheit war kein Tabu-Thema. „Ich kämpfe, wie ich immer gekämpft habe", pflegte Pirrung zu sagen.
Mit 17 bricht sich der Jugend-Nationalspieler des FC Münchweiler (an der Rodalb) bei einem Uefa-Turnier im türkischen Bursa das Bein und bekommt im Krankenhaus einen Gips. Die Ärzte verstehen den jungen Mann nicht, der fühlt, dass etwas nicht stimmt. Erst Auswahltrainer Udo Lattek und Masseur Adolf Katzenmeier schlagen Alarm und verhindern damit die Amputation. Doch die Leidensgeschichte geht weiter. Beim ersten Spielversuch brechen Schien- und Wadenbein erneut. Wieder einige Monate später ist es „nur" das Schienbein.
Eigentlich das Karriereende. Doch der nur 1,67 Meter große Dribbelkönig beißt sich durch, bekommt unter Trainer Gyula Lorant den ersehnten Profivertrag und schießt bis 1981 in 305 Bundesligaspielen 61 Tore. Er ist der erste FCK-Spieler der Nach-Fritz-Walter-Ära, der in die Nationalmannschaft berufen wird. Es bleibt bei nur zwei Länderspielen und einem Platz im 40er-Kader für die WM 1974, weil auf Rechtsaußen Jürgen Grabowski und Uli Hoeneß gesetzt sind. Angebote von Bayern München und Eintracht Frankfurt lehnt Pirrung ab und ist umso perplexer, als er mit 30 Jahren unter Trainer „Kalli" Feldkamp nur noch eine Reservistenrolle einnimmt. Pirrung bricht sich 1981 den Knöchel. Er bekommt keinen Vertrag mehr, wechselt zum Zweitligisten Wormatia Worms, wo er noch eine Saison spielt, ehe die Karriere als Amateur beim VfL Neustadt ausklingt.
Das rechte Bein ist seit den Brüchen drei Zentimeter kürzer, was ihm den Alltag nach der Karriere nicht leichter macht. Pirrung beißt sich wieder durch, spielt Tennis, bewandert die Alpen und arbeitet als Sportartikelverkäufer. Den Betzenberg meidet er, weil er sich bei seinem Abgang um einen versprochenen Anteil an der Ablösesumme hintergangen fühlt. Ende der Neunziger überreden ihn die Freunde, seinen Frieden zu schließen. Pirrung schaut wieder Spiele auf „seinem" Berg - zuletzt das 2:0 gegen Bayern München. Er wusste, dass er wohl zum letzten Mal die Atmosphäre, für die er immer gekämpft hatte, genießen sollte.
Quelle:
Verlag: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Weinstraße
Ausgabe: Nr.37
Datum: Montag, den 14. Februar 2011