Schockstarre statt großer Meisterparty
Adler Mannheim vergeben nach 5:2-Führung ersten Finalmatchball - Eisbären imponieren bei 6:5-Verlängerungssieg
Schockstarre in der Mannheimer SAP-Arena: Die Adler Mannheim gaben gestern Abend eine 5:2-Führung noch her, verloren eines der hochklassigsten Spiele in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga überhaupt gegen die beängstigend starken Eisbären Berlin noch 5:6 (2:1, 1:1, 2:3; 0:1) nach Verlängerung. Jetzt gibt es ein Endspiel im Finale um die deutsche Meisterschaft - morgen, 19.35 Uhr, in Berlin.
„Dieses Spiel ist schwer zu erklären”, befand Eisbären-Trainer Don Jackson und ergänzte: „Ich bin einfach nur stolz und froh.” Darf er sein, denn eine solche Aufholjagd in einem Finale ist schon verrückt. „Ich bin dankbar, dass ich ein solches Spiel mitmachen durfte”, schwärmte Eisbären-Urgestein Sven Felski. „Wir ärgern uns gewaltig, aber wir sind ja nicht ausgeschieden”, betonte Adler-Coach Harold Kreis - äußerlich gefasst, aber spürbar aufgewühlt.
Die unglaubliche Geschichte dieses denkwürdigen Spiels: Mit einem fantastischen Solo à la Owetschkin, allerdings auch kaum bedrängt, bescherte Christoph Ullmann den ohnehin schon euphorisierten Fans nach nur 42 Sekunden das 1:0. Die Folge waren erstmal wütende Eisbären, die nach einem Goc-Fehler durch James Sharrow das zu diesem Zeitpunkt verdiente 1:1 erzielten. Doch dann legte Adam Mitchell mit ganz viel Geschick und mindestens ebenso viel Glück das 2:1 nach, als er den von Lee geschossenen Puck abfälschte.
Die Berliner Strafzeit, die der Überzahlsituation zum 3:1 vorausging, war unberechtigt. Jedenfalls hatten die Adler hier doppelt Glück, Ullmanns Querpass wurde von Sharrow ins Tor abgefälscht. Gleichwie: Es war Ullmanns zehnter Play-off-Saisontreffer, sein 25. insgesamt. Und zuvor hatte Ken Magowan nur die Unterkante der Latte getroffen (25.).
Doch es blieb hochspannend, da Mads Christensen Adler-Goalie Brathwaite in einer Drangphase kurz vor der zweiten Pause mit einem Schlenzer überwand. Eine überstandene Überzahl zu Beginn des letzten Drittels und das von Ken Magowan per Konter technisch großartig erzielte 4:2 schienen die Schlüssel zum Sieg zu sein. Wobei Sharrow nach Brathwaite-Fehler Craig MacDonalds 5:2 postwendend konterte - vielleicht der Knackpunkt - und Tallackson in Überzahl sogar auf 4:5 verkürzte. Berlin drückte jetzt gnadenlos, die Adler bekamen die Scheibe nicht mehr aus ihrem Drittel, und Tyson Mulock glich tatsächlich aus (54.). Die Auszeit, die Harold Kreis danach nahm, kam zu spät, wenngleich er das hinterher nicht so sah - mit der Verlängerung waren seine Jungs jedenfalls gut bedient. Der Meister verdiente sich mit einem Gewaltakt nach einer langen Saison allerhöchsten Respekt, bestraften jeden Fehler. „Wer jetzt im Finale keine Kraft mehr hat, der ist fehl am Platz”, stellte Stürmer Florian Busch klar.
Der Adler-Akku war gestern definitiv leer - in den Beinen und im Kopf. Nach dreieinhalb Minuten der Verlängerung buchte Travis James Mulock mit dem 6:5 quasi die Finalkarten für 14.200 Zuschauer morgen in Berlin. Harold Kreis versicherte: „Ich werde nicht zulassen, dass jetzt einer der Jungs den Kopf zu lange hängen lässt. Wir haben es weiter selbst in der Hand.”
So spielten sie
Adler Mannheim: Brathwaite - Sifers, Belle; Lee, Wagner; Reul, Goc; Kettemer - Glumac, MacDonald, Kink; Mitchell, Ullmann, Magowan; Mauer, Lehoux, Arendt; Plachta, El-Sayed, Seidenberg
Tore: 1:0 Ullmann 0.42, 1:1 Sharrow (Regehr) 6.53, 2:1 Mitchell (Lee) 11.03, 3:1 Ullmann (Lehoux) 31.26, 3:2 Christensen (Talbot) 38.33, 4:2 Magowan 43.20, 5:2 MacDonald (Glumac) 45.51, 5:3 Sharrow 46.01, 5:4 Tallackson (Olver) 47.59, 5:5 Tyson Mulock (Laurin Braun) 53.03, 5:6 TJ Mulock 63.26 - Strafminuten: 8 - 6 - Beste Spieler: Wagner, Belle, Magowan, Arendt - Sharrow, Olver, Talbot, Tyson Mulock - Zuschauer: 13.600 (ausverkauft) - Schiedsrichter: Brüggemann (Iserlohn)/Piechaczek (Finning).
„Müssen kurz Wunden lecken”
Die Adler Mannheim haben den Kampf um die deutsche Eishockey-Meisterschaft noch nicht verloren, aber die Stimmung nach der 5:6-Niederlage gegen Berlin war ganz unten. Es gab eine Frage, die sich alle Beteiligten im Anschluss an das vierte Finalspiel stellten: Was war nach der 5:2-Führung der Adler geschehen? Vier Versuche, eine Antwort darauf zu finden.
Yanick Lehoux (Stürmer): „Berlin hat einfach gut gespielt. Wir haben Millionen Mal gesagt, dass sie ein gutes Team haben. Nach dem 5:2 haben wir ein wenig die Türe geöffnet und das hat ihnen neues Leben eingehaucht. Vielleicht haben wir uns zu früh zurückgelehnt, jedenfalls war das nicht unser Stil, den wir im dritten Drittel spielen wollten. Ich könnte jetzt alles Mögliche sagen, aber unterm Strich ist es ganz einfach: Wir müssen am Dienstag ein Eishockey-Spiel gewinnen.”
Yannic Seidenberg (Stürmer): „Der 5:3-Anschlusstreffer hat Berlin Schwung geben und dann haben sie das 5:4 in Überzahl geschossen. Selbst dann lagen wir aber noch in Führung. Wir waren auch nach dem dritten Drittel noch zuversichtlich, dass wir gewinnen würden. Ich glaube nicht, dass wir gedanklich schon beim Feiern waren, dafür sind wir Profi genug. Wir waren die ganze Saison mental stark und werden das auch im letzten Spiel in Berlin sein.”
Teal Fowler (Manager): „Dieses Spiel war das schwerste, das ich bislang erlebt habe - egal ob als Spieler, Trainer oder Manager. Wenn man sich den Spielverlauf anschaut, muss man feststellen, dass Berlin von Anfang an viel Druck gemacht hat. Sie haben gezeigt, warum sie in den letzten Jahren Meister geworden sind. Wir haben individuelle Fehler gemacht, und die wurden ausgenutzt. Natürlich ist die Stimmung nicht gut, aber man muss den Spielern jetzt etwas Zeit geben. In Berlin gilt es dann, aggressiver zu spielen. Jeder muss ein bisschen mehr geben.”
Ronny Arendt (Stürmer): „Jetzt müssen wir kurz die Wunden lecken und dann wieder Vollgas geben. Egal wie, wir dürfen eine 5:2-Führung nicht aus der Hand geben. Vor der Verlängerung haben wir uns alle noch einmal zusammengerauft, denn wir wollten das Ding als Mannschaft an uns reißen. Das ist uns in diesem Spiel nicht gelungen.”
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau