Bundesgerichtshof zur Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 092/2015 vom 11.06.2015 - Auszug -
Bundesgerichtshof zur Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse
Urteile vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute drei Urteile des Oberlandesgerichts Köln bestätigt, mit denen Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des Vorwurfs des Filesharing zugesprochen worden sind.
  
Verkürzter Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind vier führende deutsche Tonträgerherstellerinnen. Nach den Recherchen des von ihnen beauftragten Softwareunternehmens proMedia wurden am 19. Juni 2007, am 19. August 2007 und am 17. Dezember 2007 über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen verfügbar gemacht. In den daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden die drei vor dem Oberlandesgericht in Anspruch genommenen Beklagten als Inhaber der den jeweiligen IP-Adressen zugewiesenen Internetanschlüsse benannt. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer Tonträgerherstellerrechte und ließen die Beklagten durch Anwaltsschreiben abmahnen. Sie nehmen die Beklagten in verschiedenen Verfahren jeweils auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
 
Zur Anschlußinhaberhaftung:
 
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte ist und keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, die diese Indizwirkung für die jeweils streitbefangenen Musiktitel entkräften.
Das Berufungsgericht ist außerdem zutreffend davon ausgegangen, aufgrund der von den Klägerinnen bewiesenen Richtigkeit der Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders stehe fest, dass die Musiktitel über die den Beklagten als Anschlussinhabern zugeordneten Internetanschlüsse zum Herunterladen bereitgehalten worden sind. Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders auch Fehler vorkommen können, spricht nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reicht – wie in dem zum Geschäftszeichen I ZR 19/14 geführten Rechtsstreit eingewandt - insoweit nicht.
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14 ist das Vorbringen des Beklagten, er und seine Familie seien bereits am 18. Juni 2007 in den Urlaub gefahren und hätten vor Urlaubsantritt sämtliche technischen Geräte, insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung der beiden Söhne des Beklagten und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der Beklagte ist für die Verletzungshandlung auch als Täter verantwortlich. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Beklagte habe nicht dargelegt, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Damit greift die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein.
In dem Verfahren I ZR 7/14 hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen hat. Hierbei hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht nur auf das im polizeilichen Vernehmungsprotokoll dokumentierte Geständnis der Tochter gestützt, sondern zudem berücksichtigt, dass das Landgericht die Tochter auch selbst als Zeugin vernommen und diese dabei nach ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ihr polizeiliches Geständnis bestätigt hat. Die Beklagte ist für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB verantwortlich. Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus). Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus.
 
 Zur Schadenshöhe und Berechnung des Schadensersatzes: 
Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von einem Betrag von 200 € für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel ausgegangen. Das Berufungsgericht hat schließlich mit Recht auch einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten angenommen und dessen Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet.
Die vorhergehenden Verfahren und Aktenzeichen:
 
Vorinstanzen:
Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14 - Tauschbörse I
LG Köln – Urteil vom 31. Oktober 2012 – 28 O 306/11 (ZUM-RD 2013, 74)
OLG Köln – Urteil vom 20. Dezember 2013 – 6 U 205/12 (ZUM-RD 2014, 495)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14 - Tauschbörse II
LG Köln – Urteil vom 2. Mai 2013 – 14 O 277/12
OLG Köln – Urteil vom 6. Dezember 2013 - 6 U 96/13 (juris)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 - Tauschbörse III
LG Köln – Urteil vom 24. Oktober 2012 – 28 O 391/11
OLG Köln – Urteil vom 14. März 2014 – 6 U 210/12 (juris)
Karlsruhe, den 11. Juni 2015
 
Am besten lässt man sich von allen Familienmitgliedern schriftlich bestätigen, dass sie belehrt wurden.
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Ich war morgens in der Verhandlung und hab die Sache auch vorher aus beruflichen Gründen mitverfolgt. Meines Erachtens hat sich schon in der Verhandlung abgezeichnet, dass die drei Revisionen zurückgewiesen werden.
Die Mutter hat ihrer Tochter laut Zeugenaussage nur gesagt, "Sie solle sich im Internet anständig verhalten." Das hat den Gerichten nunmal nicht gereicht. Das hätte konkreter sein müssen (fand ich jetzt an sich aber nicht überraschend, in den unteren Gerichten war das ständige Rechtsprechung).
 
Ich finde es unverhältnismäßig, dass eine Strafe von 200€ pro heruntergeladenem Song verlangt wird.  Da kann man inkl. Anwaltskosten mit 5000€ rechnen! 
Es wundert mich auch nicht, dass Bands immer weniger mit Labels zusammen machen wollen. Wirklich etwas von dem Geld sehen die Künstler nicht. Nine Inch Nails ist hier wohl das beste Beispiel. 
 
 
 
Kann ich ein Lied von singen (im wahrsten Sinne des Wortes). Als kleine Band muss man an die Labels sogar noch bezahlen...
 
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