Stadtrat zieht zurück
Sollte Deutschland den Zuschlag der UEFA für eine Fußball-Europameisterschaft 2024 erhalten, wird sie definitiv ohne Kaiserslautern als Austragungsort über die Bühne gehen. Der Stadtrat nahm gestern die Bewerbung der Stadt zurück.
VON HANS-JOACHIM REDZIMSKI
Der Stadtrat hat gestern Nachmittag gegen die Stimmen der CDU die Entscheidung getroffen, die Bewerbung der Stadt als Austragungsort einer möglicherweise 2024 in Deutschland stattfindenden Fußball-Europameisterschaft beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zurückzunehmen.Unter Vorbehalt der Zustimmung des Stadtrats hatten die Fritz-Walter-Stadion-Gesellschaft und die Stadt im Februar gegenüber dem DFB ihr Interesse bekundet, Spielort der Titelkämpfe in sieben Jahren zu werden, sollte die UEFA die Euro im kommenden Jahr nach Deutschland vergeben.
Die Mehrheit des Stadtrats schloss sich gestern der Meinung von Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) an, der aus finanziellen Gründen dem Stadtrat empfohlen hatte, die Bewerbung wieder zurückzunehmen.
Weichel erklärte in der Sitzung des Stadtrats, es sei schier unmöglich, eine belastbare Kostenprognose für Kaiserslautern als Austragungsort der Europameisterschaft zu geben. Das Ausmaß der Kosten hänge von den Anforderungen der UEFA an einen Spielort ab. Der Stadtrat würde, wenn er an der Bewerbung festhalten würde, eine Entscheidung in eine Unwägbarkeit hinein fällen.
In der Summe schätzte Weichel die Kosten, die an der Stadt hängen bleiben würden, in der Größenordnung von sechs, sieben, acht Millionen Euro für Organisation und Rahmenveranstaltungen. Er betonte, dass nach derzeitigem Stand keine Sanierungskosten im Fritz-Walter-Stadion anfallen würden. Wie das dann im Jahr 2024 aussehe, stehe indes in den Sternen.
Wegen finanzieller Unterstützung der Stadt bei einer EM-Bewerbung habe er mit einem Minister der Landesregierung gesprochen. Danach sei eine anteilige Förderung der Kosten der Stadt durch das Land denkbar, der überwiegende Teil werde aber an der Stadt hängen bleiben.
Weichel erklärte, er könne dem Stadtrat angesichts der derzeitigen finanziellen Situation der Stadt eine Bewerbung als Austragungsort einer Fußball-EM nicht empfehlen. Er betonte die Verantwortung des Stadtrats für das Gemeinwohl. Mit einer Bewerbung ginge die Stadt in ein unwägbares Vabanquespiel.
Auf heftige Kritik stieß die Empfehlung des Oberbürgermeisters auf Seiten der CDU-Fraktion. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Manfred Schulz erklärte, damit ginge die Fußball-EM an Kaiserslautern und dem Südwesten Deutschlands vorbei. Und das, obwohl die Stadt mit der Fußball-WM 2006 sehr gute Erfahrungen gemacht und bewiesen habe, dass sie in der Lage sei, solche Großereignisse zu stemmen.
Schulz nannte die Kosten, die Weichel als Austragungsort einer Fußball-Europameisterschaft ins Feld geführt habe, im Hinblick auf die vielen Vorteile, die eine EM der Stadt Kaiserslautern bringen würde, als verantwortbar.
Er kritisierte, dass die Chancen und Nutzen, die eine Fußball-EM Kaiserslautern bringen würden, komplett ausgeblendet würden. Er erinnerte an die nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur, die die WM 2006 Kaiserslautern beschert habe. Ein Verzicht auf eine EM-Bewerbung sei damit auch eine vertane Chance, um Fördermittel nach Kaiserslautern zu bringen.
Schulz warf Weichel vor, es versäumt zu haben, spätestens mit der ersten Interessensbekundung der Stadt beim DFB im Dezember vergangenen Jahres das Land ins Boot zu holen und auf höchster politischer Ebene um Unterstützung zu werben.
Alle anderen Fraktionen des Stadtrats, SPD, Grüne, FWG, Linke und FDP, stellten sich hinter die Empfehlung des Oberbürgermeisters. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Rahm erklärte, selbst wenn der Zuschussbedarf nur drei Millionen Euro betragen würde, sei es für die Stadt zu viel. Natürlich wäre es schön, eine solche EM nach Kaiserslautern zu holen, gerne erinnere man sich an das Sommermärchen 2006 in Kaiserslautern, gleichwohl die Stadt könne sie sich nicht leisten.
Ganz entschieden wandte sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Werner Kuhn gegen eine EM-Bewerbung. Er ging von Kosten zwischen fünf und zehn Millionen Euro aus, die an der Stadt hängen bleiben könnten. „Das geht so nicht“, betonte er. Die Stadt werde bei den freiwilligen Leistungen gedeckelt, die Stadt gehe finanziell auf dem Zahnfleisch. Es gehe nicht an, Profisport zu subventionieren, während die Amateure kurz gehalten würden.
Franz Schermer, SPD-Ratsmitglied und Mitglied im Aufsichtsrat der Fritz-Walter-Stadiongesellschaft, verknüpfte die heutige finanzielle Situation des 1. FC Kaiserslautern mit einem übergroßen Ausbau des Fritz-Walter-Stadions zur Fußball-WM 2006. Der Stadionausbau sei ein Harakirispiel gewesen. Er erklärte, der FCK würde in keiner Weise von einer EM in Kaiserslautern profitieren. Das Stadion würde damit wertvoller, dies würde sich in der Stadionmiete widerspiegeln.
EINWURF
Kurzsichtige Entscheidung
VON HANS-JOACHIM REDZIMSKI
Egal ob Kaiserslautern überhaupt zum Kreis der zehn Städte gehört hätte, mit denen der DFB in die Bewerbung um die Euro 2024 geht - mit seiner Rücknahme der Bewerbung für die EM hat der Stadtrat gestern eine kurzsichtige Entscheidung getroffen.
Die überwiegende Mehrheit des Stadtrats ließ sich leiten von den mehr als grob geschätzten Kosten, die an der Stadt als Austragungsort der Fußball-EM hängen bleiben würden. Sie hatte kein Auge dafür, welche Chance, welcher Nutzen von einer EM in Kaiserslautern ausgehen könnte. Von Image bis zu Investitionen in die Infrastruktur der Stadt.
Die Ratsmehrheit hat auch nicht gesehen, dass das Vorhandensein einer WM-tauglichen Arena auf dem Betzenberg für eine Stadt wie Kaiserslautern geradezu eine Pflicht zu einer EM-Bewerbung darstellt.
Der Stadtrat hat der nächsten Politiker-Generation keine Kosten aufbürden wollen. Er hat ihr aber auch die Chance genommen, für ihre Bürger womöglich eine EM gestalten zu können und daraus Honig zu saugen.
Auch Kaiserslautern verzichtet auf EM
Eine Fußball-Europameisterschaft 2024, sollte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Zuschlag der Uefa im kommenden Jahr dafür bekommen, wird definitiv ohne Kaiserslautern als Austragungsort stattfinden.
Der Stadtrat von Kaiserslautern nahm gestern mit großer Mehrheit, gegen die Stimmen der CDU-Opposition, eine beim DFB im Februar abgegebene Interessensbekundung der Stadt und der Fritz-Walter-Stadiongesellschaft zurück. Sie war unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Stadtrats fristgerecht eingereicht worden.Damit wird der Kreis der Städte wieder ein Stück kleiner, die sich beim DFB als Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft bemühen. Nach Freiburg und Karlsruhe verzichtet auch Kaiserslautern auf eine EM-Bewerbung. Der DFB wählt im September dieses Jahres zehn Städte aus, in denen 2024 gespielt werden soll. Einziger Konkurrent von Deutschland bei der Bewerbung um die Euro ist die Türkei.
Der Stadtrat von Kaiserslautern folgte mit der Rücknahme der Bewerbung der Empfehlung von Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD). Weichel hatte zu hohe Kosten ins Feld geführt, die an der Stadt hängenbleiben würden, sollte sie nach der Weltmeisterschaft 2006 ein zweites Mal Teil eines internationalen Fußballturniers werden.
Weichel sprach gestern im Stadtrat von Kosten in der Größenordnung von sechs, sieben oder acht Millionen Euro für die Organisation und Rahmenveranstaltungen, die die Stadt stemmen müsste. Grundsätzlich sagte Weichel, es sei schier unmöglich, eine belastbare Kostenprognose abzugeben. Das Ausmaß der Kosten hänge von den Anforderungen der Uefa ab. Weichel betonte, dass nach derzeitigem Stand keine Sanierungskosten im Fritz-Walter-Stadion anfallen würden.
Die CDU-Opposition kritisierte, dass Chancen und Nutzen, die eine EM in Kaiserslautern bringen würden, komplett ausgeblendet würden. Sie verwies auf die verbesserte Infrastruktur in Kaiserslautern durch die WM 2006. rdz
Quelle
Die Rheinpfalz - Pfälzische Volkszeitung - Nr. 113
Datum Dienstag, den 16. Mai 2017