Die Foulspiele von Rossipal, Höger, Seegert, Saghiri, Klingenburg, Tomiak, Pfanne und Bakalorz, die Platzverweise gegen Redondo, Senger und Boyd, die nicht gegebenen Elfmeter für Kaiserslautern, Köln und Wiesbaden und das 3:1 für Verl. Am 8. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati...
www.liga3-online.de
Szene 1: In einem Zweikampf mit Jean Zimmer (Kaiserslautern) setzt Alexander Rossipal (Mannheim) den Ellenbogen ein und trifft seinen Gegenspieler im Gesicht. Schiedsrichter Florian Heft belässt es bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 20:55]
Babak Rafati: Bereits in der dritten Spielminute kommt es im Mittelfeld zu einem Zweikampf zwischen Zimmer und Rossipal. Beide springen zum Kopfball hoch, hierbei spielt Rossipal den Ball und trifft zugleich Gegenspieler Zimmer mit dem Arm ins Gesicht. Das ist ein Foulspiel, allerdings ist die Attacke im Kampf um den Ball. Zudem wird der Arm nicht aktiv eingesetzt, um den Gegner abzuhalten (was die gelbe Karte nach sich ziehen würde), oder aber auch dem Gegner einen Schlag zu verpassen, was die rote Karte zur Folge hätte. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, keine Karte zu zeigen. Es ist angemessen, lediglich eine Ermahnung auszusprechen.
Szene 2: Einen Konter des FCK unterbindet Marco Höger (Mannheim) durch ein Foulspiel im Mittelfeld gegen Jean Zimmer (Kaiserlautern), sieht aber keine Karte. [TV-Bilder – ab Minute 31:50]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion grätscht Höger von hinten, trifft Zimmer dabei in die Beine und bringt ihn zu Fall. Das ist eine rücksichtslose Aktion, die zwingend eine gelbe Karte nach sich ziehen muss. Der Schiedsrichter kann aus einer guten Position die Attacke sehr gut sehen. Dass er Höger, den er bereits circa sieben Minuten zuvor schon einmal ermahnt hatte, erneut ermahnt, ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Das spüren natürlich auch die Spieler und Zuschauer, was Hektik und Unverständnis auslöst. Vermutlich hat er diesen Vorgang einfach nicht mehr auf dem Schirm. Dennoch ist die Aktion – selbst ohne eine vorherige Ermahnung – eine klare gelbe Karte, zumal der Zeitpunkt ideal gewesen wäre, um ein Zeichen für den weiteren Spielverlauf zu setzen. Eine Fehlentscheidung, keine Karte zu zeigen. Eine weitere Erklärung neben "nicht mehr auf dem Schirm gehabt" wäre, dass sich der Schiedsrichter ein Matchplan zurecht gelegt haben könnte, bei dem er nicht zu früh mit Karten hantieren und sich diese Option für das Spielende aufheben wollte. Wenn aber bereits nach 14 Minuten eine dritte Rudelbildung entsteht, sollten bei einem Schiedsrichter die Alarmglocken angehen. Handlungsbedarf durch Zeigen der gelben Karte wäre in dieser Situation unbedingt angesagt gewesen.
Szene 3: Marcel Seegert (Mannheim) nimmt in einen Zweikampf gegen Kenny Prince Redondo (Kaiserslautern) den Fuß hoch und trifft seinen Gegenspieler am Gesicht. Der Schiedsrichter belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]
Babak Rafati: Etwa 25 Meter vor dem Strafraum von Mannheim wollen Seegert und Redondo zum Ball. Dabei nimmt Seegert den Fuß sehr weit hoch und spielt zwar den Ball, trifft aber auch seinen Gegenspieler Redondo, der mit dem Kopf zum Ball will, in diesem Bewegungsablauf am Kopf. Die Aktion von Seegert ist zwar ballorientiert, und er spielt das Spielgerät auch, allerdings ist diese Spielweise rücksichtslos, weil Seegert die Gefahr und die Folgen seiner Spielweise außer Acht lässt. Es liegt aber auch keine brutale Spielweise oder übermäßige Härte vor, die eine rote Karte nach sich ziehen würde. Somit eine richtige Entscheidung, für diese Aktion Freistoß für Kaiserslautern zu geben und Seegert die gelbe Karte zu zeigen.
Szene 4: Für ein Foulspiel gegen Hamza Saghiri (Mannheim) sieht Kenny Prince Redondo (Kaiserslautern) glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Im Mittelfeld kommt es zu einem Zweikampf zwischen Redondo und Saghiri. Der Mannheimer führt den Ball am Fuß Richtung Seitenlinie, dabei kommt Prince Redondo hinzu, macht einen Schritt zum Ball und Gegner und trifft dabei Saghiri im Fußbereich. Auch wenn der Treffer am Fuß weh tut, ist die Aktion dennoch unglücklich und natürlich mit einem Freistoßpfiff wegen Foulspiel zu ahnden – nicht mehr und nicht weniger. Es liegt überhaupt keine Überhärte, keine brutale Spielweise, keine Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers durch hohe Dynamik oder Intensität vor, um einige Kriterien für eine rote Karte zu nennen. Auffällig, dass der Schiedsrichter beim Pfiff die gleiche Körpersprache hat, die er auch bis zu diesem Zeitpunkt bei Ermahnungen anwendet.
Dass er sich plötzlich für eine rote Karte entscheidet, ist ein mögliches Indiz dafür, dass er sich womöglich durch die Spielerreaktion und das Verhalten auf den Bänken anstecken lässt und daher überreagiert. Überzeugung für eine rote Karte sieht anders aus. Der Schiedsrichter nimmt womöglich wahr, dass er ein Zeichen setzen muss, damit ihm das Spiel nicht entgleitet. Bedauerlicherweise passt aber die Strafe überhaupt nicht zum Vergehen. Noch nicht einmal die gelbe Karte wäre in dieser Szene angebracht. Eine Fehlentscheidung, diese rote Karte zu zeigen. Das sind sogenannte Schlüsselszenen im Spiel, die sich auch meistens im späteren Spielverlauf rächen. Anmerkung: Natürlich macht der Schiedsrichter einen klaren Fehler und ist im weiteren Spielverlauf nicht mehr Herr der Lage. Für die weitere Eskalation ist er aber nicht allein verantwortlich. Das Verhalten vom sportlichen Leiter von Mannheim, Jochen Kientz, bringt sicherlich zusätzlichen Zündstoff mit sich. Die rote Karte für dieses Verhalten ist dann nur folgerichtig.
Szene 5: Hamza Saghiri (Mannheim) tritt Kevin Kraus (Kaiserslautern) bei einem Kampf um den Ball auf den Knöchel, Heft belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 53:30]
Babak Rafati: Saghiri legt sich den Ball im Mittelfeld zu weit vor, sodass sein Gegenspieler Kraus früher am Ball ist und das Spielgerät spielt. Saghiri sieht, dass er wohl nicht mehr an den Ball kommt, geht im vollen Lauf mit offener Sohle zu Werke, holt dabei sogar noch Schwung und trifft Kraus in die Füße/Wade. Das ist eine brutale Spielweise, die die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet, sodass es nur die rote Karte geben kann. Eine Fehlentscheidung, diese nicht zu zeigen. Wenn man das Vergehen bei der vorherigen roten Karte gegen Redondo hierzu vergleicht, liegt überhaupt keine einheitliche Regelanwendung der persönlichen Strafen mehr vor. Das Vergehen in dieser Szene von Saghiri an sich ist schon eine rote Karte. Zudem ist es für einen Schiedsrichter in der Fachsprache ein "Geschenk", diese rote Karte zu zeigen, um ein Gleichstand wieder herzustellen und mit 10 gegen 10 weiterzuspielen. Ein erfahrener Referee hätte sich diese Chance nicht nehmen lassen, um wieder Ruhe ins Spiel zu bringen. Hier hätten die Spieler alle erst einmal durchgeschnauft.
Szene 6: Beim Kampf um den Ball springt René Klingenburg (Kaiserslautern) seinem Gegenspieler Marco Höger (Mannheim) mit dem Knie in den Rücken, kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 56:45]
Babak Rafati: In dieser Szene springt Klingenburg im Mittelfeld zum Ball hoch und trifft Höger mit dem Knie in den Rücken. So etwas tut natürlich weh, aber anhand des anschließenden Verhaltens von Klingenburg erkennt man sehr gut, dass keine Absicht vorliegt und ihm diese Szene selbst Leid tut. Trotzdem ist diese Spielweise rücksichtslos, auch wenn er das Knie zum Hochspringen in dieser Form herausnehmen muss. Er nimmt dennoch in Kauf, die Folgen außer Acht zu lassen, weil Höger vor ihm steht. Hier hätte es die gelbe Karte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diese nicht zu zeigen.
Szene 7: Mannheims Adrien Lebeau läuft auf das Tor zu und geht im Duell gegen Marvin Senger (Kaiserslautern) kurz vor dem Strafraum zu Fall. Der Schiedsrichter wertet die Aktion als Notbremse und zeigt dem Lautrer glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Bei einem Laufduell kurz vor dem Strafraum von Mannheim führt Lebeau den Ball am Fuß. Dabei kommt Senger, der in einer schlechteren Position zum Ball ist, von der Seite angelaufen, wirft sich per Grätsche in den Zweikampf, spielt ein wenig den Ball, räumt aber entscheidend den Mannheimer Angreifer ab und verhindert, dass dieser allein auf das gegnerische Tor zulaufen kann. Diese Aktion ist nicht ballorientiert, sodass unumstritten ein Foulspiel vorliegt. Zudem verhindert Senger eine klare Torchance, sodass die Notbremseregelung in Kraft tritt und die rote Karte folgerichtig ist. Übrigens wäre der Schiedsrichter mit diesem entschlossenen und energischen Auftreten von der ersten Minute – wie in dieser Szene demonstriert – besser beraten gewesen: Sehen, entscheiden, schnell zum Tatort laufen und durch eine klare Körpersprache Sicherheit ausstrahlen und sich damit Akzeptanz und Respekt verschaffen.
Szene 8: Einen Schuss von Marlon Ritter (Kaiserslautern) wehrt Jasper Verlaat (Mannheim) im Strafraum mit dem Körper ab, Kaiserslautern fordert Hand-Elfmeter. Heft lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe von Ritter von der linken Seite in den Mannheimer Strafraum springt Verlaat mit dem Oberkörper dem Ball entgegen und wehrt ihn ab. Dabei ist nicht genau zu erkennen, ob Verlaat den Ball mit der Brust oder mit dem Arm abwehrt. Ein Handspiel ist in den TV-Bildern nicht auszumachen, zudem prallt der Ball von der Entfernung her weit ab, was immer ein Indiz dafür ist, dass der Ball mit dem Körper abgewehrt wurde. Bei Handspielen, wenn nicht der Arm aktiv und offensichtlich zum Ball geht, fällt der Ball eher herunter. Bei Aktionen im Strafraum sollte ein Schiedsrichter nur dann Elfmeter pfeifen, wenn ein klares Vergehen vorliegt. Detektivische Eingriffe will niemand. Eine richtige Entscheidung, in dieser undurchsichtigen Situation weiterspielen zu lassen. Die anschließende Aktion vom Teammanager der Lautrer, Florian Dick, ist ebenso unnötig, und auch hier bleibt dem Schiedsrichter den Regeln entsprechend keine andere Wahl, als ihm die rote Karte zu zeigen.
Szene 9: Der bereits gelb-verwarnte Baris Tomiak (Kaiserslautern) tritt Dominik Martinovic (Mannheim) auf den Fuß, kommt aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:44:10]
Babak Rafati: Kurz vor dem eigenen Strafraum tritt Tomiak seinem Gegenspieler Martinovic mit den Stollen kurz und ansatzlos auf den Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Diese Art von Foulspielen hat sich eingebürgert, ist sehr schmerzvoll für den Gegner und war schon bei der EURO 2020 häufiger zu beobachten. Bei diesen Modefouls, die in Fachkreisen als "Stempelabdruck" bezeichnet werden (Synonym für Stollen auf den Fuß und Abdruck hinterlassen), haben die Schiedsrichter die Anweisung, die gelbe Karte zu zeigen, um diese Spielweise konsequent zu unterbinden. In der Folge hätte es somit die Ampelkarte für Tomiak bedeutet, da er bereits gelb-verwarnt war. Eine Fehlentscheidung, diese Ampelkarte nicht auszusprechen.